und im November des folgenden Jahres 1879 vom Polizeidepartement ausgingen, führten unter anderem zur Gründung des Freiwilligen Armenvereins Thierstein und des Armenerziehungsvereins Lebern im Jahr 1880. Um weitere Gründungen in den verbleibenden Amteien und Bezirken des Kantons zu initiieren, wandte sich der Vorstand des Armenerziehungsvereins Olten-Gösgen im Juni des Jahres 1887 erneut an das Departement für Armenwesen, das seinerseits «in den Amteien Balsthal Thal & Gäu & Dorneck-Thierstein die Gründung von Armenerziehungsvereinen angeregt habe & der Frage seine Aufmerksamkeit schenken werde».250
1880 erstellte der Regierungsrat einen Entwurf zu einem Armengesetz, in dem die private Fürsorge ins Zentrum der praktischen Armenunterstützung gesetzt werden sollte. Der Regierungsrat sehe die Lösung der Armenfrage darin, «dass die obligatorische Armenpflege beschränkt, dagegen der freiwilligen Armenpflege eine bessere Organisation gegeben wird».251 Inwieweit die Gründung von Armen- und Armenerziehungsvereinen nach 1880 auf diesen Gesetzesentwurf zurückzuführen ist – beispielsweise beim Freiwilligen Armenverein Thierstein, dem Freiwilligen Armenverein Dornach252 oder dem Armenerziehungsverein Lebern –, bleibt offen. Bei Ersterem wurde lediglich erwähnt, dass «das liebe Schwarzbubenland» dieser «frommen Zeitströmung sein Ohr nicht verschliessen» könne, nachdem «der Thierstein thatkräftig vorgegangen» sei.253 Keiner der genannten Vereine gab als Gründungsimpuls den Armengesetz-Entwurf wieder, doch ist es bezeichnend, dass die Gründung mehrheitlich von Oberamtmännern ausging, die laut Gesetzentwurf ja auch die Initiative ergreifen sollten.
Auf Einladung des Oberamtmanns Franz Josef Hänggi (1846–1908), dem späteren Solothurner Regierungsrat zwischen 1887 und 1908, versammelten sich am 8. Januar 1880 im Weissen Kreuz in Breitenbach 15 Personen, die einerseits die für die ausserordentliche Notlage (Missernten) zu treffenden «Massregeln» und andererseits die «Organisation der freiwilligen Armenpflege mit erzieherischem Zwecke» besprechen sollten. Der Ankauf von Saatkartoffeln für arme Familien und die «Bildung eines freiwilligen Armenvereins» wurden beschlossen.254 Die Konstituierung des «Freiwilligen Armenvereins Thiersteins» vollzog sich sehr rasch: Nach der ersten Sitzung traf sich ein provisorisches Comité bereits wieder am 10. und am 14. Januar, setzte die Instruktionen für Ortskassiere am 21. Februar 1880 auf und genehmigte eine Woche später die ersten Statuten.255 In der folgenden Kommissionssitzung im März wurde der Akzent vor allem auf die Bekämpfung des Bettels gerichtet.256 In der Sitzung vom 8. Oktober 1880 wurde die erste «Wegnahme» eines Knaben von seiner Mutter beschlossen, indem er an einem andern Ort unter der Bedingung «verdungen werden» sollte, «dass er gehörig versorgt werde».257 Der Solothurner Bankkrach bedeutete für den Armenverein Thierstein, und beispielsweise auch für den Armenerziehungsverein des Bezirks Lebern, eine Zäsur: «In den politisch bewegten Zeiten der 87iger & 88iger Jahren & des Bankkraches stellte der Verein die Tätigkeit ein, um im Jahre 1891 wieder Auferstehung zu feiern.»258
Der Einsatz der beiden kantonalen Departemente verdeutlicht die Stossrichtung, die durch den Armengesetzentwurf von 1880 ausging. Darüber hinaus wurden die Gemeinnützigen Gesellschaften im Kanton Solothurn am 27. Oktober 1889 unter dem Präsidium von Dr.Adolf Christen in Solothurn zu einer Kantonalgesellschaft gebündelt. «Im Auftrage des vorbereitenden Komitees sprach J. Bachmann, Präsident des Armenerziehungsvereines Olten-Gösgen über die Notwendigkeit der Gründung weiterer Armenerziehungsvereine im Kanton Solothurn, wie es auch in der Folgezeit geschah und Otto Wyser von Schönenwerd begründete mit eindringlichen Worten die Notwendigkeit der Errichtung einer Anstalt für schwachsinnige Kinder. So hatte sich die Gesellschaft gleich bei der Gründung zwei grosse Aufgaben gestellt […].»259
In den Bezirken Kriegstetten und Bucheggberg initiierten dann die ansässigen Gemeinnützigen Gesellschaften die Gründung von Armenerziehungsvereinen.260 Während die kantonale Verwaltung die bestehenden Armenerziehungsvereine des Kantons Solothurn und die Gemeinnützigen Gesellschaften die Bildung von Armenerziehungsvereinen nach Kräften förderte, so wurde ein diesbezüglicher Einsatz bei der katholischen Geistlichkeit hingegen vermisst:
«An dieser edlen Aufgabe der Erziehung armer Kinder sollten alle Menschen, denen ein fühlendes Herz in der Brust sich regt, ohne Ansehen des religiösen & politischen Glaubensbekenntnisses nach Kräften mitarbeiten. Dass wollends ein ganzer Stand, der alle seine Tätigkeit in den Dienst der hilfsbedürftigen Menschen stellt, bis jetzt unsern Bestrebungen wenig Teilnahme entgegengebracht hat, ist im Interesse der guten Sache, tief zu bedauern: für das Fernbleiben der H. H. Röm. Kathol. Geistlicher lässt sich wohl kein vernünftiger Grund anführen.»261
Es bleiben nur Spekulationen, warum sich die katholische Geistlichkeit am Vereinswesen nicht in gewünschtem Masse beteiligte. Vielleicht waren hier noch die Auswirkungen des Kulturkampfes spürbar, insbesondere in Olten, wo zudem die christkatholische Kirche ab 1875 ihre Synoden abhielt. Im Mai 1924 wandte sich der Amtsvormund der Stadt Olten anlässlich der Jahresversammlung an den Verein mit dem Anliegen, im Herbst eine Armenpflegekonferenz einzuberufen, «an welcher alle diejenigen Behörden u[nd] Vereine der Amtei vertreten sein sollten, die sich mit dem Armenwesen befassen».262 Zweck dieser Konferenz sei die Klärung wichtiger Fragen sowie die verbesserte «Fühlungsnahme unter den einzelnen Organisationen […], was zu einem guten Erfolg wesentlich beitragen müsste».263 Die Versammlung kam zum Schluss, dass neben der «Versorgung» Jugendlicher auch die «Altersasylfrage» behandelt werden müsse und darum auch das kantonale Armendepartement sowie das Oberamt vertreten sein sollte. Der Amtsvormund stellte dann den Antrag, der Vorstand möge das Departement des Armenwesens ersuchen, eine diesbezügliche Konferenz einzuberufen. Der Herbst verstrich ohne eine Armenpflegekonferenz, und erst über ein Jahr später erscheint dieselbe wieder in den Vorstandsprotokollen. Anscheinend wurde das Anliegen vom Armenerziehungsverein Olten-Gösgen in den Verband der Solothurner Armenerziehungsvereine portiert, der der Regierung zwar eine Eingabe gemacht hatte, 264 jedoch wegen Krankheit des Regierungsrats Siegfried Emmanuel Hartmann (1871–1941) und den «Neuwahlen» hatte verschoben werden müssen.265 Die Armenpflegekonferenz fand schliesslich am 15. Mai 1926 statt, zur Diskussion kam eine «Instruktion und Belehrung über die Durchführung des kantonalen Armengesetzes und des Interkantonalen Konkordates betr. wohnörtliche Armenunterstützung».266
Auch Amtsvormund Stilli war an der Jahresversammlung 1926 gegenwärtig.267 Mit dem Amtsvormund holte sich der Vorstand des Armenerziehungsvereins Olten-Gösgen einen offiziellen Vertreter der kantonalen Behörden ins Boot. Seine Äusserung über die Eignung der Pflegekinder zur Fabrikarbeit oder die Ausbildung zu Dienstmädchen steht im Grund genommen gegen die Praxis der Armenerziehungsvereine, die «ihre» Pflegekinder wegen moralischer Bedenken nicht in Fabriken arbeiten lassen wollten. Das Votum muss aber auch als Zeichen der Zeit gelesen werden, indem in den 1920er-Jahren das Handwerk ein eher unsicherer Sektor war und insbesondere wegen der Knappheit an Dienstboten Mädchen für sogenannte «grössere und kleinere Plätzchen» immer gesucht waren. Der Präsident ging dann auch entsprechend mit dem Amtsvormund einig. Beim zweiten Votum des Amtsvormunds sah es hingegen anders aus: Stilli berichtete über die Absicht der Stadt Olten, «ein eigenes Bürgerheim nach Möglichkeit dezentralisiert für wenige benachbarte Gemeinden gemeinsam»268 einzurichten. Hier erklärte der Präsident: «Bürgerheime sollten dagegen nach seiner Ansicht nicht allzusehr dezentralisiert werden. Er denkt dabei an die frühern berüchtigten Gemeindespittel.»269
Dass die zweite Hälfte der 1920er-Jahre für den Verein eine Krisenzeit verkörperte, verdeutlicht die Erhöhung der Kostgelder: Einerseits versuchte der Vorstand damit den steigenden Lebenskosten Rechnung zu tragen, andererseits aber auch eine gewisse Attraktivität für Pflegeeltern und Gemeindebehörden zu bewahren. Mitgliederschwund insbesondere bei den als Kollektivmitglieder aufgeführten Gemeinden bewog den Armenerziehungsverein Olten-Gösgen zu einer vermehrten Mitgliederwerbung mittels Zirkularen.270 1928 fand in Zusammenarbeit mit dem Lehrergesangverein Olten-Gösgen in der christkatholischen Kirche in Olten ein Wohltätigkeitskonzert statt, dessen Reingewinn von 370.15 Franken dem Verein übergeben wurde.271
Die schwierige Finanzlage blieb selbstverständlich auch während der Weltwirtschaftskrise ein beständiges Thema. Der Vorstand des Armenerziehungsvereins Solothurn-Lebern