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Perspektiven auf den Lernort Berufsfachschule (E-Book)


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      3. Fachwissen und -können, das von vielen Studienfächern vorausgesetzt wird. Es handelt sich um die basalen fachlichen Kompetenzen für Allgemeine Studierfähigkeit (BfKfAS). Dazu gehören insbesondere Wissen und Können aus der ersten Landessprache, Englisch und Mathematik sowie Informatik-Anwendungskompetenzen. Für deren Förderung sind primär die entsprechenden gleichnamigen Unterrichtsfächer zuständig. Aber auch die anderen Fächer sollten für die BfKfAS Förderverantwortung übernehmen, weil diese Kompetenzen ja bereits an der Berufsmaturitätsschule in vielen Fächern erforderlich sind. Auch die Informatikbildung muss in die anderen Fächer integriert werden, weil es dazu kein eigenes Fach gibt. Die BfKfAS sind unabdingbar (aber nicht hinreichend) für die erfolgreiche Aufnahme eines Studiums in vielen Studienfächern – in Abgrenzung zu Kategorie 2) – und können im Kern einem Unterrichtsfach zugeordnet werden – in Abgrenzung zu Kategorie 1).

      Für die allgemeine Studierfähigkeit sind also allgemeine kognitive und nicht-kognitive Kompetenzen nicht ausreichend, denn sie umfasst auch viel von den Studiengängen vorausgesetztes Fachwissen und -können. Studierfähigkeit ist somit nicht eine ausschliesslich überfachliche Kompetenz oder «Studierintelligenz», wie das häufig fälschlicherweise angenommen wird (vgl. Eberle et al., 2015, S. 10 f.); «generisches Wissen» ist nicht ausreichend. Der Umfang des Fachwissens, das von einzelnen Studiengängen vorausgesetzt wird, variiert allerdings stark und könnte von den Berufsmaturitätsschulen auch immer wieder mit den Fachhochschulen neu ausgehandelt werden.

      Aus der Beschreibung der zweiten Kompetenzgruppe der idealen allgemeinen Studierfähigkeit geht hervor, dass diese nur bei einer erheblichen Ausweitung der Unterrichtsfächer erreichbar wäre. Das ist aber bildungspolitisch unrealistisch. Zudem zeigt die Studie EVAMAR II (Eberle et al., 2008), dass das Ziel der (allerdings universitären) idealen allgemeinen Studierfähigkeit selbst im Gymnasium, in dem die Fächerbreite viel grösser und die Zahl der Unterrichtsstunden viel höher ist, nicht flächendeckend erreicht wird. Die Berufsmaturitätsschule muss sich deshalb auf die passende fachbereichsspezifische Studierfähigkeit fokussieren. Gleichzeitig aber muss sie den Boden dafür schaffen, dass Berufsmaturandinnen und -maturanden, die fachfremde Studienbereiche wählen, die ergänzend notwendigen Kompetenzen selbst erwerben können. Ich nenne dies «beschränkt-allgemeine Studierfähigkeit».

      Schlussbemerkungen

      Die Ausrichtung von Bildungsprozessen auf den Erwerb von Kompetenzen ist in der Berufsbildung im Gegensatz zur Volksschule und den allgemeinbildenden Schulen auf der Sekundarstufe II unumstritten. Ein Grund für die kontroversen Diskussionen im allgemeinbildenden Bereich ist die unterschiedliche, teils polarisierende Verwendung des Begriffs «Kompetenzen». Aber auch in der Berufsbildung sollte das Begriffsverständnis einheitlicher sein. Geeignet dazu ist die aus einer breiten Literaturrecherche hervorgehende Definition von Klieme und Hartig (2007, S. 21): «Kompetenzen sind Dispositionen, die im Verlaufe von Bildungs- und Erziehungsprozessen erworben (erlernt) werden und die Bewältigung von unterschiedlichen Aufgaben bzw. Lebenssituationen ermöglichen. Sie umfassen Wissen und kognitive Fähigkeiten, Komponenten der Selbstregulation und sozial-kommunikative Fähigkeiten wie auch motivationale Orientierungen». Häufig hört man, dass das sogenannte 4K-Modell der Schlüssel für das künftige Lernen sei: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Innovation sowie kritisches Denken und Problemlösen (vgl. z. B. Lück, 2019). Selbstverständlich sind diese Kompetenzen wichtig, sie sind aber alle überfachlicher Art. Die anderen Facetten von Kompetenzen werden dadurch keineswegs obsolet. Zum Kommunizieren, Kollaborieren und kritischen Denken braucht es Inhalte. Es ist nicht ein Entweder-oder, es ist ein Sowohl-als-auch. Der Umfang der zu erwerbenden Fachkompetenzen lässt sich weder reduzieren, noch werden sie im Hinblick auf gegenwärtige und künftige berufliche Kompetenzen und weitere Ziele – wie die Allgemeinbildung in der Berufsfachschule oder die beschränkt-allgemeine Studierfähigkeit in Berufsmaturitätsschulen – beliebig. Auch für das scheinbar inhaltsoffene Ziel des lebenslangen Lernens, das in vielen Bildungsdokumenten als Gegenentwurf zum Erwerb von Fachwissen beschrieben wird, bleibt die bereits vor 23 Jahren beschriebene ausschlaggebende Bedeutung von sorgfältig bestimmtem Fachwissen und -können (vgl. Eberle, 1997) erhalten.

      Literatur

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      Bloom, B. S. (Hrsg.) (1976). Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich (5. Auflage). Weinheim und Basel: Beltz

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      Lück, D. (2019, 2. Juni). Sechs neue Superfächer für Schweizer Superkinder. Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, «Meinungen», S. 14.

      Mertens, D. (1974). Schlüsselqualifikationen. Thesen zur Schulung für eine moderne Gesellschaft. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung,