und natürlich im Kino oder Fernsehen – geht es zentral um die Liebe: um die Paarbeziehung, um die erotisch-sinnliche Liebe, die ja nicht selten als ›ewige‹ Liebe verherrlicht und in allen Tonarten beschworen wird.
Doch die Welt des Musiktheaters und der klassischen Liebesromane scheint vom heutigen Leben weit entfernt. Vor allem dann, wenn die Liebe – wie in den Opern Verdis oder in den Romanen Dostojewskis – mit Gott in Verbindung gebracht wird. Denn von der großen Mehrzahl der Leute, jedenfalls im ›christlichen‹ Abendland, wird die Beziehung zwischen Mann und Frau als etwas rein ›Weltliches‹ angesehen. Die Partnerliebe gilt als etwas nur Diesseitiges, das mit dem ›Ewigen‹, dem ›Heiligen‹ oder gar mit dem Glauben an Gott, an den Gott der biblischen Offenbarung, überhaupt nichts zu tun hat.
Entgegen dieser Auffassung, und mag sie noch so verbreitet sein, glaube ich an die Ewigkeit der Liebe. Ich will gewiss nicht bestreiten, dass die Liebe auch scheitern kann und dass es schwierig ist, sie zu ›lernen‹. Dennoch glaube ich an die Liebe, auch an die Liebe von Mann und Frau, die uns zutiefst beglücken kann, die uns mit Gott in Berührung bringt und die nach Unsterblichkeit verlangt.
1. Zur gesunden Selbstliebe
Wir müssen jedoch unterscheiden. Nicht alles was sich Liebe nennt, ist Liebe. Es gibt auch Vorformen und gewiss auch Fehlformen der Liebe. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und ernsthaft bedenken.
Im Brennpunkt meiner Überlegungen, ja in der Mitte meines Lebens steht freilich die Hochform der Liebe, die in meiner Sicht der Sinn und das eigentliche Ziel des menschlichen Daseins ist. Diese Hochform der Liebe sollte einerseits ein Leben lang angestrebt und schrittweise gelernt werden. Doch andererseits ist sie ein Geschenk der Liebe Gottes, das wir nicht herbeizwingen können und über das wir niemals verfügen können.
Die Hochform der Liebe kann (muss aber nicht) in der Partnerbeziehung gesucht und gefunden werden. Ganz leicht oder gar billig ist die Liebe in der Paarbeziehung allerdings nicht zu bekommen. Die erotische Liebe kann – ebenso wie der zölibatäre Verzicht – misslingen. Es ist eine bedauerliche, aber nicht zu leugnende Tatsache: Schon viele Freundschaften, schon viele Liebesbeziehungen und viele Ehen haben sich abgenützt und verbraucht. Sie verlaufen im Sande und sterben den Tod der inneren Auszehrung.
Es kann ganz unterschiedliche Gründe geben, die eine stabile Paarbeziehung erschweren oder verhindern. Ein häufiger Grund für das Scheitern sind zu hohe, unrealistische Erwartungen an den Partner. Wer den anderen ›vergöttert‹, ihn verabsolutiert, ihn gleichsam an die Stelle Gottes setzt, ihm also keine menschlichen Schwächen mehr zugesteht, der überfordert den Partner total und programmiert die Beziehungsprobleme schon voraus.
Manchmal zerbrechen Paarbeziehungen auch am fehlenden Selbstvertrauen, am zu geringen Selbstwertgefühl eines Partners oder auch beider Partner. Denn wer zum eigenen Ich eine gestörte Beziehung entwickelt, wer von sich selbst sehr wenig hält, wer sich selbst im Grunde nicht mag, wer also das Gebot der Selbstliebe (Mt 19,19) missachtet, ist auch nicht fähig zur Partnerbeziehung.
Warum aber lehnen viele Menschen sich selbst mehr oder weniger ab? Letztlich wohl deshalb, weil sie nicht spüren, dass sie bedingungslos gewollt und geliebt sind. Sie verneinen sich selbst, sie finden sich ungenügend und minderwertig, weil sie nicht wahrnehmen, dass sie geliebt sind von Gott, dem Urgrund des Seins. Umgekehrt aber gilt dann genauso: Aus einem Grundgefühl des Bejahtseins durch Gott heraus könnte ich zu mir selbst eine gute Beziehung finden und ein positives Selbstbild entfalten. Das heißt natürlich nicht, dass ich in narzisstischer Selbstverliebtheit die eigenen Schwächen und die eigenen Fehler nicht wahrnehmen soll. Aber es heißt, dass ich trotz meiner Fehler ja sagen darf zu mir selbst.
Die echte Partnerliebe setzt eine gesunde Selbstliebe der Partner voraus. Nur wer zu sich selbst eine gute Beziehung hat, kann auch andere bejahen und eine gute Beziehung zu ihnen knüpfen. Denn er sucht die ›Erlösung‹ jetzt nicht mehr in der Zuwendung durch andere Menschen, sondern er weiß sich erlöst durch die göttliche Liebe. Folglich kann er ohne überzogene Erwartungen an andere, also ohne andere zu überfordern, auf andere Menschen zugehen. Somit aber wird er beziehungsund liebesfähig.
