1988 ein Jahr der geographischen Mobilität. Mein Dank für Hilfestellung galt damals folgenden Institutionen und Personen: Dem ‚Bundesarchiv‘ in Koblenz, dem ‚Dänischen Filmmuseum‘ in Kopenhagen, dem ‚Deutschen Filmmuseum‘ in Frankfurt/Main, dem ‚Deutschen Institut für Filmkunde‘ in Frankfurt/Main und der Abt. Filmarchiv in Wiesbaden, Helmut H. Diederichs, dem ‚Filmmuseum‘ im Münchner ‚Stadtmuseum‘, Dr. Bernd Kortländer und dem ‚Heinrich-Heine-Institut‘ in Düsseldorf, dem Regisseur Arthur Maria Rabenalt, dem ‚Staatlichen Filmarchiv der DDR‘ in Berlin/Ost, Oskar Törne und der ‚Stiftung Deutsche Kinemathek‘ in Berlin/West, dem ‚Süddeutschen Rundfunk‘ in Stuttgart und dem ‚Berlin Document Center‘ in Berlin/West. Mein besonderer Dank galt Eberhard Spiess vom ‚Deutschen Institut für Filmkunde‘ für Hinweise, Daten etc. sowie Ruth B. Scheidt, ohne deren ideelle und materielle Unterstützung dieses Buch damals nicht zustande gekommen wäre.
In die jetzt ergänzte und aktualisierte Publikation flossen vorrangig die vorzüglichen Rechercheergebnisse über H. H. Ewers von Wilfried Kugel ein, die damals noch nicht vorlagen und die erst 1992 in dem Buch ‚Der Unverantwortliche. Das Leben des Hanns Heinz Ewers‘ veröffentlicht wurden. Erwähnungen von Ewers in neueren deutschsprachigen Büchern zur Filmgeschichte und wissenschaftlichen Arbeiten wurden, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können, eingearbeitet und im Anhang des Buchs ergänzend aufgelistet. Eine Überraschung während der Überarbeitung war das Auffinden des Nachlasses des langjährigen sehr guten Ewers-Freundes Artur Landsberger, auf den zuerst Till Barth im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit über den ‚Dandy und späteren Haderer‘ Landsberger gestoßen war. Guido Altendorf organisierte dankenswerterweise einen benötigten Artikel in der HFF ‚Konrad Wolf‘ in Potsdam-Babelsberg.
Grundsätzlich drängte sich bei der Arbeit an der Neuausgabe der Eindruck auf, dass die Filmwissenschaft seit den 1990er Jahren stagniert, möglicherweise (und leider) eine Auswirkung nicht genügender – ökonomischer – ‚Markt‘-Akzeptanz von filmwissenschaftlichen Publikationen.
Die E-Book-Herstellung übernahm Silke Rappelt, die sich auch in diesen – für sie neuen – Arbeitsbereich rasch einarbeitete, zuverlässig, kompetent und in gewohnter Qualität!
Das öffentliche Eintreten von Hanns Heinz Ewers für die Belange der Kinematographie in den Jahren 1907 bis 1913
Hanns Heinz Ewers – der in seinen Büchern eine Vorliebe für alles Grausige, Groteske und Exotische entwickelte und der deshalb häufig von der Kritik als E.A. Poe-Epigone klassifiziert, im negativen Sinne als Phantast und Erotiker abgestempelt wurde – trat publizistisch schon im ersten Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts für das damals neue Medium Film ein, zu einer Zeit, als die Mehrzahl seiner Schriftstellerkollegen der Kinematographie noch ablehnend gegenüberstand. In der offiziellen Literatur- und Kulturkritik blieb ‚der‘ Kino unbeachtet. „Damals galt es für jeden Schriftsteller, der auf sich hielt, als Sünde wider alle Geistigkeit, sich mit dem Film zu befassen.“ (1) Der Film hatte immer noch seinen Platz vorwiegend auf den Jahrmärkten, im Varieté und in den Ladenkinos der Vorstädte.
