bewegen und ein normales Leben führen könne, aber nicht mehr. – Mit diesen Worten trieb er ihn davon, wie wenn er mit ihm und seiner Heilung nicht in Zusammenhang gebracht werden wollte.
In antiken Zauberpapyri begegnen uns ebenfalls Geheimhaltungsgebote, etwa wo ein Zauberspruch nicht weitergegeben bzw. nicht um seine Wirkung gebracht werden sollte. Der Eingeweihte musste sogar einen Eid ablegen, von den Formeln, deren Ohrenzeuge er werden würde, nichts verlauten zu lassen. Nur bei Miteingeweihten, sofern sie als verlässlich erschienen, sollten Ausnahmen von der Regel möglich sein. In Sagen und Märchen spielt das Motiv übrigens auch eine Rolle.
Anders hier. Jesus will nicht, dass der von seiner Krankheit geheilte Mensch bekannt macht, wer er ihm geholfen habe. Er soll es für sich behalten und keinen Wirbel darum machen. Doch da hatte Jesus sich in ihm wohl getäuscht. Der tat, was er immer tat und auch am Anfang unserer Geschichte getan hatte: ein Gebot übertreten. Der Mensch, auch der reine Mensch, ist eben der Mensch. Was er tun soll, tut er nicht, oder er tut es bloß teilweise, aber was er nicht tun soll, das tut er. Es war zu keiner Zeit anders. Der Mensch ging fort, begann viel zu verkündigen und die Sache auszubreiten, so dass Jesus nicht mehr öffentlich in eine Stadt hineingehen konnte, sondern sich außerhalb an einsamen Orten aufhielt. Doch ständig kamen sie zu ihm von überallher. Der reingewordene Mensch geht, wie ihm geheißen. So weit, so gut. Doch schon seine Selbstvorstellung beim Priester und das darauf an ihm zu vollziehende Zeremoniell samt Dankopfer fallen aus. Stattdessen breitet er die Sache aus, nicht wenig, sondern viel, und bringt seinen Helfer damit in Schwierigkeiten. Der kann sich nirgends mehr öffentlich blicken lassen, ohne von Menschenscharen belagert zu werden. Selbst außerhalb der Ortschaften an einsamen Orten ist er vor ihnen nicht mehr sicher. Ständig stöbern sie ihn auf, ständig kommen sie zu ihm von überallher.
Nirgendwo steht geschrieben, dass Jesus sich darüber beklagt oder dass es ihm leidgetan hätte, jenen windigen Burschen geheilt zu haben. Er nahm es hin und machte seine Heilung nicht etwa rückgängig. Auch den Mund verschloss er ihm nicht, wie er den unreinen Geistern in Kapharnaum das Mundwerk verschlossen hatte (vgl. 1, 25f.34). Er ließ ihn gewähren und trug ohne ein Wort des Zorns oder der Bitterkeit die Konsequenzen seines Tuns. Auch der reine Mensch ist eben der Mensch. Man kann sich auf ihn nicht verlassen. Man könnte Jesus allenfalls vorhalten, dass er es hätte wissen müssen. Aber wahrscheinlich wollte er, dessen Wollen sein Erbarmen und dessen Erbarmen sein Wollen ist, nicht einmal das.
6 Dass Jesus hinging, um zu beten, berichtet Markus dreimal. Hier an unserer Stelle, nach der Speisung der Fünftausend, als er seine Jünger drängte, ohne ihn an das andere Ufer vorauszufahren (6, 45ff), und im Garten Gethsemane dreifach (14, 32ff).
7 Manchmal wurden auch andere Hautkrankheiten mit diesem Namen versehen.
8 Genauso verhält es sich auch sonst: Mk 1, 7.9 (Ankündigung seines Kommens und Jesu Kommen zur Taufe) und 1,14 (Jesu Verkündigung in Galiläa). Bei der Berufung der Jünger 1,16.19 heißt es: Jesus sah sie, als er vorüber- bzw. ein wenig vorwärts- oder vorausging.
