und seinen Sohn, den Gesalbten zu senden versprochen hatte, setzte dieses Werk nun auch in die Tat um und in Gang. Doch er proklamierte ihn noch nicht öffentlich. Das wird er erst jenseits seines Lebens und Lebensweges tun – mit seiner Auferweckung aus den Toten! Warum Jesus von Nazareth? Gute Frage. Antwort: Weil es Gott so gefiel.
Gleich darauf geschieht folgendes. Nun handelt jener Geist, der sich Jesus mitgeteilt hat, treibt ihn an und treibt ihn hinaus. Wohin? Nicht zu einer unbeschwerten Tauffeier im Familienkreis. Nicht einmal zu den Menschen, sondern schnurstracks in die Wüste, wo der Täufer zur Umkehr gerufen hatte, hinein in jene trostlose und lebensfeindliche Welt, wo die bösen Geister hausen, und wo man sich auch bei Tage besser nicht hineinwagt, um sich nicht zu verirren, einen Stich zu bekommen und an Entbehrung und Entkräftung zu sterben. Da hinein trieb ihn der Gottesgeist, jene Kraft, die wie eine Taube auf ihn kam, die Himmelstimme im Rücken: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir fand ich Gefallen!« Nun also gefiel es Gott, seinen geliebten Sohn in die Wüste hinauszutreiben.
Vierzig Tage war er in der Wüste, versucht werdend von dem Satan. Was mag dort geschehen sein? Der Evangelist nennt – möglicherweise in Anspielung auf Israels Kommen aus dem Schilfmeer und seine vierzigjährige Wanderung durch die Wüste – Dauer und Ort des Aufenthaltes Jesu nach seiner Taufe und sagt, dass der Gegenspieler Gottes daselbst sein Spiel mit ihm trieb. Der Name Satan, ein hebräisches Wort, bedeutet anfeinden, anklagen, verklagen. Anfeindungen, Klagen und Anklagen musste Jesus in der Wüste über sich ergehen lassen, vierzig Tage lang, von früh bis spät und womöglich auch nachts. Eine biblisch lange Zeit. Wie es ihm dabei erging, und wie er selbst damit umging, davon erfahren wir nichts. Nur eben, dass er den Anschlägen des Teufels ausgesetzt war und sie sich gefallen lassen musste wie Hiob einst. Das heißt versucht werdend vom Satan.3
Aber nicht nur dem Gegenspieler Gottes war Jesus ausgesetzt. Markus schreibt, dass er ebenso lange wie dem Satan auch den Gegenspielern der Menschen, wilden Tieren ausgesetzt war: Und er war bei den wilden Tieren. Was den zweiten Evangelisten bewog, Jesu Aufenthalt gerade auch bei ihnen hervorzuheben, lässt sich nur erahnen. Sein Hinweis darauf ist im Neuen Testament einmalig. Matthäus und Lukas sind daran vorübergegangen und entschieden sich für die Versuchungserzählung der Logienquelle. Dass Tiere sich gegen den Menschen wenden, ihn anfallen, verletzen und manchmal sogar töten, war in Gottes guter Schöpfung nicht vorgesehen (vgl. Gen 1, 20–31; 2,19f). Zur Feindschaft von Geschöpfen Gottes untereinander kam es erst durch des Menschen Sündenfall. Zeitgenössische Denker und Autoren gingen der Frage nach. Die Verfluchung der Schlange, die den Menschen verführte, sowie die Setzung von Feindschaft zwischen ihr und der Frau einschließlich ihrer beider Nachkommen, die Verfluchung des Erdbodens sowie die Setzung der Mühsal des Menschen (vgl. Gen 3,13–19) wurde in der »Apokalypse Moses« zum Beispiel ausdrücklich um die Tiere ergänzt: »Die Tiere, über die du herrschst, werden sich gegen dich erheben in Aufruhr, weil du mein Gebot nicht bewahrt hast« (24,1). In derselben Schrift, Kapitel 10f (= »Das Leben Adams und Evas«, Kapitel 37f), war von einer Schlange die Rede, die Evas Sohn Seth – ein Ebenbild Gottes! – angriff und ihn verletzte. Seine Mutter war entsetzt darüber und in Sorge4, aber die Schlange erklärte ihr mit menschlicher Stimme, dass die Naturen der Tiere sich verwandelt haben, seit der Mensch sich verfehlte und als Ebenbild Gottes nicht mehr zu erkennen sei.