2. Zur notorischen Bindungsangst
Ein schlechtes Selbstbild und eine zu hohe, ja maßlose Erwartung an den Lebenspartner sind oft nur zwei Seiten derselben Medaille. Selbstverachtung und psychische Abhängigkeit vom menschlichen Partner können die Folgen desselben Grundphänomens sein: die Folgen einer defizitären Gottesbeziehung, eines mangelnden ›Urvertrauens‹ in die tragende und Leben spendende Kraft des göttlichen Geistes. Doch wie schon gesagt, es kann für das Misslingen – oder das Nichtzustandekommen – einer Paarbeziehung auch noch weitere, ganz verschiedenartige Gründe geben.
Manche finden nie einen Partner, weil ihnen keiner gut genug oder klug genug oder schön genug ist. Sehr oft auch lässt die Bindungsangst ein gemeinsames Leben nicht zu. Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zum Beispiel schrieb als 24-Jährige an den Lyriker Paul Celan: »Du wirst dir ja denken können, dass die Zeit seit dir für mich nicht ohne Beziehungen zu Männern vergangen ist … Aber nichts ist zur Bindung geworden, ich bleibe nirgends lang, ich bin unruhiger als je und will und kann niemandem etwas versprechen.« Zwei Jahre später erklärte sie ihrem Freund und Liebhaber Celan: »Ich liebe dich und will dich nicht lieben, es ist zu viel und zu schwer.«5
Für eine Bindungsangst im Sinne Ingeborg Bachmanns fehlt mir nicht jedes Verständnis und nicht jegliche Sympathie. Nein, ich kann das durchaus verstehen. Sich für immer für einen bestimmten Menschen zu entscheiden ist ja nun wirklich keine Kleinigkeit. Es ist vielmehr ein Wagnis.
Was mir gefällt, ist die absolute Ehrlichkeit, mit der sich Ingeborg Bachmann (die zeitweilig, 1958 bis 1962, auch mit dem Dichter Max Frisch eine Liebesbeziehung hatte) zu ihrer Bindungsangst bekennt. Ob die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan – bzw. Bachmann und Frisch – vielleicht dennoch auf wirklicher Liebe beruhte, dies zu bewerten steht mir nicht zu. Worauf ich hinaus will, ist vielmehr die These: Suchende wie Ingeborg Bachmann stehen exemplarisch für viele Frauen und Männer in der heutigen Zeit, die sich mit einer dauerhaften Beziehung, aus welchen Gründen auch immer, sehr schwer tun.
Ein Kulturkritiker, ein Pessimist könnte nun klagen: In sehr vielen Fällen bleibt die Begegnung der Geschlechter ein Intermezzo. Nicht selten auch bleibt die ›Liebe‹ etwas Banales, etwas rein Oberflächliches, etwas sehr Kurzweiliges, das über Spaß und sexuelles Vergnügen kaum hinausreicht. Wenn ein junger Mann und eine junge Frau sich heftig verlieben und anschließend ›zusammen‹ sind, so dauert das oft nur wenige Wochen. Lebendige Paarbeziehungen auf Lebenszeit sind eher die Ausnahme. Denn die hohen Scheidungsraten in den westlichen Industrieländern sind ja sicherlich nur die Spitze eines riesigen Eisbergs. Sehr häufig kommt es nach kurzer Zeit – manchmal auch nach sehr langer Zeit – zur äußeren oder inneren Trennung, auch ohne förmliches Scheidungsverfahren.
Oftmals, so könnte der Kritiker hinzufügen, wird eine feste Beziehung – eine Eheschließung oder ein eheähnliches Zusammenleben – von Anfang an gar nicht angestrebt. Die ›Liebesbeziehung‹ wird von vornherein als Episode, als vorübergehendes Abenteuer betrachtet. Man trennt sich im gegenseitigen Einvernehmen (oder auch gegen den Willen des anderen), sobald es die ersten Schwierigkeiten gibt. Oder man bleibt zwar nach außen hin ein Paar, hat sich aber schon längst entfremdet und auseinandergelebt.
3. Zur Geschlechterbeziehung
Solche oder ähnliche Analysen werden im Kern ja wohl zutreffen. Dennoch wende ich ein: Was als Abenteuer, was als Flirt, als unverbindliches Spielchen beginnt, kann immer noch Liebe werden. Das Leben insgesamt ist ja Übung. Gerade auch die Liebe will eingeübt sein – oft über tragische Umwege, manchmal über längere Irrwege und schwerwiegende Fehler. Es kann dann unter Umständen sein, dass eine Paarbeziehung als zerrüttet, als nicht mehr lebbar erscheint und deshalb beendet wird – um mit einem anderen Partner eine neue Chance zu erleben und mit ihm einen neuen Anfang zu suchen.
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