Martin Gebhardt

Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten


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in Würzburg und in Bautzen wurde durch kriegsbedingte Zerstörung stark eingeschränkt bzw. abgebrochen.18

      Auf der Ebene der Pfarreien wurden ergänzend Akten für die Forschung hinzugezogen, auch wenn gerade diese hier zum Teil nur noch fragmentarisch vorhanden sind.

      Neben den kirchlichen Archiven wurden auch die Bestände der Thüringer Staatsarchive hinzugezogen. In den insgesamt sechs Staatsarchiven des Freistaats19 sind die Archivalien der untergegangenen Kleinstaaten zu einem großen Teil erhalten geblieben.20 Die katholische Kirche stellt in den Überlieferungen der Staatsministerien, meist Abteilung Kirche und Schule, bzw. in denen der Konsistorien nur ein Randthema dar, vermag allerdings wichtige Dokumente sowohl bezüglich der Wiederzulassung katholischer religiöser Praxis und katholischer Gemeinden als auch des generellen Umgangs mit der katholischen Kirche zu liefern. Ergänzt werden diese Ministerial- und Konsistorialakten durch die Bestände des Landeskirchenarchivs der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, die insbesondere die mittlere Verwaltungsebene der Landeskirche, wie bspw. Superintendenturen bzw. Ephorien, umfassen. Durch die Betrachtung und Zusammenführung von staatlichen und kirchlichen Aktenbeständen kann, trotz Vernichtung wichtiger Archivalien, ein umfängliches Bild der katholischen Kirche in Thüringen erzeugt werden.

      Zur Zitationsweise der Quellen sei erwähnt, dass bei foliierten Akten die Blattnummern (Bl.) angegeben sind. Ein Großteil der Akten ist jedoch nicht foliiert. In diesem Fall werden neben dem Archiv und der Akte die Form des Schreibens, Absender, Empfänger und das Entstehungsdatum des Schriftstücks aufgeführt.

      Die vorliegende Arbeit unterteilt sich in drei größere Abschnitte. Im ersten Abschnitt werden notwendige Hintergründe der Thematik erschlossen und in groben Zügen dargelegt. Dabei geht es zum einen darum, ein grundlegendes Verständnis für die politische Entwicklung des Thüringer Kleinstaatenkomplexes zu liefern und zum anderen, diesen in seiner konfessionellen Ausprägung darzustellen. Weiterführend werden Themenbereiche beleuchtet, die wesentlich die (Wieder-)Entstehung des Katholizismus in Thüringen berühren. Dabei wird insbesondere auf die konfessionell geltenden Regelungen nach dem Westfälischen Frieden 1648 als Grundlage und auf wichtige Rahmenbedingungen des 19. Jahrhunderts eingegangen. Das Verständnis der kirchlichen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen dieser Zeit bildet demnach eine unabdingbare Hintergrundkategorie für die Geschichte der katholischen Gemeinden Thüringens, die jedoch nur umrissen werden kann.

      Der zweite Abschnitt wendet sich der Erforschung, Darlegung und Bewertung der konkreten historischen Ereignisse bezüglich der Entwicklung katholischer Gemeinden in den einzelnen Staaten zu. Ausgehend von den sächsischen (Groß-) Herzogtümern über die Fürstentümer der Schwarzburger bis zu den Territorien der Reußen werden die Gründungs- und Entwicklungsumstände der einzelnen Gemeinden aufgeführt. Bedingt durch deren konkrete Entwicklungsgeschichte ergeben sich unterschiedliche Akzentuierungen in der Betrachtung. In diesem Hauptteil der Arbeit werden insbesondere durch Quellenarbeit die historischen Gegebenheiten dargestellt. Hierin wird ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte der katholischen Kirche in Mitteldeutschland geliefert, ohne zugleich den Anspruch zu erheben, die geschichtliche Entwicklung einer einzelnen katholischen Gemeinde hinreichend zu beschreiben. Insofern werden diesbezüglich Abstriche in der Detailgenauigkeit gemacht. Die vorliegende Arbeit versteht sich demnach als eine Gesamtdarstellung allgemeiner Art im Hinblick auf die (Wieder-)Entstehung des Thüringer Katholizismus innerhalb der Kleinstaaten.

      Der letzte Abschnitt fasst die aus dem zweiten Hauptteil gewonnenen Entwicklungen zusammen und erarbeitet Grundprinzipien, die sich durch die unterschiedlichen Gemeindeentwicklungen ziehen. Ebenso werden bestimmte wiederkehrende Erscheinungsformen festgehalten, so dass grundlegende Rückschlüsse auf die Wiederbelebung von Katholizität innerhalb der besonderen staatlichen, konfessionellen und gesellschaftlichen Prägung der Kleinstaaten bis zum Jahr 1918 ermöglicht werden.

