Herbert Luthiger

Kompetenzförderung mit Aufgabensets


Скачать книгу

      Der erste Teil des Buches ist der Bedeutung von Aufgaben als Schlüssel zu einer kompetenzfördernden Lehr-Lern-Kultur gewidmet. Darin wird das LUKAS-Modell mit seinem Lernprozessmodell und dem Kategoriensystem mit den lernrelevanten Merkmalsbereichen hergeleitet und vorgestellt. Es bildet die Grundlage für die zwölf Beiträge der Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktiker, die im zweiten Teil des Bandes einen Einblick in kompetenzfördernde Aufgabensets geben. Diese sind teilweise in Zusammenarbeit mit Lehrkräften entstanden oder wurden von ihnen im Unterricht erprobt. In jedem Beitrag wird diskutiert, wie das Modell für die Kompetenzentwicklung zu nutzen ist und wie es sich mit den jeweiligen fachdidaktischen Anliegen vereinbaren lässt.

      Im dritten Teil des Buches werden domänenspezifische und übergeordnete Gemeinsamkeiten und fachspezifische Unterschiede analysiert. Der Umgang mit dem Modell im Allgemeinen sowie die Ausgestaltung des Lernprozessmodells und der Einsatz des Kategoriensystems im Speziellen werden über die Fächergrenzen hinweg unter die Lupe genommen.

      Das Buch richtet sich an Studierende in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, an Lehrkräfte und Schulleitende sowie an Dozierende der Erziehungswissenschaft und Fachdidaktik – in der Schweiz und in anderen deutschsprachigen Ländern.[4]

      Wir möchten an dieser Stelle auch offenlegen, was wir mit diesem Buch nicht leisten können: Die darin enthaltenen Unterrichtsbeispiele werden lediglich »angespielt« und sind somit nicht eins zu eins im eigenen Unterricht einsetzbar – das Buch will keine Aufgabensammlung sein, sondern soll zum Nachdenken und Diskutieren anregen.

      Die vorliegende Publikation wurde nur möglich aufgrund der engagierten Zusammenarbeit mit den beteiligten Autorinnen und Autoren – unseren Kolleginnen und Kollegen der Pädagogischen Hochschule Luzern und ihren Netzwerken. Für ihre engagierte Mitarbeit am Projekt, für die termingerecht eingereichten Beiträge und für die anregenden und weiterführenden Gespräche danken wir allen herzlich. Bei der Hochschulleitung bedanken wir uns für die finanzielle Unterstützung. Den Mitarbeitenden des hep verlags gilt unser herzlicher Dank für die angenehme Zusammenarbeit.

      Nun hoffen wir, dass unsere Publikation Anlass gibt für konstruktive Gespräche und dass es zum Nachdenken über das Lernen von Schülerinnen und Schülern anregt. Vor allen Dingen aber hoffen wir, dass das LUKAS-Modell eine Hilfe darstellen möge bei der kompetenzorientierten Unterrichtsgestaltung.

      Luzern, im Januar 2018

      Herbert Luthiger, Markus Wilhelm,

      Claudia Wespi, Susanne Wildhirt

      Herbert Luthiger, Susanne Wildhirt (Pädagogische Hochschule Luzern)

      Wer in 1980er- und 1990er-Jahren in schulpädagogisch und erziehungswissenschaftlich orientierten Fachzeitschriften und Fachpublikationen recherchierte, musste feststellen, dass das Thema »Aufgaben« sowohl in den Fachdidaktiken als auch in der Allgemeinen Didaktik kaum Beachtung fand, auch wenn seine Bedeutung für die unterrichtliche Praxis theoretisch oft hervorgehoben wurde (vgl. z. B. Grell & Grell, 1985; Meyer, 2007; Seel, 1981) und für die alltägliche Unterrichtsplanung der Lehrkräfte empirisch gut belegt werden konnte (Bromme, 1981; Haas, 1998).

      Heute sprechen die Zeichen – wohlbegründet – für das Thema »Aufgaben«. Sie sind inzwischen zu einem wichtigen und prominenten Gegenstand der Unterrichtsentwicklung geworden. Denn, so interpretiert Reusser (2014) diese Fokussierung, mit dem kompetenzorientierten Unterricht »sind wir bei jenem Punkt angelangt, bei dem die Funktion und Qualität von Aufgaben und ihrer angeleiteten und selbstständigen Bearbeitung in Hinsicht auf den mit heterogenen Lerngruppen zu erreichenden Bildungsauftrag hervortreten: als Lernaufgaben im Dienste des Aufbaus und der Förderung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen in allen Inhaltsbereichen und als in Tests eingebettete Leistungsaufgaben, die der Überprüfung von Bildungsstandards bzw. der Evaluation der Zielerreichung dienen« (ebd., S. 79).

