werden, führt zwar zu einer geringeren Attraktivität der Stelle, erhöht aber gleichzeitig die Glaubwürdigkeit des Betriebs und wirkt der Entwicklung unrealistischer Erwartungen entgegen (Earnest et al., 2011; Wanous et al., 1992). Gut informierte Personen können vor Stellenantritt besser abschätzen, ob sie in den Betrieb passen und ob ihnen die Arbeit entspricht (Kammeyer-Mueller & Wanberg, 2003). Personen, die realistische Vorstellungen haben, werden nach Stellenantritt weniger oft enttäuscht, haben größere Klarheit über ihre Rolle, sind zufriedener mit ihrer Arbeit und bleiben länger im Betrieb als Personen mit unrealistischen Vorstellungen (Allen et al., 2010; Earnest et al., 2011).
Sozialisationstaktiken der Betriebe
Nach Stellenantritt verwenden Betriebe verschiedene Maßnahmen, um neue Mitarbeitende zu sozialisieren. Diese umfassen speziell für neue Mitarbeitende konzipierte Aktivitäten, Einführungsprogramme und Lernanlässe, die sie darin unterstützen, zu lernen und sich an den Betrieb anzupassen (Saks & Gruman, 2012). In der Forschung wurde insbesondere untersucht, wie die Sozialisationstaktiken der Betriebe, Einführungs- und Trainingsprogramme sowie der Einbezug von Mentorinnen bzw. Mentoren die Sozialisation neuer Mitarbeitender beeinflussen.
Sozialisationstaktiken umschreiben die Art und Weise, in der die Erfahrungen von Personen, die von einer (Arbeits-)Rolle in eine andere wechseln, von anderen Organisationsangehörigen strukturiert werden (Van Maanen & Schein, 1979). Sie beziehen sich auf den Kontext, den Inhalt und soziale Aspekte des Sozialisationsprozesses (Jones, 1986). Übergeordnet wird zwischen institutionalisierten und individualisierten Sozialisationstaktiken unterschieden (Jones, 1986): Im Fall von institutionalisierten Sozialisationstaktiken erfolgt Lernen in der Gruppe mit anderen neuen Mitarbeitenden in einem formalen Rahmen, z. B. in speziellen Trainingssequenzen, meist getrennt von der Arbeitsumgebung und bestehenden Mitgliedern der Organisation. Es gibt einen Zeitplan, der die einzelnen Schritte und Etappen des Lernprozesses festlegt. Neue Mitarbeitende werden von erfahrenen Personen begleitet, die als Rollenmodell zur Verfügung stehen, die Identität, die Kenntnisse und Erfahrungen der neuen Mitarbeitenden unterstützen und weiterentwickeln. Im Fall von individualisierten Sozialisationstaktiken lernen neue Mitarbeitende getrennt von anderen Neuen und integriert in die tägliche Arbeit, on the job als Angehörige des bestehenden Teams. Der Lernprozess läuft eher zufällig ab, ohne dass die einzelnen Schritte oder ein Zeitrahmen für die Sozialisation festgelegt sind. Neue Mitarbeitende müssen ihre eigenen Erfahrungen machen und werden in ihrem Lernen nicht von erfahrenen Personen begleitet. Sie sind gefordert, ihre bisherige Identität zu hinterfragen und an die Erwartungen des Betriebs anzupassen.
Metaanalysen zeigen, dass institutionalisierte Taktiken insgesamt und besonders bei Mitarbeitenden, die ihre erste Stelle antreten, zu einer effektiveren Anpassung führen als individualisierte Taktiken (Bauer et al., 2007; Saks et al., 2007). Durch die gezielte Strukturierung wird das Lernen und die rasche Anpassung gefördert und es fällt neuen Mitarbeitenden leichter, die neuen Erfahrungen zu interpretieren und Unsicherheiten zu reduzieren (Ashforth et al., 2007; Saks & Gruman, 2012). Institutionalisierte Taktiken erhöhen die Rollenklarheit und die Selbstwirksamkeit und wirken sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit und Leistung aus (Bauer et al., 2007). Stellen Betriebe den neuen Mitarbeitenden Rollenmodelle zur Seite, die sie über die Arbeit informieren und unterstützen, steigt die wahrgenommene Passung zum Betrieb und zur Arbeit (Cable & Parsons, 2001; Riordan et al., 2001). Mitarbeitende, die in einem institutionalisierten Setting eingeführt werden, werden zudem eher akzeptiert und entwickeln ein vertrauensvolleres Verhältnis und eine größere Verbundenheit zum Betrieb als Mitarbeitende, deren Einführung weniger strukturiert verläuft (Cooper-Thomas & Anderson, 2002; Scott, Montes & Gregory Irving, 2012). Institutionalisierte Taktiken wirken schließlich indirekt, vermittelt über die Einbindung in den Betrieb und die wahrgenommene Passung, der Kündigungsabsicht und dem Kündigungsverhalten entgegen (Allen, 2006; Saks et al., 2007).
Individualisierte Taktiken fördern die Eigeninitiative und die Kreativität der Mitarbeitenden, geben ihnen Raum, die Arbeitsaufgaben gemäß eigenen Fähigkeiten und Interessen anzugehen und ihre neue Rolle aktiv auszugestalten (Jones, 1986). Da der Einarbeitungsprozess wenig vorstrukturiert ist, können die Arbeitsinhalte, die Art und der Zeitraum der Arbeitserledigung in gewissem Ausmaß den Bedürfnissen der Mitarbeitenden angepasst werden. Der Spielraum, der sich damit eröffnet, geht aber mit Unsicherheit einher (Saks & Gruman, 2012). Mitarbeitende sind auf sich allein gestellt und müssen mit ihren Befürchtungen oder Ängsten, ob sie alles schaffen, allein zurechtkommen.
Die eher abstrakt gefassten Sozialisationstaktiken bilden die Grundlage für spezifische Sozialisationspraktiken wie Einführungs- und Orientierungsprogramme, Traineeprogramme, Patensysteme oder Mentoringprogramme (Ashforth, 2012; für einen Überblick vgl. Moser et al., 2014; Saks & Gruman, 2012). Einführungs- und Orientierungsprogramme dienen dazu, neue Mitarbeitende willkommen zu heißen, sie mit der Organisationsstruktur vertraut zu machen, ihnen einen Überblick über die Arbeitstätigkeit zu geben und sie ins Team einzuführen. Traineeprogramme richten sich v. a. an Personen mit wenig Berufserfahrung. Trainees können im Rahmen eines individuell gestalteten Trainingsablaufs (und betreut durch andere Mitarbeitende) erste Arbeitserfahrungen sammeln und erhalten einen Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche des Betriebs. Bei Patensystemen und Mentoringprogrammen werden den Neuen erfahrene Mitarbeitende zur Seite gestellt, die sie in der Einführungsphase begleiten, ihnen Kontakte vermitteln, sie bei Problemen unterstützen und Ratschläge geben. Verschiedene Studien zeigen, dass Einführungs- und Orientierungsprogramme, Traineeprogramme, Patensysteme oder Mentoring die Sozialisation neuer Mitarbeitender positiv beeinflussen (Saks & Gruman, 2012). Sie reduzieren die Unsicherheit neuer Mitarbeitender, fördern die Rollenklarheit und die rasche Integration in den Betrieb.
Arbeitsbedingungen
Neuere Forschungsarbeiten zur organisationalen Sozialisation fragen zunehmend auch danach, welche Arbeitstätigkeiten neue Mitglieder in einer Organisation ausführen und wie die Arbeitsbedingungen die Sozialisation beeinflussen (Saks & Gruman, 2012). Dahinter steht die Annahme, dass Mitarbeitende bei Stellenantritt andere Bedürfnisse an ihre Arbeit und ihre Arbeitsbedingungen haben als Mitarbeitende, die schon länger im Betrieb sind.
Die arbeitspsychologische Forschung untersucht seit längerem, welche Merkmale Arbeitstätigkeiten aufweisen, die zur Aufgabenerfüllung motivieren und zur Persönlichkeitsentwicklung von Mitarbeitenden beitragen (Dunckel, 1999; Truxillo, Cadiz, Rineer, Zaniboni & Fraccaroli, 2012; Ulich, 2011). Dazu gehören insbesondere: Anforderungsvielfalt (Einsatz unterschiedlicher Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten), Ganzheitlichkeit (bedeutungsvolle Arbeit, Rückmeldung über Arbeitsfortschritte), Autonomie (Mitbestimmung, Verantwortungsübernahme), Möglichkeit sozialer Interaktion (gegenseitige Unterstützung), Sinnhaftigkeit (Beteiligung an gesellschaftlich nützlichen Produkten) sowie Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (Entwicklung und Erhalt beruflicher Qualifikationen) (vgl. dazu Ulich, 2011). In einem breiteren Verständnis berücksichtigen Arbeitsbedingungen auch Arbeitsbelastungen, die Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, das Betriebsklima oder die Beziehungen zu anderen Mitarbeitenden (Morgeson & Humphrey, 2006; Semmer & Udris, 2007).
Arbeitsstellen, die eine hohe Qualität aufweisen, zeichnen sich aus durch vielseitige, lehrreiche und sinnhafte Tätigkeiten, ausreichende Mitbestimmungsmöglichkeiten, eine angemessene Belastung sowie eine gute Unterstützung durch Arbeitskolleginnen und -kollegen und Vorgesetzte (Frieling, Bernard & Bigalk, 2006; Holman, 2013; Keller, Stalder, lgic, Semmer & Elfering, 2015). Arbeitsstellen mit einer geringen Qualität umfassen Tätigkeiten, die wenig abwechslungsreich sind, die Mitarbeitende unter- oder überfordern und wenig Entwicklungspotenzial bieten. Die Qualität der Arbeit bzw. der Arbeitsbedingungen wirkt sich auf die Motivation von Mitarbeitenden aus und beeinflusst deren Einstellungen und das Arbeitsverhalten (Hackman & Oldham, 1980; Humphrey, Nahrgang & Morgeson, 2007; Judge & Klinger, 2007; Morgeson & Humphrey, 2006). Insbesondere motivationale Arbeitsmerkmale wie Autonomie, Anforderungsvielfalt und Ganzheitlichkeit hängen positiv mit der Arbeitszufriedenheit, der Verbundenheit mit dem Betrieb und der selbst eingeschätzten Leistung zusammen (vgl. Metaanalyse von Humphrey et al., 2007). Die Fluktuationsabsicht wird vor allem von sozialen Merkmalen der Arbeit beeinflusst, zum Beispiel von der Unterstützung und dem Feedback, das Mitarbeitende von ihren Kolleginnen und Kollegen erhalten.