Rückkehr nach Kapharnaum
Markus 2,1–12
1–12 Die Heilung des Gelähmten
1 Als er nach Tagen wiederum nach Kapharnaum kam,
wurde bekannt,
dass er im Hause ist.
2 Und es versammelten sich viele,
so dass kein Platz mehr zu finden ist,
auch nicht vor der Tür,
und er begann ihnen das Wort zu sagen.
3 Da kommen sie
(und) bringen einen Gelähmten zu ihm,
getragen von vier (Leuten).
4 Doch weil sie ihn nicht zu ihm bringen konnten
wegen der Volksmenge,
deckten sie das Dach ab, wo er war,
und ließen, nachdem sie (es) aufgegraben hatten,
die Trage, auf der der Gelähmte lag, herab.
5 Als Jesus ihren Glauben sah,
sagt er zu dem Gelähmten:
»Kind,
deine Sünden werden erlassen!«
6 Es waren aber einige der Schriftgelehrten dort,
sitzend und erwägend in ihren Herzen:
7 »Was redet dieser so?«
»Er lästert!«
»Wer kann Sünden erlassen
außer der eine Gott?«
8 Doch Jesus durchschaute sogleich mit seinem Geist,
dass sie so bei sich erwägen,
und sagt zu ihnen:
»Wieso denkt ihr dies in euren Herzen?
9 Was ist leichter,
zu dem Gelähmten zu sagen,
›Deine Sünden werden erlassen‹,
oder zu sagen,
›Steh auf,
nimm auf deine Trage
und wandle‹?
10 Damit ihr aber wisst,
dass der Menschensohn Vollmacht hat,
Sünden zu erlassen auf Erden«,
sagt er zu dem Gelähmten:
11 »Dir sage ich:
Steh auf,
nimm auf deine Trage
und geh in dein Haus!«
12 Da wurde er aufgerichtet,
und gleich,
nachdem er aufgenommen die Trage,
ging er vor allen hinaus,
so dass sich entsetzen alle
und Gott rühmen,
sagend:
»Derartiges sahen wir noch nie!«
Nach mehreren Tagen seiner Lehrtätigkeit in Galiläa war Jesus wieder nach Kapharnaum am (Galiläischen) See zurückgekehrt, wo seine Jünger Simon (Petrus) und Andreas ein Haus besaßen. Als bekannt wurde, dass der berühmte Wundertäter, welcher böse Geister vertrieb und Kranke heilte, Jesus von Nazareth, wiedergekommen sei und im Haus der Jünger weilte, versammelten sich viele, so dass kein Platz mehr zu finden war, auch nicht vor der Tür, und er begann ihnen das Wort zu sagen. Nur vorläufig hatte Jesus sich aus Kapharnaum entfernt, so dass man nach ihm fragen, ihn suchen oder auf ihn warten musste. Das alles aber nicht vergeblich. Nun war er also wieder da, und die Leute strömten zahlreich seinem Aufenthaltsort zu und drangen sogar ins Haus ein. Jesus aber begann nicht etwa Wunder zu tun, sondern ihnen das Wort zu sagen, das freilich wunderliche Wort vom Kommen der alles mit Heil erfüllenden Herrschaft Gottes. Nicht ihr Gekommensein sagte er ihnen an, sondern ihr Kommen, ihre Nähe, ihr sich Nahen.
Da kommen sie und bringen einen Gelähmten zu ihm, getragen von vier Leuten. Die Menschen, die in Kapharnaum ins Haus der Jünger eindrangen, blockieren den Weg. Da war kein Durchkommen mehr, schon gar nicht für einen Gelähmten auf einer Trage. Weil seine Freunde ihn wegen des Gedränges nicht vor Jesus absetzen konnten, deckten sie, ohne um Erlaubnis zu fragen, das Dach an der Stelle ab, wo er war, gruben es auf und ließen die Trage, auf der der Gelähmte lag, an Seilen oder Stricken hinab. Man stelle sich das bildlich vor! Was sind das für Freunde, Freunde, die nicht eher Ruhe geben, bis sie ihren