Barbara E Stalder

Lehrvertragsauflösung und Ausbildungserfolg - kein Widerspruch


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die Ausübung der Arbeitstätigkeit hat und wenn die Arbeitstätigkeit den Ansprüchen und Wünschen der Person genügt. Eine gute Übereinstimmung wirkt sich positiv auf die Arbeits- und Laufbahnzufriedenheit und die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden aus und verstärkt deren Absicht, im Betrieb zu verbleiben (Cable & DeRue, 2002; Edwards & Shipp, 2007; Lauver & Kristof-Brown, 2001; Riordan, Weatherly, Vandenberg & Self, 2001; Vogel & Feldman, 2009).

      Die Passung Person-Arbeit unterscheidet sich von der Passung Person–Beruf: Letztere beschreibt die Übereinstimmung eines Individuums mit dem Beruf auf übergeordneter, objektivierter Ebene. Die Passung Person-Arbeit berücksichtigt hingegen, dass Menschen im gleichen Beruf je nach Stellenprofil unterschiedlichen Aufgaben nachgehen und unterschiedliche Arbeitsbedingungen haben. Eine hohe Passung zum Beruf ist nicht zwingend mit einer hohen Passung zur aktuellen Arbeit verbunden (Vogel & Feldman, 2009). So ist es zum Beispiel möglich, dass eine Person die beruflichen Kompetenzen hat, um als Koch zu arbeiten und auch Erfüllung in diesem Beruf findet (Passung Beruf). Dieselbe Person erreicht aber eine schlechte Passung mit ihrer Tätigkeit an einer bestimmten Arbeitsstelle, z. B. wenn die Arbeitszeiten an dieser Stelle nicht ihrem Wunsch entsprechen oder sie von den Vorgesetzten nicht unterstützt wird.

      Passung Person-Arbeitsgruppe und Person-Vorgesetzte

      Die Passung Person-Arbeitsgruppe bzw. Person-Vorgesetzte/Vorgesetzter umschreibt die Übereinstimmung zwischen Mitarbeitenden und anderen Mitgliedern der Arbeitsgruppe bzw. ihren Vorgesetzten (Ferris, Youngblood & Yates, 1985). Eine hohe Passung besteht dann, wenn eine Person und ihre Arbeitskolleginnen und -kollegen bzw. Vorgesetzten gemeinsame Ziele, Werte, Einstellungen oder Persönlichkeitsmerkmale haben.

      Eine hohe Passung zu anderen Mitarbeitenden fördert die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt unter den Mitgliedern der Arbeitsgruppe und wirkt sich positiv auf die Gruppenleistung aus (Kristof-Brown et al., 2005; Seong, Kristof-Brown, Park, Hong & Shin, 2012). Mitarbeitende, deren Werte und Ziele mit der Gruppe übereinstimmen, richten ihr Verhalten an in der Gruppe existierenden Normen aus (Feldman, 1984). Mitarbeitende, die gut zu ihren Teamkolleginnen und -kollegen und gut zu ihren Vorgesetzten passen, sind zufriedener mit den sozialen Kontakten am Arbeitsplatz und mit der Arbeit, erzielen bessere Arbeitsleistungen, fühlen sich stärker ihrem Betrieb verbunden und haben eine geringere Fluktuationstendenz als schlechter passende Personen (Kristof-Brown et al., 2005; Van Vianen, 2000).

      In der Passungsforschung wurde früher häufig davon ausgegangen, dass die positiven Auswirkungen von Passung universell sind, d. h. unabhängig von der Art der Passung (supplementär vs. komplementär) und von der Ebene (Passung mit Beruf, Betrieb etc.) (Bretz Jr & Judge, 1994; Mitchell, Holtom, Lee, Sablynski & Erez, 2001; Saks & Ashforth, 1997). Kristof-Brown et al. (2005) zeigten jedoch in ihrer Metaanalyse, dass Art und Ebene der Passung in unterschiedlichem Ausmaß mit arbeitsbezogenen Einstellungen, der Arbeitsleistung oder dem Kündigungsverhalten zusammenhängen. Die verschiedenen Ebenen von Passung haben zudem stärkere Auswirkungen auf die Einstellungen als auf das Verhalten von Mitarbeitenden. Die Passung zu Organisation, Arbeit und Vorgesetzten steht in einem starken Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit und der organisationalen Verbundenheit. Die Passung zur Arbeit hängt zudem in starkem, die Passung zur Organisation in mittlerem Ausmaß mit der Fluktuationstendenz von Mitarbeitenden zusammen. Alle Ebenen der Passung wirken sich hingegen nur in geringem Ausmaß direkt auf die Arbeitsleitung und nur in sehr geringem Ausmaß auf das effektive Kündigungsverhalten aus. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der Personen trotz schlechter Passung zur Arbeit oder zur Organisation im Betrieb verbleiben oder trotz guter Passung den Betrieb verlassen (vgl. Kapitel 2.2.3).