Im Jahre 1907 publizierte der „enthusiastische Verehrer des Kinematographen“ (2) Hanns Heinz Ewers, seit Anfang des Jahrhunderts immer wieder – auch auf seinen Reisen – Besucher der unterschiedlichsten Kinematographen-Theater, sein erstes Bekenntnis zum Kino als Kunstform ausgerechnet in einer ‚Morgen‘ betitelten ‚Wochenschrift für deutsche Kultur‘, die damals u.a. von solchen Autoritäten des Kunstlebens wie Werner Sombart (1863-1941), Richard Strauss (1864-1949), Georg Brandes (1842-1927), Richard Muther (1860-1909) und Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) herausgegeben wurde. Ewers, „... der König der Bohème mit seiner Residenz im alten Café des Westens neben Schickele, Else Lasker-Schüler und Reinhardt“ (3), war eines Tages bei einem der Mitherausgeber des ‚Morgen‘, Dr. Artur Landsberger (1876-1933), erschienen und hatte diesem dargelegt, „daß es Pflicht eines Blattes sei, das, wie der Titel ‚Morgen‘ beweise, in die Zukunft weise und sich Zeitschrift für deutsche Kultur nenne, sich des Films anzunehmen – und zwar nicht nur gelegentlich und so nebenbei, sondern mit Ernst und Hingabe.“ (4) Es gelang ihm mit Hilfe von Artur Landsberger, den er wohl für sein Anliegen interessiert hatte und mit dem er bis ca. Mitte der 1920er Jahre sehr freundschaftlich verbunden blieb, im Oktober 1907 seinen Artikel, der die Überschrift ‚Der Kientopp‘ trug, in der Wochenschrift unterzubringen. Dieser rief, wie nicht anders zu erwarten, einen ziemlichen Sturm der Entrüstung hervor, hatte Ewers es doch u.a. auch gewagt, sich Gedanken über die Verfilmung von Stücken Shakespeares zu machen – „die damals wie eine Blasphemie und Schändung des Allerheiligsten klangen“ (5) – und die ‚Preßleute‘ der Blindheit zu zeihen:
„Ja, sind denn alle diese Preßleute blind? Und wissen sie nicht, daß der Kientopp ein Kulturfaktor ist, so erstrangig, so durchschlagend, wie nicht einer der andern? Daß er der Gutenbergischen Erfindung, der wir Bücherschreiber unser Leben verdanken, getrost an die Seite zu stellen ist? Ich bitte: ein Vitalitätskoeffizient.“ (6)
Wären die deutschen Schriftsteller schon in diesem Jahr dem Aufruf von Ewers gefolgt, „Kientoppstücke“ (7) zu schreiben, „hätten sich Dichter wie Bierbaum, Hartleben, Scheerbarth, Wedekind, Hauptmann, Eulenberg, Björnson nicht zu gut gedünkt“ (8), die Entwicklung des deutschen Films hätte sicherlich einen anderen Verlauf genommen – so blieb vorläufig alles beim Alten. In den Zeitschriften der sogenannten Hochkultur, z.B. im ‚Kunstwart‘, lamentierte man weiterhin über die Entwicklung des Kinos und schalt die Geschmacklosigkeit, Rohheit und Albernheit der vorgeführten ‚Films‘, die vorwiegend französischen und amerikanischen Ursprungs waren – zuweilen sah man auch, neben ein paar deutschen, dänische, italienische und englische Streifen.
Lediglich Hanns Heinz Ewers trat weiterhin und mit einer bemerkenswerten Entschiedenheit für die Belange des ‚Rollfilms‘ ein. Ob es bereits 1908, als Ewers im Juni/Juli in Frankreich weilte, sogar seinerseits zu einer ersten praktischen Filmarbeit kam, Skript und/oder Inszenierung, lässt sich nicht mehr feststellen. 1914 ließ er aber in einer Zeitschrift durch seinen Anwalt Anspruch darauf erheben, dass er bereits vor sechs Jahren in Gemeinschaft mit zwei anderen Autoren den so genannten Dirigenten- und Komponistenfilm erfunden habe. (9)
In Deutschland machte er sich 1909 Gedanken über die Möglichkeiten des Films für den Unterricht, die erst Jahrzehnte später realisiert werden sollten: er träumte u.a. davon, dass die Enkel mit dem Kinematographen quasi durch Indien und China reisen, Grönland und Zentralafrika entdecken könnten – es sei dann ein Vergnügen, in die Schule zu gehen. (10) 1910 gelang es ihm sogar, in der neugegründeten ‚Deutsche Montags-Zeitung‘ (11) eine ständige Kino-Rubrik einzurichten. Das Engagement der Zeitung für ‚den‘ Kino lag möglicherweise an deren Interesse an neuen und zugkräftigen Themenbereichen, außerdem gehörte Ewers, zumindest bis zum Oktober 1911 und neben Artur Landsberger, zu den ‚Machern‘ der Zeitung. Vom Dezember 1910 bis zum Juli 1911 brachte die Zeitung „... in lockerer Folge eine durchnumerierte Serie von Artikeln verschiedener Autoren (...), die, meist mit ‚Kino-Revue‘ überschrieben, von den unterschiedlichsten Kinothemen handelten: Zensur, Militärfilm, Kinder im Film, Naturfilm, Tonfilmaufnahmen in der Schule, Wissenschaftsfilm, Filmideen – Wettbewerb, Kino und Theater etc. Mit Filmkritik hatte die Kinorubrik der ‚DMZ‘ also nichts zu tun.“ (12) Nur die Folge 14 – der insgesamt 15 Folgen – ist mit dem Namen von H. H. Ewers gezeichnet, „aus dem Inhalt der mit ‚H.E.‘ unterschriebenen Beiträge (Nr.1 und 4) ergibt sich jedoch, daß auch diese von ihm stammen. Weitere Folgen sind anonym oder von ‚Lupus‘, ‚Spectator‘, Arthur Silbergleit, P.A. Wolff. ‚Lupus‘ und ‚Spectator‘ sind möglicherweise auch Ewers-Pseudonyme, denn Ewers schrieb in der D.M.Z. wiederum öfter unter Pseudonym, …“ (13)
Ewers benutzte sein neues Forum in der ‚DMZ‘, die auch seinen 1907 im ‚Morgen‘ erschienenen Artikel noch einmal abgedruckt hatte (14), sogleich u.a. dazu, die seiner Meinung nach in Deutschland rigoros gehandhabte Zensur und den mangelnden Kunstwert der deutschen ‚Films‘ zu kritisieren; den Film-Gesellschaften, die mit einem Auge auf die Schere des Zensors und mit dem anderen auf den Geschmack des Publikums schielen würden, sprach er jeglichen Mut zum Experiment und zum Risiko ab, obwohl doch diese in technischer Beziehung dem Ausland stark überlegen seien. (15)