Jesus bei den wilden Tieren in der Wüste, bei Viechern, die mit dem Menschen alles andere als in Frieden leben! Wie sie ihm zusetzten oder ängstigten, und wie er mit ihnen umging, lässt der Erzähler auch hier mit Bedacht offen. Nur nicht, dass er eben auch bei ihnen war – Schlangen, Skorpionen, Aasfressern, Bestien, die einem Menschen schwer zu schaffen machen können. Jesus auch bei ihnen, wie er auch beim Satan war. Dass für die wilden Tiere in der Wüste mit Jesu Kommen zu ihnen messianische Zeiten anbrachen, wie sie Jes 11, 6–8 geschildert werden, wollte der Evangelist an dieser Stelle wohl nicht gesagt haben. Ihm ging es um den Messias in seiner Versuchung oder Erprobung durch sie, nicht um die Änderung der Natur der Tiere.
Vierzig Tage hält es kein Mensch unbeschadet in der Wüste aus. Auch Jesus nicht. Und so ist zum Schluss vermerkt, dass er dort dennoch nicht ums Leben kam, weil Engel ihm wiederholt dienten.5 Wohl mit Speise und Trank jeweils zur rechten Zeit. Hier etwas und dort etwas, was Engel in der Wüste so zu bieten haben. Himmlische Bankette, die ihm die Engel bereitet hätten, sind da sicher nicht gemeint. In der Bereitstellung von Lebensmitteln erschöpfte sich ihr Dienst. Weder sollten sie seine Versuchungen mit ihm teilen noch mit ihm dagegen ankämpfen.
Was auch immer in der Wüste geschah, in die Gottes Geist Jesus geführt und ihn dem Satan und den wilden Tieren ausgesetzt hatte, eines jedenfalls ist nicht geschehen: dass er von dort als Gottes- und Menschenfeind wiederkam. Weder als Klagender noch als Anklagender, weder als wildes Tier noch als verängstigter Mensch kehrte er aus der Wüste zurück. Nicht geschwächt kam er zurück, obwohl er ihnen ausgesetzt war, sondern gestärkt und gereift.
Danach aber, als Johannes ausgeliefert war, kam Jesus nach Galiläa, das Evangelium Gottes verkündigend wie folgt: »Die Zeit ist erfüllt, und die Herrschaft Gottes ist nahe. Ändert euren Sinn und glaubt an das Evangelium« (Mk 1,14f)!
1 Unterstreichungen im nachfolgenden Text markieren Berührungen mit der Logienquelle Q, die der zweite Evangelist gekannt hat. Q wird nach Lk zitiert.
2 Sie wird in Jes 40, 3 [hebr] genannt, worauf Mk 1, 3 sich bezieht, und bezeichnet ein Gebiet, in dem einstmals auch der Prophet Elia wirkte und am Ende mit feurigem Wagen und feurigen Pferden in einem Wirbelwind in den Himmel aufgenommen wurde (vgl. 1 Kön 2,1ff). Zur Bedeutung Elias im Markusevangelium vgl. 6,15; 8, 28; 9, 4f.11–13; 15, 35f.
3 Nach Q 4,1ff wurde der in der Wüste vierzig Tage nichts zu essen habende Jesus vom Teufel ermutigt, sich selbst mit einem Wunder von seinem Hunger zu befreien, allerlei fromme Werke zu tun und dabei Gott blindlings zu vertrauen.
4 »Eva weinte und sprach: ›Wehe, wehe, wenn ich komme zum Tag der Auferstehung, werden mich alle, die gesündigt haben, verfluchen und sagen: Eva hat das Gebot Gottes nicht gehalten‹« (ApkMos 10, 2). In anderer Version: »Wehe mir Armen, dass ich verflucht bin, weil ich die Gebote des Herrn nicht gehalten habe« (VitAd 37, 2).
5 Zum Dienst eines Engels für den Propheten Elia vgl. 1 Kön 19, 4–7.
Jesu Kommen nach Kapharnaum
Markus 1, 21–31.32–34
21–22 Einleitung
23–28 Die Entgeisterung eines Besessenen
29–31 Die Heilung der Schwiegermutter des Petrus
32–34 Erster Bericht vom Andrang der Menschen
21 Und sie wandern hinein nach Kapharnaum.
Und gleich am Sabbat,
nachdem er in die Synagoge hineingegangen war,
begann er zu lehren.
22 Und sie gerieten außer sich wegen seiner Lehre,
denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat,
und nicht wie die Schriftgelehrten.
23 In ihrer Synagoge war da gerade
ein Mensch mit einem unreinen Geist,
und er schrie auf,
24 sagend:
»Was (ist mit) uns und dir
(Ri 11,12; 1 Kön 17,18; 2 Kön 3,13; vgl. Mk 5, 7),
Jesus, Nazarener?
Ich weiß, wer du bist,
der Heilige