Martin Gebhardt

Katholiken in den Thüringer Kleinstaaten


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die Schwarzburger unterschieden sich in mehrere Erbschaftslinien. Im Stadtilmervertrag von 1599 wurde die Aufteilung des Gesamtbesitzes geregelt: danach unterteilte sich das Haus Schwarzburg in eine Rudolstädter- und eine Sondershäuserlinie, die jeweils Besitzungen in der Ober- und Unterherrschaft verwalteten.41 Auch nach dem Stadtilmervertrag gab es weitere Erbschaftsteilungen, sie sich dann auf die jeweilige Linie beschränkt blieb.

      Der Aufstieg des Hauses Reuß in den adligen Stand beruhte auf der geschickten Dienstpolitik der Familie.42 Als Vögte verstanden sie es eigene erbliche Besitzungen zu etablieren und ein eigenes Machtzentrum an der Weida, an der sie den gleichnamigen Ort gründeten, zu schaffen.43 Ähnlich den Schwarzburgern konnten die Reußen ihre Herrschaft nur behaupten, indem sie die Verbindung zum Kaiser und der böhmischen Krone eng knüpften.44 Erst dies ließ aus einem Geschlecht von Vögten reichsunmittelbare Herren werden, die letztendlich zu Fürsten mit eigenen Staaten aufsteigen sollten. Im Jahr 1564 teilten die Reußen den Gesamtbesitz in drei zu unterscheidende Erblinien auf: eine ältere Linie, mit der Herrschaft Untergreiz, eine mittlere Linie mit der Herrschaft über Obergreiz und eine jüngere Linie mit dem Besitz der Herrschaft Gera.45 Die Aufteilung in drei Linien beendete die Erbteilungspraxis in der Folgezeit jedoch nicht, sondern beschränkte diese auf den jeweiligen Familienzweig, mit der Folge, dass sich die Zersplitterung der Ländereien verstärkte.

      Doch nicht nur Erbteilungen der Adelshäuser führten zu einem territorialen Flickenteppich.46 Auch die kirchlichen Besitzungen des Mainzer Erzstifts47, welche die bedeutendste Metropole Thüringens, Erfurt48, umfasste und das auch das Eichsfeld besaß, verstärken die Unterteilung.49

      Thüringen ist Ausgangspunkt einer der größten Umbrüche in der europäischen, besonders aber der deutschen Geschichte geworden. Die von Martin Luther ausgehende bzw. von ihm auf vielfältigem Weg angestoßene Kirchenreform war in besonderem Maße an die wettinische Herrschaft gebunden: Thüringen als Teil des sächsischen Machtraumes wurde zum Ausgangspunkt bzw. mittragenden Faktor der Reformation.50 Sie veränderte Thüringen in seinen Herrschaftsgebieten nachhaltig. Eine umfassende Darstellung der entsprechenden Zeitumstände kann an dieser Stelle jedoch nicht erfolgen.51 Stattdessen soll auf das neue Miteinander von Staat und Kirche aufmerksam gemacht werden, das fortan die Thüringer Staatenwelt prägen sollte: Das evangelische Landeskirchentum.

      Die Schutzfunktion des sächsischen Kurfürsten Friedrich III., genannt Friedrich der Weise (1463-1525), über Luther und seine Lehre deutet bereits an, wie stark und wichtig die Rolle des Staates innerhalb der Reformation war. Nach dem Tod des Kurfürsten, 1525, hatte die bis dahin nur passiv ausgeübte, die Reformation fördernde Politik ein Ende und wurde durch eine aktiv in die Kirchenreform eingreifende Herrschaftsausübung abgelöst.52 Friedrichs Bruder, Kurfürst Johann der Beständige (1468-1532), ergriff entschieden Partei für Luthers Lehre und unterhielt zum Wittenberger Theologen eine gute Beziehung.

      Der Bruch mit dem alten Glauben entsprach dabei einem indirekten Bruch mit Kaiser Karl V. (1500-1558), der den katholischen Glauben verteidigte, auch um hiermit die Einheit des Reiches zu sichern. Kurfürst Johann scheute zunächst eine Konfrontation mit dem Kaiser, nicht nur aus staatsdynastischen, rechtlichen und militärischen, sondern auch aus Gründen der Gefolgschaft. Für andere Fürsten stellte die neue Lehre jedoch ein willkommenes Mittel zur Profilierung gegenüber dem Kaiser dar.53

      In Kursachsen entwickelten sich erste strukturschaffende Elemente für den Umgang mit der neuen Kirchensituation. Die allgemeine Tendenz zur Staatenbildung und der Aufbau eines sich vom alten Vasallenwesen abhebenden Verwaltungssystems zum Beginn des neuen Jahrhunderts begünstigte diese Situation.54