      Warum ist das so? Prägnant bringt dies Reusser wie folgt zum Ausdruck: »Attraktive – inhaltlich und methodisch durchdachte – fachliche Probleme und Lernaufgaben, seien es Einstiegs-, Vertiefungs-, Übungs-, Transfer- oder Testaufgaben, bilden das Rückgrat eines schüleraktivierenden Unterrichts – als Quellen der Motivation und Ausgangspunkt für Schülerinnen und Schüler, sich auf Gegenstände einzulassen und dabei fachliche und überfachliche Kompetenzen auszubilden« (ebd., S. 81).

      Auch die Lehr-Lern-Forschung hat das Thema »Aufgaben« (wieder) entdeckt, und zwar sowohl zur Erfassung der Aufgabenqualität unter fachdidaktischem (vgl. z. B. Jordan et al., 2006; Neubrand, 2002) als auch unter allgemeindidaktischem Aspekt (vgl. z. B. Blömeke et al., 2006; Kleinknecht, 2010; Maier et al., 2010).

      In der Praxis sind Aufgaben seit jeher selbstverständlicher Bestandteil des Unterrichts. Nach einer Schätzung von Eikenbusch (2008, S. 6) erteilt eine Lehrkraft im Laufe ihres Berufslebens über 100 000 Aufgaben – und nicht selten bis zu einer Viertelmillion. Das bedeutet, dass sich ein Schülerinnen- und Schülerleben explizit entlang von Aufgaben vollzieht. So verbringen Schülerinnen und Schüler beispielsweise im Mathematik­unterricht vier Fünftel ihrer Unterrichtszeit mit Aufgabenlösen (vgl. Reusser, 2013, S. 4). Damit kann man Unterrichten ohne Weiteres auch als »Arbeiten mit Aufgaben« (Bruder, 2003, S. 12) bezeichnen.

      Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Aufgaben als zentrale didaktische Werkzeuge fungieren und, sofern ihr Potenzial erkannt und im Unterricht richtig eingesetzt wird, sowohl Träger der Lerninhalte als auch Strukturgeber für Aktivitäten und Interaktionen von Lehrenden und Lernenden sind. Wohl deshalb bezeichnet Reusser (2013) Aufgaben als »das Substrat der Lerngelegenheit im Unterricht« (ebd., S. 4), Thonhauser (2008) sieht sie »als Katalysatoren von Lernprozessen« (ebd., S. 15), und Büchter und Leuders (2005) erheben sie zur »Steilvorlage für gelingendes, variantenreiches Lernen in einem guten Unterricht« (ebd., S. 14).

      Eine einheitliche Auffassung darüber, was unter dem Konstrukt »Aufgabe« im engeren Sinne zu verstehen sei, ist im aktuellen didaktischen Diskurs nicht feststellbar.

      Einerseits wird der Auflösungsgrad dessen, was als Aufgabe bezeichnet wird, unterschiedlich definiert. Im Verständnis der Kognitions- und Instruktionspsychologie beispielsweise sind einzelne Aufforderungen und Fragen der Lehrkraft bereits Aufgaben (vgl. z. B. Astleitner, 2006, S. 18; Renkl, 1991, S. 89; Schabram, 2007, S. 6). Im Kontrast dazu orientieren sich andere Autorinnen und Autoren an einem Aufgabenbegriff, der Fragen und Aufforderungen im Unterricht explizit nicht als Aufgaben bezeichnet (vgl. z. B. Bohl et al., 2013, S. 27; Kleinknecht, 2010, S. 12).

      Ferner wird in der Literatur neben Aspekten wie dem Auflösungsgrad auch die inhaltliche Qualität von Aufgaben unterschiedlich bestimmt. Beispielsweise wird in der Psychologie klassischerweise zwischen Problem und Aufgabe unterschieden. Seel (1981) verdeutlicht diese Differenz wie folgt: »Wird der Lernende in einer spezifischen Situation mit einer Lernaufgabe befasst, die er mit den ihm augenblicklich verfügbaren Informationen oder Lösungsmethoden nicht direkt bewältigen kann, wird die Lernaufgabe als Problem beurteilt« (ebd., S. 104, kursiv im Original). Konstitutiv für ein Problem sind aus Sicht der Lernerinnen und Lerner demzufolge die noch unbekannten Mittel zum Erreichen des Ziels oder die Notwendigkeit, bekannte Mittel auf neue Weise oder aber die unklaren Vorstellungen über das angestrebte Ziel neu kombinieren zu müssen. Diese Definition impliziert, dass ein Problem höhere Anforderungen an eine Person stellt als eine Aufgabe, weil vorhandenes Wissen und bekannte Lösungsverfahren zur Problemlösung nicht ausreichen, wohingegen für die Bewältigung von Aufgaben lediglich das Abrufen deklarativen und prozeduralen Wissens erforderlich ist. Kritisch eingewendet wird jedoch, dass sich eine solche Trennung