      Detaillierte Analysen zum Einfluss der Passung Person-Arbeit auf die Arbeitszufriedenheit zeigen, dass die Übereinstimmung zwischen den Bedürfnissen von Mitarbeitenden und deren Befriedigung durch die Arbeit (needs-supplies fit) einen stärkeren Einfluss hat als die Übereinstimmung zwischen Arbeitsanforderungen und Fähigkeiten (demands-abilities fit) (Kristof-Brown et al., 2005). Es wird angenommen, dass eine gute Passung zwischen Arbeitsanforderungen und Fähigkeiten indirekt auf die Arbeitszufriedenheit wirkt (Edwards & Shipp, 2007). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Mitarbeitende Arbeitsanforderungen internalisieren und deren Erfüllung zu einem eigenen Bedürfnis machen oder wenn eine gute Übereinstimmung zwischen Fähigkeiten und Anforderungen zu einem Kompetenzerleben führt, welches einem individuellen Grundbedürfnis entspricht. Auch in Bezug auf die Arbeitsleistung und entgegen der Erwartung zeigt sich ein etwas stärkerer Zusammenhang mit dem needs-supplies fit als mit dem demands-abilities fit. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, dass beide Passungen vorhanden sein müssen. Gute Arbeitsleistungen werden dann erzielt, wenn die Mitarbeitenden ausreichende Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringen und antizipieren, dass gute Leistungen auch zu einer Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Arbeitsplatzsicherheit führen (Edwards & Shipp, 2007).

      Im Gegensatz zur Auswirkung von (ebenenspezifischer) Passung sind Effekte fehlender Passung bisher schlecht untersucht. Fehlende Passung wird häufig als Gegenteil von Passung betrachtet und hat, so die Annahme, generell negative Auswirkungen auf Arbeitseinstellungen und das Verhalten von Mitarbeitenden (Edwards, Cable, Williamson, Lambert & Shipp, 2006). Diese Sicht impliziert, dass die Richtung der fehlenden Passung keine Rolle spielt. Dementsprechend wäre zum Beispiel eine Person, die an der Arbeitsstelle unterfordert ist, ebenso unzufrieden wie eine Person, die überfordert ist. Obwohl beide einen schlechten demands-abilities fit haben, scheint diese Annahme zumindest fraglich. Insgesamt stellt sich die Frage, auf welchen Ebenen das Erreichen einer hohen Passung wichtig ist und wie sich nicht nur eine fehlende Passung, sondern auch verschiedene Richtungen von fehlender Passung auf die Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitenden auswirken (Edwards, 2008).

      In der Passungsforschung stand lange die Frage im Vordergrund, wie relativ stabile Dispositionen einer Person und relativ statische Arbeitsumwelten miteinander interagieren und die Passung zwischen Person und Umwelt beeinflussen (Kammeyer-Mueller, 2007). Forschungsarbeiten beruhen zudem meist auf querschnittlichen Designs, geben also eine Momentaufnahme der Passung wieder (Judge, 2007). Passung ist aber nicht stabil, sie verändert sich mit der Zeit (Chatman, 1989). Menschen entwickeln sich weiter und die Umwelt ist nicht konstant. Passung erfordert kontinuierliche (Wieder-)Anpassung, nicht nur vor und bei Stellenantritt, sondern über die Dauer der gesamten Anstellung (Caplan, 1987; Kristof-Brown & Jansen, 2007).

      Wenn Mitarbeitende neu in einen Betrieb kommen, gewinnen sie neue Kenntnisse über den Betrieb und erwerben neue Kompetenzen, um ihre Aufgaben effektiv ausführen zu können. Sie verändern allenfalls ihre Einstellungen und Werte, um sich in die Arbeitsgruppe und den Betrieb zu integrieren. Sie bringen neue Ideen ein und verändern damit ihr Arbeitsumfeld. Die Organisation passt sich nach Bedarf und Möglichkeit an die Bedürfnisse der neuen Mitarbeitenden an. Auch im späteren Verlauf der Anstellung verändern sich sowohl die Umwelt als auch die neu angestellte Person. Ihre Arbeitsaufgaben werden allenfalls komplexer oder vielseitiger, sie übernimmt beispielsweise ein neues Aufgabengebiet, im Betrieb werden neue Technologien eingeführt oder die Zusammensetzung des Arbeitsteams ändert sich. Die Person erwirbt nicht nur neue Kompetenzen, sondern entwickelt, ausgehend von Veränderungen im beruflichen oder privaten Lebensbereich, neue Interessen und setzt sich allenfalls neue beruflichen Ziele (Ashforth, 2012; Kristof-Brown & Jansen, 2007). Je nach Art und Ausmaß der Veränderungen von Person und Umfeld kann sich damit auch die objektive, die subjektive und die wahrgenommene Passung verändern (Kammeyer-Mueller, 2007; Schneider, 1987; Van Vianen & De Pater, 2012).

      Je länger Mitarbeitende im Betrieb sind, umso stärker gleicht sich die wahrgenommene Passung auf einer Ebene (Betrieb, Arbeit usw.) an die Passung auf einer anderen Ebene an. Die ebenenspezifischen Passungswahrnehmungen verstärken sich gegenseitig, sodass eine insgesamt gute Passung noch besser, eine insgesamt schlechte Passung noch schlechter wird (sogenannte Abweichungs-Verstärkungs-Spiraleffekte, Lindsley,