      1 Vgl. J. Pilvousek, Diaspora und Eigensinn: Die katholische Kirche in Thüringen, in: K. Scheurmann/J. Frank (Hg.), Neu entdeckt. Thüringen – Land der Residenzen, Katalog 1, Mainz 2004, S. 217-221, hier S. 217. Die Mehrheit der thüringischen Bevölkerung hat heute keine Anbindung mehr an den christlichen Glauben, unabhängig von der spezifischen konfessionellen Prägung, wobei festzuhalten gilt, dass Mitteldeutschland seit der Reformation überwiegend lutherisch geprägt war. Im thüringischen Teil des Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands bekannten sich im Jahr 2013 von ca. 2,2 Millionen Einwohnern ca. 486.000 als evangelisch-lutherisch. Vgl. Landeskirchenamt der EKM, Kirchliches Leben in Zahlen. Statistische Übersichten (2013), S. 4.

      2 Nur etwa 7,9% der Bevölkerung Thüringens ist heute römisch-katholisch. Allerdings ist zu beachten, dass auch die Bevölkerungen des katholisch geprägten Eichsfeldes und der Rhön in diese offizielle Zahl einbezogen sind. Ohne diese beiden volkskirchlich geprägten Gebiete sinkt der Katholikenanteil in der Thüringer Bevölkerung auf etwa 3%. Nach kirchlicher Statistik der Deutschen Bischofskonferenz für die Jahre 2013/2014 lebten 151.863 katholische Christen auf dem Gebiet des Bistums Erfurt; vgl. Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Katholische Kirche in Deutschland. Zahlen und Fakten 2013/14 (Arbeitshilfen 269), S. 20. Laut schriftlicher Auskunft der Bischöflichen Ordinariate in Dresden (21. April 2015) und Fulda (24. April 2015), beläuft sich die Zahl der Katholiken in den jeweiligen Thüringer Diözesananteilen auf 9.813 (Dresden-Meißen) und 8.455 (Fulda) Personen.

      3 Vgl. dazu weiterführend zur Kurmainzer Herrschaft in Thüringen: G. Christ, Erzstift und Territorium Mainz, in: F. Jürgensmeier (Hg.), Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 6/2, Würzburg 1997, S. 17-444, hier S. 347-423, bes. zu den konfessionellen Verhältnissen S. 404f. Vgl. zudem: E. Bünz, Martin Luthers Orden in Neustadt an der Orla. Das Kloster der Augustiner-Eremiten und seine Mönche (Beiträge zur Geschichte und Stadtkultur 13), Jena 2007, S. 21.

      4 Vgl. H.-J. Röhrig, Art. Diaspora, in: LThK Bd. 3, Freiburg 32006, Sp. 199-203, bes. 202-203; und H.-G. Aschoff, Die Diaspora, in: E. Gatz (Hg.), Geschichte des Kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die katholische Kirche, Bd. III: Katholiken in der Minderheit. Diaspora – Ökumenische Bewegung Missionsgedanke, Freiburg 1994, S. 39-142, hier S. 39-42.

      5 Vgl. weiterführend: T. Müller, In der Fremde glauben. Die Auswirkungen von Flucht und Vertreibung im Ostteil des Bistums Fulda (EThSt 108), Würzburg 2015; und, auf das Gebiet der SBZ/DDR bezogen: J. Pilvousek, Von der „Flüchtlingskirche“ zur katholischen Kirche in der DDR. Historische Anmerkungen zur Entstehung eines mitteldeutschen Katholizismus, in: Ders., Die katholische Kirche in der DDR. Beiträge zur Kirchengeschichte Mitteldeutschlands, Münster 2014, S. 9-24, bes. S. 9-12.

      6 Vgl. R. Jonscher/W. Schilling, Kleine Thüringer Geschichte. Vom Thüringer Reich bis 1990, Jena 32001, S. 111f. Vgl. ferner einen zusammenfassenden Überblick: U. Schirmer, Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten. Eine Zusammenfassung, in: J. Emig/V. Leppin/U. Schirmer (Hg.), Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten (1470-1525/30) (Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation 1), Köln-Weimar-Wien 2013, S. 437-459; bes. S. 446-458 und bzgl. der Bedeutung der Lehre als identifikationsstiftendes Merkmal in Bevölkerung und Staatswesen: D. Gehrt, Die Anfänge einer konfessionell bestimmten Identität in Thüringen und den ernestinischen Landen, in: I. Dingel/G. Wartenberg (Hg.), Kirche und Regionalbewusstsein in der Frühen Neuzeit. Konfessionall bestimmte Identifikationsprozesse in den Territorien (LStRLO 10), Leipzig 2009, S. 53-68.

      7 Vgl. B. Opfermann, Das Bischöfliche Amt Erfurt-Meiningen und seine Diaspora. Geschichte und Gegenwart (Studien zur katholischen Bistums und Klostergeschichte 30), Leipzig 1988.

      8 Vgl. J. Freisen, Verfassungsgeschichte der Katholischen Kirche Deutschlands in der Neuzeit. Auf Grund des katholischen Kirchen- und Staatskirchenrechts, Berlin 1916.

      9 J. Freisen, Staat und katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten: Lippe, Waldeck-Pyrmont, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Reuss-Greiz, Reuss-Schleiz,