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Die wechselseitige Rezeption zwischen Ortskirche und Universalkirche


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des atheistischen Kommunismus intendierte und Vorschläge für die Seelsorge in jenen Ländern machte, die unter kommunistischer Herrschaft standen, hatte Erzbischof Bengsch bereits im Mai 1962 das Wort zu ergriffen.98 Ihm ging es vor allem darum, den Kommunismus als Erscheinungsform des Atheismus und Materialismus zu brandmarken und Begrifflichkeiten zu meiden, die den Kampf gegen die Kirche unter kommunistischer Herrschaft neu entfachen könnten. Dass es zu keiner verbalen Verurteilung des Kommunismus kam, ist sicher auch auf Bengsch und andere DDR-Bischöfe zurückzuführen. Die damaligen Weihbischöfe Aufderbeck, Schaffran und Theissing hatten beispielsweise für Kardinal Alfrink eine Intervention über den Dialektischen Materialismus vorbereitet99 und Weihbischof Aufderbeck war an der Entstehung des Textes zum Atheismusproblem beteiligt.100 Am 25. Oktober 1964 konnten die Erarbeiter der Intervention für Kardinal Alfrink erfreut konstatieren: „Kein Kapitel und keine neue Verurteilung des Kommunismus und des Dialektischen Materialismus“101.

      Erzbischof Bengsch gehörte zu den 75 Konzilsvätern, die bei der Schlussabstimmung am 7. Dezember 1965 gegen die Pastoralkonstitution Gaudium et spes stimmten. Seine Ablehnung hatte er in einem Brief an Papst Paul VI vom 22. November begründet.102 Ihm ging es darum, den Missbrauch des Textes durch totalitäre Regime zu verhindern.103 Ein halbes Jahr nach dieser Entscheidung schrieb Bengsch Kardinal Döpfner einen Brief, erinnerte an diese Vorgänge und zeigte erste Konsequenzen für eine „neue“ vatikanische Ostpolitik auf: „Du erinnerst Dich, daß bereits im Verlauf der 4. Konzilssession mich die kirchenpolitischen Konsequenzen der im Schema 13 fixierten theologischen Akzentsetzungen bedrängten. Mir schien bereits damals die Bejahung der Welt, der Kultur, der Technik zu ungesichert. Wahrscheinlich hast Du noch die Durchschriften meiner Interventionen in der Frage der Weltfriedensorganisationen und meines Memorandums über die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen bei Verhandlungen mit den Ostblockländern. Alle meine damaligen Bemühungen haben aber nichts genützt. Der Papst hat mir in der Audienz gesagt, daß er meine besondere Lage wohl verstehe, sie aber nicht zum Maß für gesamtkirchliche Entscheidungen und Unternehmungen machen könne. Es ist mir aber klar, dass die theologische Akzentsetzung im Schema 13 das volle Placet des Papstes hat und von dieser theologischen Konzeption aus der Weg der Weltsendung, der Regierungskontakte, des Dialoges zielstrebig gegangen wird. Die möglichen Dauerkontakte des Vatikans mit allen Ostblockländern, ausgenommen die DDR, dürften natürlich für uns schwerwiegende Folgen haben. Da der hiesige Staatssekretär für Kirchenfragen unter allen Umständen Informationen über bereits laufende Verhandlungen besitzt, muß er die Konsequenz ziehen, dass die politische Abstinenz der mitteldeutschen Bischöfe ernstlich nicht mehr vom Vatikan gedeckt wird. Während bisher manche Forderungen nach politischem Engagement der Kirche gestoppt wurden, weil man hinter der abstinenten Haltung der Bischöfe eine wenigstens indirekte Weisung des Vatikans vermutete, kann man in Zukunft unter Berufung auf das Konzil und den Papst die Bischöfe unter Druck setzen.“104 Die weitere Entwicklung der vatikanischen Ostpolitik gegenüber der DDR bis 1978 folgte durchaus der von Bengsch skizzierten Linie.

      Auf die zahlreichen Begegnungen der Teilnehmer aus der DDR mit anderen Konzilsteilnehmern wurde bereits hingewiesen. Gemeinsame Konferenzen der ost- und westdeutschen Bischöfe sowie Sitzungen der ostdeutschen BOK in Rom fanden regelmäßig statt.105 Wie argwöhnisch die DDR diese Begegnungen betrachtete, wurde nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Brief wechsels der Bischöfe von 1965 deutlich. Am 18. November hatten die polnischen Bischöfe einen Brief an ihre deutschen Mitbrüder verfasst.106 Am 5. Dezember hatten die deutschen Bischöfe mit einem Brief, den auch alle ostdeutschen Bischöfe unterzeichneten, geantwortet.107 Sie baten, so zusammenfassend der Inhalt, um Vergebung und gewährten Vergebung.108 Auf polnischer Seite war offensichtlich der Erzbischof von Breslau, Kominek, federführend beteiligt, auf deutscher Seite dürfte Weihbischof Schaffran, der im Mai 1965 Breslau, Oppeln und Tschenstochau besucht hatte und in Rom vermittelte, eine wichtige Rolle gespielt haben.109 Nach Bekanntwerden in der DDR und Abdruck des Briefwechsels im Ostberliner St. Hedwigblattes kam es zum Eklat. Zum einen sah die DDR-Führung eine ernstliche Loyalitätsverletzung sowie ein totales Einschwenken auf die politische Linie der westdeutschen „Militärkirche“110. Zum anderen sah man einen Eingriff in die nur der Regierung der DDR zustehenden Außenpolitik.111 Das St. Hedwigsblatt wurde zwar nicht beschlagnahmt, musste aber in der Ausgabe vom 19. Dezember 1965 einen Auflage-Text abdrucken.112 „Die katholischen Bischöfe der DDR haben den Briefwechsel mit den polnischen Bischöfen angeregt und sich bisher in keiner Weise von ihm distanziert. Im Gegenteil, Bischof Spülbeck hat sich als Initiator dieses Briefwechsels gerühmt und seine Konzeption nach Kräften verteidigt“113, resümierte man im Staatsekretariat für Kirchenfragen. Dass die DDR-Bischöfe den Briefwechsel angeregt hatten, war bekanntgeworden, vom eigentlichen Initiator, Weihbischof Schaffran, wusste man nichts.

       5. Rezeptionsprozesse

      Der Begriff der theologischen Rezeption setzt zunächst voraus, dass Informationen und Inhalte transportiert werden, die rezipiert werden sollen. In diesem Sinn setzte der Rezeptionsprozess hinsichtlich des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Kirche der DDR bereits dann ein, als Inhalte vermittelt wurden, die es aufzunehmen galt, und dies war seit 1962 der Fall. Die wenigen katholischen, kirchlichen Druckmedien der DDR, der St. Benno-Verlag in Leipzig, die Kirchenblätter „Tag des Herrn“ und „St. Hedwigsblatt“ haben seit Ankündigung des Konzils und vor allem während des Konzils ständig darüber berichtet, aber auch das Geschehen kommentiert. Die Konzilsberichte für den „Tag des Herrn“ beispielsweise kamen auf folgende Weise schnell nach Leipzig: Die Redaktionssekretärin rief den Chefredakteur Josef Gülden zu abgemachter Zeit abends in Rom an. Alles wurde telefonisch durchgegeben, „weil es billiger als telegrafische Übermittlung oder durch den Fernschreiber war“114.

      Der Begleiter von Erzbischof Bengsch, Prälat Groß, gab im Auftrag des Berliner Ordinariates seit der ersten Konzilssitzung regelmäßig „Informationen zum Konzil“ heraus, die als „Nur für innerkirchlichen Dienstgebrauch“ eine Besonderheit neben den offiziellen Druckerzeugnissen der DDR darstellten. Die verschiedenen Ordinariate und Generalvikariate konnten diese bestellen und zugeschickt bekommen.115 Seit der 3. Sitzungsperiode war auf Vorschlag von Weihbischof Aufderbeck mit Zustimmung von Erzbischof Bengsch ein Informationsdienst „Vaticanum II, Informationen zum Konzil“ eingerichtet worden.116 Allen Gemeinden war es damit möglich, nachdem man über die Ordinariate und Generalvikariate die Bestellungen aufgegeben hatte, vierzehntägig Informationsmaterial zu erhalten. Der recht umständliche Weg – Papier, Kuverts und Adressen mussten nach Berlin gebracht werden – minderte nicht den Erfolg des Unternehmens.

      Aber auch für die breite katholische Öffentlichkeit, die sich nicht nur über die Kirchenblätter informieren konnte oder wollte, gab es durch die sogenannten „Hausbücher“, die jährlich erschienen, Informationen, Kommentare, Hintergrundinformationen und Bildmaterial. Das Hausbuch 1964 trug sogar den Titel „Unser Konzil und aus der Konzilsgeschichte“117. In den folgenden Jahren waren etwa ein Drittel der Beiträge dem Konzil gewidmet, bis sich das Jahrbuch 1967 der unmittelbaren Rezeption der Liturgiekonstitution mit der Gesamtthematik „Liturgische Erneuerung bei uns daheim“118 zuwandte.

      Auf die erste theologische Veröffentlichung von Prof. Dr. Otfried Müller von 1963 war bereits an anderer Stelle eingegangen worden. Nach Abschluss der 3. Konzilsperiode fand in Berlin vom 25. Januar 1965-28. Januar 1965 ein Liturgischer Kongress statt, dessen Beiträge im gleichen Jahr publiziert wurden.119 Eine für einen breiten Leserkreis verfasste Auswahl von Texten des II. Vatikanischen Konzils erschien 1966.120 Die erste vollständige, gedruckte Textausgabe wurde 1967 herausgegeben.121

      „Mit etwas zeitlicher Verzögerung konnten die meisten liturgischen Bücher im St. Benno Verlag erscheinen oder aus dem Westen eingeführt werden. Auch wenn das Fehlen von Zeitschriften und anderen publizistischen Möglichkeiten beklagt wurde, wurden die vorhandenen Möglichkeiten erstaunlich effektiv genutzt. Vor allem Priester und kirchliche Mitarbeiter hatten Zugang zu wesentlichen Informationen rund um die Liturgiereform.“122

      Neben der BOK hat sich um den Rezeptionsprozess vor allem das Philosophisch-Theologische