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Die Naturforschenden


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[…]. An der Spitze der Reihe hebt sich die weisse – auch arische oder indoeuropäische – Rasse ab […].»40

      Mit ihren rassentheoretischen Ansichten stand Royer nicht alleine da. In einem schweizerischen Zusammenhang lässt sie sich als Vertreterin eines radikalen, säkularisierten Rassismus einordnen, den sie mit ihrem Genfer Kollegen Carl Vogt teilte. Auch er war ein atheistischer Verfechter des Evolutionsgedankens. Im Unterschied zu Royer glaubte er nicht, dass alle «Rassen» aus demselben «Stamm» hervorgegangen seien, sondern unterschied mehrere Wurzeln (Polygenismus). Ähnlich wie Royer sah er die Rassen in einem zutiefst hierarchischen Verhältnis. Afrikaner «erinnerten» ihn etwa «unwiderstehlich an den Affen».41 Andere Naturforscher teilten zwar Darwins These von der Wandelbarkeit der Arten, hielten jedoch aus religiösen Überzeugungen am Gedanken der göttlichen Schöpfung fest. Auch sie teilten die Menschheit in verschiedene «Rassen» ein, sahen diese jedoch als Variationen innerhalb derselben Art. Sprachlich äusserten sie sich zurückhaltender und setzten sich vor allem für den «Schutz» der vom Untergang bedrohten «Naturvölker» ein.42 Einen Spezialfall bildete der Neuenburger Naturforscher Louis Agassiz, der Lehrer Carl Vogts. Er lehnte den Darwinismus aus religiösen Gründen ab, vertrat jedoch ähnlich wie Vogt einen polygenetischen Rassismus, den er im Unterschied zu Royer und Vogt jedoch nicht so sehr in seinen Publikationen, sondern in privaten Äusserungen ausbreitete.43

      In Royers Konzeption war die Hierarchie zwischen den «Rassen», im Unterschied zu jener zwischen den Geschlechtern, nicht nur fundamental und unüberwindbar, sondern auch weit grösser als in den Augen ihrer Zeitgenossen. Strichen diese vor allem die Nähe «primitiver Rassen» zu Primaten hervor, betonte Royer:

      «Es lässt sich sogar ohne Furcht behaupten, dass ein Mincopie [Bewohner der Andamanen], ein Buschmann, ein Papua oder sogar ein Lappländer [geistig] nicht nur näher mit einem Affen, sondern auch näher mit einem Känguru verwandt ist als mit einem Descartes, einem Newton, einem Goethe oder einem Lavoisier.»44

      Wenn wir Royers Geschlechtertheorie mit ihrer Rassentheorie kombinieren, lässt sich ihre Position als eine Art feministischen Rassismus oder rassistischen Feminismus charakterisieren. Der Fluchtpunkt von Royers Denken bildete stets der «Fortschritt» der weissen «Rasse». Anders als bei ihren männlichen Kollegen spielten Frauen in diesem Prozess jedoch nicht nur eine passive und nebensächliche, sondern eine aktive, ja die zentrale Rolle, wie sie in einer Passage über sexuelle Verbindungen («Blutsmischung») zwischen unterschiedlichen «Rassen» erläuterte:

      «Der Widerwille gegen die Blutsmischung zeigte sich zuerst bei den überlegenen Rassen und zwar stärker bei den Weibchen als bei den Männchen. Bis zum heutigen Tag ist es eine universelle Tatsache, dass Kreuzungen zwischen der weissen Rasse und minderwertigen Rassen aus Verbindungen zwischen dem Weissen und der Negerin, der Inderin oder der Australierin hervorgehen; nur in Ausnahmefällen – etwa in Fällen von Gewalt – findet man Beispiele von Mischungen zwischen der weissen Frau und Männern anderer Rassen.»45

      Die Gründe, weshalb sexuelle Verbindungen zwischen europäischen Männern und farbigen Frauen häufiger waren als umgekehrt, waren politischer und kultureller Art: Gerade zum Schutz des weissen Überlegenheitsanspruchs wurde der Kontakt zwischen europäischen Frauen und farbigen Männern auf den Plantagen und in Handelsstädten in Übersee durch die Kolonialmächte eingeschränkt.46 Royer erklärte sich diese Tatsache jedoch biologisch, mit einem angeblich angeborenen «Widerwillen» weisser Frauen gegenüber farbigen Männern. Die weisse Frau sorgte in ihrer Konzeption also für die «Reinheit» und angebliche Überlegenheit ihrer «Rasse».

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      Abb. 8: Im hohen Alter wurde Clémence Royer in Frankreich mehrfach geehrt. Dieses Porträt entstand 1902 kurz vor ihrem Ableben. Es zeigt sie mit dem roten Band der französischen Ehrenlegion.

      SCHLUSS

      Damit entpuppt sich Royer als gleichermassen faszinierende und ambivalente Denkerin. Sie schrieb in origineller Weise gegen die naturwissenschaftliche Begründung der Diskriminierung von Frauen an. Anders als spätere Generationen von Feministinnen entlarvte sie angeblich biologische Unterschiede und Hierarchien zwischen den Geschlechtern jedoch nicht als Ausdruck der kulturellen Machtausübung in einer männlich dominierten Gesellschaft. Sie versuchte stattdessen eine alternative, eine feministische Biologie zu entwerfen. Die problematische Kehrseite ihrer Philosophie war der Rassismus, der kein Nebenprodukt, sondern vielmehr konstitutiv für ihren Feminismus war. Ihre Vorstellung von Emanzipation umfasste nicht alle Menschen, sondern primär bürgerliche europäische Frauen wie sie selber. Sie sah die Menschheitsgeschichte als einen Überlebenskampf zwischen der «zivilisierten» europäischen «Rasse» und allen anderen «Rassen». Die Emanzipation der europäischen Frauen stellte für sie eine Notwendigkeit im ureigenen Interesse der «weissen Rasse» dar. Nur mit der Emanzipation der Frauen könne diese ihren Zustand der «Zivilisation» und damit ihre Überlegenheit über alle anderen «Rassen» bewahren. Hierzu müsse jedoch auch gegen Bedrohungen im Inneren vorgegangen werden, gegen die «Schwachen, Kranken, Unheilbaren und Bösartigen», wie sie im Vorwort zu ihrer Darwin-Übersetzung nahelegte.

      Royer entwickelte diese Gedanken nicht in isolierter Abgeschlossenheit, sondern im regen Austausch mit Wissenschaftlern aus der Schweiz und dem Ausland. Der Fall beleuchtet damit auch ein Stück Geschichte der intellektuellen und gebildeten Schweiz. Er illustriert, dass Rassentheorien und eugenische Theorien keinesfalls aus dem Ausland in die Schweiz «importiert» wurden, sondern dass die Schweiz als Knotenpunkt innerhalb weitverzweigter wissenschaftlicher Netzwerke selber ein Standort war, wo solche Theorien produziert wurden.

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