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Geist & Leben 2/2020


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allein, dem modalitätslosen Gott der Brahmanen. Es scheint, dass Indien als Letztes umkehrt, kurz vor Israel. Vereint Euer Flehen, damit es eines Tages ein heiliges Indien gibt, welches die Ordnung der Trinität hervorruft. Betet vor allem, dass wir immer diese Liebe, diese ‚geologische Geduld‘, diesen Geist, diese eschatologische Hoffnung für den Islam, für Israel, für China, für die Schwarzen, für Indien bewahren. Wenn wir besondere Berufungen haben, dann um der Kirche willen, in Christus. Warum sind wir Missionare? Für Christus, um Christus zu vollenden, damit seine Inkarnation vollständig sei, damit Christus sich eines Tages ganz dem Vater übergibt.“12 Auch wenn Monchanin in manchen der Aussagen als Kind seiner (kolonialistisch geprägten) Zeit erscheint (z.B. in Bezug auf die Berufung Afrikas), so tritt doch hier ganz deutlich hervor, dass die Völker, Kulturen und Religionen der Kirche etwas in Bezug auf die Mysterien der Transzendenz, Inkarnation und Trinität zu sagen haben. Nicht nur die Kirche hat eine Mission in Bezug auf Völker, Kulturen und Religionen, auch diese haben eine Mission in Bezug auf die Kirche. Aus dieser dialogischen Anlage des Missionsbegriffs können Monchanin und Le Saux in Bezug auf ihre Mission in Indien schreiben: „Der Eremit von Saccidânanda wird viel weniger ein christlicher Mönch sein, der Sannyâsi geworden ist, als ein Sannyâsi, der Christ geworden ist, ein Sannyâsi, der am Ende seines langen symbolischen Umherwanderns an einer Wegbiegung oder am Rand eines Dorfes Christus begegnet ist. Entscheidende Stunde: ihre Blicke kreuzten sich, ihre Augen tauchten ineinander; ihre Seelen berühren einander. Was geschieht nun dem Sannyâsi? Wesenhaft war dies ein unverhofftes Aufdecken seines eigenen ‚Grundes‘, denn durch das Erkennen seines Selbst in dem Selbst Jesu eröffneten sich die bis dahin ungeahnten Abgründe seines eigenen Ursprungs im Schoße des Vaters, in der Einheit und in der Gnade dessen, der von Natur Sohn ist.“13 Wichtig und unumgänglich: Der Sannyāsi erkennt Christus aus sich heraus, er muss seiner Kultur nicht völlig abschwören und ein anderer werden, da Christus schon in ihm ist.

      Indien – die trinitarische Vollendung

      Der Name des Aschrams „Saccidānanda“ setzt sich aus den drei grundlegenden Attributen des Brahman Sat (Sein), Cit (Bewusstsein) und Ananda (Seligkeit) zusammen, dem „Mantra der Mantras“, das hier jedoch die christliche Trinität bezeichnet und in einer Art Überbietung der indischen Tradition gebraucht wird: „Mit größerer Inbrunst und mit mehr Recht als sein Sannyāsi-Bruder darf der christliche Mönch SAT sprechen, wenn seine Betrachtung sich dem Vater zuwendet, dem ‚Ursprung ohne Ursprung‘, der Quelle und dem Ziel des Ausströmens und der ‚Sammlung‘ des göttlichen Lebens; CIT, wenn er über den Logos meditiert, das dem Seienden konsubstantielle Erkenntnisbild; ANANDA, wenn er den Paraklet betrachtet, der den Vater und Sein Wort in der Freude der absoluten Liebe vereint.“14 An diesem Zitat kann einiges verdeutlicht werden. Religionstheologisch sehen Monchanin und Le Saux die Beziehung zwischen Hinduismus und Christentum im Verhältnis von Verheißung und Erfüllung: In den Attributen des Brahman ist die Trinität zwar schon angelegt, ihre wirkliche Bedeutung erhalten sie aber erst durch die Offenbarung von Wort und Geist. Der zweite Aspekt betrifft diejenigen, von denen hier die Rede ist: Christlicher Mönch und hinduistischer Sannyāsi sind diejenigen, die in ihrer spirituellen Praxis verglichen werden. Die religionstheologische Verhältnisbestimmung ist so gesehen eigentlich erst der zweite Schritt: Zunächst einmal geht es nämlich darum, die Erfahrung des hinduistisch-mönchischen „Bruders“ zu teilen, bevor diese in Beziehung zum zentralen trinitarischen Glaubensgeheimnis des Christentums in Beziehung gesetzt wird.

      In der Verheißung Indiens liegt zugleich die universelle Berufung Indiens: Indien ist für Monchanin und Le Saux das mystische Land schlechthin, und damit auch das monastische Land schlechthin, da das Mönchtum eine institutionalisierte Form der mystischen Kontemplation darstellt.15 Es sei ein „tragisches Missverständnis“16, dass das Christentum in Indien nicht kontemplativ wahrgenommen worden sei: „Indien ist Christus noch nicht wahrhaft begegnet.“17 Um dieses Missverständnis und Versäumnis zu beheben, sei der „intermonastische Dialog“ notwendig.

