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Perspektiven auf den Lernort Berufsfachschule (E-Book)


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sind nötig, um in einer Welt des konstanten (und immer rascheren) Wandels nicht nur reaktiv Anpassungen vorzunehmen, sondern so weit wie möglich antizipatorisch die richtigen Weichen zu stellen und in Bezug auf Angebot und Struktur flexibel zu bleiben?

      Diese Fragen sind für die Berufsbildung natürlich nicht neu. Vielmehr lag und liegt in einer adäquaten Beantwortung seit jeher der Schlüssel zu ihrem Erfolg. Schliesslich bewegt sich die Berufsbildung stets im Spannungsfeld wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen. Und es sind die Lernenden von heute, die den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft von morgen mitgestalten. Entsprechend müssen Antworten immer von zwei Seiten her gefunden werden: mit Blick auf die Arbeitsmarktbefähigung und auf die gesellschaftliche Teilhabe.

      Welche Rolle kommt nun den Berufsfachschulen zu, wenn es um eine zukunftsweisende Ausgestaltung der Berufsbildung geht? Einer Berufsbildung, die die Lernenden dazu befähigt, im Arbeitsleben Fuss zu fassen, sich weiterzuentwickeln und ihre Zukunft aktiv zu gestalten – in einer Welt, in der angesichts technologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen neben berufsspezifischen Fähigkeiten auch immer mehr übergreifende, transversale Kompetenzen gefragt sind?

      Um diese Frage aus der Sicht des Bundes zu beantworten, möchte ich zunächst einen Blick zurück auf die Entwicklung der Berufsbildung und dann nach vorne auf die wichtigsten Herausforderungen werfen, mit denen sich das System als Ganzes, aber besonders die Bildungsinstitutionen konfrontiert sehen. Ich bin überzeugt, dass für die Berufsfachschulen in der Art und Weise, wie sie sich diesen Herausforderungen stellen, die grösste Chance liegt, ihre Position im Berufsbildungssystem zu stärken. Der Bund trägt seinerseits mit geeigneten Massnahmen dazu bei, die Schulen bei Umsetzungsfragen angemessen miteinzubeziehen. Letztlich kann die Frage jedoch nicht losgelöst von einer Gesamtsicht auf das Berufsbildungssystem und die verbundpartnerschaftlichen Aufgaben beantwortet werden. Auch dies soll Teil der Betrachtung sein.

      Traditionell wichtige Rolle in der Bildung der Lernenden

      Als Lernort nehmen die Berufsfachschulen mehrere wichtige Funktionen ein. Pahl (2009) definiert diese in Abgrenzung zu allgemeinbildenden Schulen und auf der Grundlage gängiger Funktionsmodelle wie folgt:

      – berufliche Ausbildungs- und Qualifizierungsfunktion,

      – Erziehungs- und Sozialisationsfunktion (Einordnung in die Berufs- und Lebenswelt),

      – Selektionsfunktion (Einstufung in das Ausbildungs- und Beschäftigungssystem),

      – Allokationsfunktion (Bereitstellung von Fachkräften),

      – Integrationsfunktion (unter Berücksichtigung der Bedingungen und Anforderungen der Wirtschaft),

      – Kulturüberlieferungsfunktion (unter dem Anspruch der Berufs-, Allgemein- und Menschenbildung),

      – Zuordnungsfunktion (an weiterführende Bildungsangebote und die Berufswelt),

      – Versorgungsfunktion (für Abgängerinnen und Abgänger allgemeinbildender Schulen) (S. 523).

      1978 folgte der eigenständige Bildungsauftrag, der die Gleichwertigkeit gegenüber anderen Schultypen unterstrich und gemäss Bundesrat zum Ausdruck brachte, dass die Berufsfachschule «auch kein blosses Anhängsel an die praktische Ausbildung im Betrieb darstellt» (BBl 1977 I, S. 708). Mit dem 2004 in Kraft getretenen aktuellen Berufsbildungsgesetz (SR 412.10) wurde dieser Bildungsauftrag nochmals erweitert und geschärft. Gemäss Art. 21 Abs. 2 haben Berufsfachschulen:

      – «die Entfaltung der Persönlichkeit und Sozialkompetenz der Lernenden durch die Vermittlung der theoretischen Grundlagen zur Berufsausübung und durch Allgemeinbildung zu fördern;

      – die unterschiedlichen Begabungen zu berücksichtigen und mit speziellen Angeboten den Bedürfnissen besonders befähigter Personen und von Personen mit Lernschwierigkeiten Rechnung zu tragen;

      – die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann sowie die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen durch entsprechende Bildungsangebote und -formen zu fördern».

      Gerade das Berufsbildungsgesetz (BBG) von 2004 löste eine Welle der Modernisierung aus, die von allen Involvierten und nicht zuletzt von den Berufsfachschulen ein hohes Mass an Engagement erforderte: Reformarbeiten zu sämtlichen Ausbildungs- und Prüfungsreglementen, Einführung der zweijährigen beruflichen Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) und damit verbundene Unterstützungsangebote wie die fachkundige individuelle Begleitung sowie nachgelagert neue Erlasse zum Berufsmaturitäts- und allgemeinbildenden Unterricht.

      Durch diese Anpassungen sahen sich die Berufsfachschulen mit neuen Anforderungen konfrontiert; in vielerlei Hinsicht war ein Umdenken nötig. Zwei Aspekte möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben, weil sie mit Blick auf die künftigen Herausforderungen aktuell bleiben: Erstens die Handlungskompetenzorientierung; denn wie in der Botschaft des Bundesrates zum Gesetzgebungsprozess festgehalten, sind die Berufsfachschulen dafür verantwortlich, «das situationsbezogene Erfahrungslernen in übergeordnete Zusammenhänge zu stellen, die für eine dauerhafte Orientierung wichtig sind» (BBl 2000, S. 5701). Und zweitens war schon damals klar, dass der künftige Trend in Richtung Flexibilisierung gehen wird und dabei die Berufsfachschulen gefordert sind, aktiv zu werden in Bezug auf «neue Unterrichtsformen und -angebote, modulare Sequenzen und differenzierte Prüfungsverfahren» (ebd., S. 5702).

      Bedeutung der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen

      Reformen und veränderte Anforderungen in den Berufsfachschulen umzusetzen haben letztlich insbesondere die Lehrpersonen. Entsprechend wichtig ist eine adäquate Aus- und Weiterbildung, um ihnen die zur Bewältigung der Herausforderungen nötigen Kompetenzen zu vermitteln. Herausforderungen, die zu den Spannungsfeldern hinzukommen, in denen sich die Berufspädagogik ohnehin bewegt (SBFI, 2015, S. 5):

      – Theorie – Praxis,

      – Pädagogik – Andragogik,

      – Arbeiten – Lernen,

      – Erwartungen der Wirtschaft – persönliche Entwicklung und

      – Kompetenzlernen – Bildungskanon.

      Klärung von Rollenfragen braucht Gesamtsicht

      Bevor die Herausforderungen und die damit verbundenen spezifischen Fragestellungen für die Berufsfachschulen im Detail betrachtet werden, sollen an dieser Stelle einige Überlegungen zur grundsätzlichen Rollenverteilung in der Berufsbildung einfliessen. Als kollektives, also weder rein wirtschaftliches noch rein staatliches System ist