      Als im Jahr 1527 Kursachsen eine Landeskirche wurde, oblag die Leitung dieser fortan dem Kurfürsten. Es war zunächst eine Notlösung, die eben durch die verworrenen Verhältnisse nötig wurde. Die Kirche sollte demnach zwar vom Staat unabhängig sein. Da aber der weltliche Fürst nach göttlichem Willen Herrscher sei, stehe ihm auch in kirchlichen Fragen Verantwortung und Entscheidungskompetenz zu.55 Hatte also die kirchliche Eigenbestimmung versagt und war diese nicht in der Lage die christliche Lehre wirksam zu schützen, kam es dem Landesherrn zu, in die Belange der Kirche einzugreifen und diese zu ordnen.56

      Dass Landesherren Einfluss auf die Kirche vor Ort ausübten, war schon in vorreformatorischer Zeit üblich.57 Durch Sicherung von päpstlichen Privilegien und Stiftung geistlicher Einrichtungen vermochte es auch der katholische Fürst, Einfluss auf die kirchlichen Verhältnisse seines Landes zu nehmen.58 Die Schaffung eines Kirchenregiments durch die sächsischen Kurfürsten ist bereits vorreformatorisch in Grundsätzen nachweisbar und steht in engem Zusammenhang eines sich wandelnden Bildes der Landesherrschaft.59

      Im Jahr 1526 ordnete Kurfürst Johann der Beständige eine umfassende Prüfung der kirchlichen Verhältnisse an.60 Bei diesen Visitationen61 handelte es sich um eine grundlegende Erhebung der vorhandenen Geistlichkeit, der kirchlichen Güter, der Besitzstände der Geistlichen, aber auch der Klöster62 und deren geistlichen Zustandes. Damit verschoben sich klar die bisherigen Kompetenzen. Luther verkörperte wie kein anderer den Umbruch, doch wurde er zunehmend zu einer Randfigur. Der Staat war es, der fortan administrativ eingriff und damit die Reformation lenkte.63 Dazu sah er sich auch in der Verantwortung, denn die Disziplinierung der Bevölkerung, auch in ihrem moralischen Lebenswandel, wurde in die Kompetenz des Landesherrn gelegt.64 Die Reform der Kirche wurde zunehmend eine Reformation der Fürsten, wenn auch nicht eine absolute.65 Die drängendsten Fragen im Land mussten gelöst werden. Von daher war eine neutrale Haltung des Landesherrn nicht möglich und eine Lösung auf Reichsebene schien nicht realisierbar.66 Die von Johann angeordneten Visitationen waren somit auch Mittel der Politik und Grundlage der Umformung Kursachsens zu einer Landeskirche.67 Kirche wurde damit nicht nur zu einem Organ des Staates, sondern auch im mitteldeutschen Raum eine Kirche lutherischer Ausprägung: katholische Geistliche, wie auch andere protestantische Strömungen, hatten nur die Möglichkeit sich der allgemeinen lutherischen Auffassung anzuschließen.68 Die staatliche Kirchenpolitik, ausgestattet mit der kurfürstlichen Instruktion zu den Visitationen, erlassen am 16. Juni 152769, die es in dem Sinne vorher nicht gab, wurde zum Garanten des Luthertums.

      Schrittweise wurde eine durch den Staat gelenkte kirchliche Verwaltung aufgebaut und durch den Erlass von Kirchenordnungen70 eine neue Rechtsstruktur geschaffen. Aus Aufsichtsbereichen der Visitatoren wurden kirchliche Verwaltungsbezirke, so genannte Superintendenturen, die, da sie „staats-kirchliche Einrichtungen“ waren, eine vollkommen neue Kirchenstruktur entwarfen. In Thüringen entwickelte sich somit die Superintendenturverfassung.71

      Diözesangrenzen katholischer Ortskirchen überschritten weltliche Territorien. Einer lutherischen Landeskirche, die Staatskirche war, war dies nicht möglich.72 Die Verbindung von Kirche und Staat war konkret eine Verbindung von Landesherrn und Kirche. Der Kurfürst, später die Fürsten, übten ein landesherrliches Kirchenregiment aus.73 Über die Visitationen und die Bildung von Superintentaturen, entwickelte sich eine konsistoriale Ordnung der inneren Kirchenverwaltung. Von einer Notstandssituation, die dem Landesherrn gewisse Kompetenzen zusprach, kann unter dieser Perspektive nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich um den vollständigen Übergang in die staatliche Ordnungsgewalt fast sämtlicher kirchlicher Belange.74 Philipp Melanchton (1497-1560) förderte die Kompetenzen des Landesherrn noch weiter, indem er diesem die „custodia primae tabulae“ zuwies und diesen somit zum Hüter von rechter Lehre und Kult erklärte.75

      Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 manifestierte die Zuordnung von Landesherrn und Religion in besonderer Weise.76 Den Fürsten stand das „ius reformandi“ zu, das ihnen einräumte, für ihr Territorium die Konfession frei zu bestimmen und nach eigenem Willen auch wieder zu verändern.77 Sollte ein Fürst mit seinem Territorium zum Augsburger Bekenntnis wechseln, so erlosch die Kompetenz des vormals zuständigen katholischen Bischofs für die kirchliche Ordnung dieses Gebietes, in dem fortan ein Landesherrliches