      Die besondere Herausforderung Indiens für das Christentum besteht nicht darin, dass sich die Menschwerdung Jesu nicht vermitteln ließe – dafür bietet der Hinduismus durchaus viele Anknüpfungspunkte. Allerdings stellt die Vielzahl der Inkarnationen eine Erschwernis für den Anspruch dar, dass Christus die absolute ist.18 Damit die wahrhaftige Begegnung mit Christus geschehen kann, bedarf es der Vermittlung der dritten göttlichen Person, des Heiligen Geistes, der „nur durch fluide Formen hindurch erscheint – den Atem, das Wasser, den Flug, das Feuer, die Verwandlungen. Nicht jemand, der, wie der Logos, durch das Sichtbare wahrgenommen wird, sondern durch die spirituellen Phänomene, die Charismen und das größte von allen, die Agapé (…). Er ist Derjenige, den Indien erwartet. Von Ihm aus wird es zum Logos der Herrlichkeit kommen, zum vom Glanz der Welt umgebenen Auferstandenen, dann zum Logos des Schmerzes, der alle Leiden annimmt, um sie in österliche Freude zu verwandeln, zum Logos in seinem irdischen Leben, das nicht mehr illusorisch ist wie das des Avatars, sondern realisierende Wirklichkeit, in der jede Sache, die Welt und unsere Personen selbst Konsistenz haben. Indien wird sich schließlich im Urgrund des Vaters vollenden, der nicht manifestierten Person, welche die beiden anderen im Ewigen durch die Zeugung des Sohnes und den Hervorgang des Geistes aus dem Vater durch den Logos manifestieren (…).“19 Durch die mystagogische Vermittlung des Heiligen Geistes wird „Indien“ in sämtliche Aspekte eingeführt, die den inkarnierten Christus betreffen, im Ausgang vom Vertrauteren hin zum Unvertrauteren: vom „Logos der Herrlichkeit“ zum „Logos des Schmerzes“, die ungetrennt sind. Das ist das Vermächtnis Jules Monchanins: Eine Heranführung an das Mysterium der Inkarnation Jesu Christi, die sich vollkommen auf den Kontext Indiens einlässt.

      1 Für die Darstellung des Lebens J. Monchanins stütze ich mich auf die beiden folgenden Texte: E. Duperray, Esquisse biographique, in: J. Monchanin, Théologie et spiritualité missionaires. Vowort v. E. Duperray u. Nachwort v. J. Gadille. Paris 1985, 9–24; F. Jacquin, Jules Monchanin prêtre. 1895–1957. Paris 1996.

      2 Vgl. F. Jacquin, Monchanin, 55 [s. Anm. 1].

      3 Zit. n. ebd., 47.

      4 E. Duperray, Esquisse, 16 [s. Anm. 1].

      5 Ebd., 18.

      6 Ebd., 23. Aschram hat zwei Bedeutungen: Es ist zum einen ein Ort, wo Mönche leben, zum anderen die Bezeichnung (Ashrama) der vier Lebensstadien der Brahmanen.

      7 L’Inde et la vie contemplative, in: Dieu vivant. Perspectives religieuses et philosophiques 3 (1945), zit. n. J. Monchanin / H. Le Saux, Die Eremiten von Saccidânanda. Ein Versuch zur christlichen Integration der monastischen Überlieferung Indiens. Salzburg 1962, 6 (Einleitung v. M. Vereno). Als Sannyāsi bezeichnet man denjenigen, der das vierte Stadium – dasjenige des Verzichts – des Lebens eines Brahmanen erreicht hat (samnyāsa) bzw. zu führen gewählt hat (vgl. ebd., 285).

      8 Abbé Monchanin, Lettres au Père Le Saux. Hrsg. u. kommentiert v. F. Jacquin. Vorwort v. J. Gadille. Paris 1995, 18.

      9 Vgl. F. Jacquin, Monchanin, 299 [s. Anm. 1]. Jacquin verweist darauf, dass das Gebet Asato ma auch von Papst Paul VI. während seines Besuchs in Bombay 1964 rezitiert wurde.

      10 M. Delahoutre, Prefazione, in: M. Giani, Un ponte tra cultura europea e cultura indiana. L’itinerario di Jules Monchanin (1895–1957). Mailand 2000, 11–13, hier: 11.

      11 Vgl. URL: https://saccidanandaashramshantivanam.000webhostapp.com/ (Stand: 06.02.2020).

      12 J. Monchanin, Un itinéraire personnel et un dessein missionnaire, in: ders., Theologie etspiritualité missionnaires. Paris 1985, 27–38, hier: 38.

      13 J. Monchanin / H. Le Saux, Eremiten, 77 [s. Anm. 6].

      14 Ebd., 266. Vgl. auch ebd., 75.

      15 „Das Mönchtum ist für Indien wesenhaft“ (ebd., 39).

      16 Ebd., 53.

      17 Ebd., 45.

      18 Vgl. ebd., 46.