Lebensweltbezug des Inhaltes eine zentrale Rolle spielen. Drei Modelle heben zudem die Offenheit als Qualitätsmerkmal hervor. Diese drei Qualitätskategorien lassen sich ohne Weiteres mit der Dimension »kognitive Aktivierung« als eine zentrale Grunddimension von Unterrichtsqualität in Verbindung bringen.
In aktuellen Arbeiten werden Lerngelegenheiten dann als »kognitiv aktivierend« bezeichnet, wenn sie die Schülerinnen und Schüler zum vertieften Nachdenken und zu einer elaborierten Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand anregen (vgl. z. B. Klieme, Schümer & Knoll, 2001, S. 51; Kunter & Trautwein, 2013, S. 86). Im Unterricht sind diese Lerngelegenheiten die Aufgabenstellungen. Aufgaben können in ihrem kognitiven Anregungsgehalt und somit in ihrer Aufgabenqualität stark variieren.
Aufgaben mit einer hohen kognitiven Aktivierung sind nach Kunter und Trautwein (2013, S. 87–88):
•komplexe Aufgaben (Aufgaben, die aus mehreren Komponenten bestehen);
•Aufgaben, die Problemlöseprozesse erfordern und nicht einfach durch abrufbares Wissen beantwortet werden können;
•Aufgaben, die es erfordern, bekannte Sachverhalte neu miteinander zu verknüpfen oder auf neue Situationen anzuwenden;
•Aufgaben, die einen kognitiven Konflikt auslösen, weil neue Informationen im Widerspruch zu bereits Bekanntem stehen;
•Aufgaben, bei denen mehrere Lösungen richtig sein können;
•Aufgaben, bei denen die Lernenden ein mentales Bild aufbauen und einzelne Elemente dieses Bildes ergänzen müssen;
•Aufgaben, die an eigene Erfahrungen anknüpfen;
•Aufgaben, zu deren Lösungen bereits vorhandene Konzepte nicht ausreichen, sodass die Präkonzepte erweitert werden müssen;
•Aufgaben, zu deren Lösung nicht alle Informationen vorliegen, sodass diese von den Lernenden selbst gefunden werden müssen.
Neben der kognitiven Aktivierung ist in dreien der Modelle der Inhaltsbereich bzw. die curriculare Einordnung ein wichtiges Kriterium für Aufgabenqualität. Eine Aufgabe hat einen gesellschaftlich relevanten, für die Schülerinnen und Schüler neuen Inhalt in exemplarischer Weise zu erschließen und muss im Dienste des Aufbaus und der Förderung der in den Lehrplänen festgelegten fachlichen und überfachlichen Kompetenzen stehen. Dies impliziert ebenfalls die Forderung nach einer gewissen Offenheit der Aufgabenstellungen. Deshalb schreibt Doyle (1995, S. 151) den Aufgaben die Bedeutung zu, einerseits Inhalte, Ziele und Arbeitsweisen eines Faches zu repräsentieren, andererseits jene geistigen Tätigkeiten und Arbeitsprozesse auszulösen, um die es im betreffenden Fach geht.
Wie lassen sich Aufgabenqualitäten beschreiben und formulieren, damit sie Lernen aktivieren? Verben regieren die Sprache – folglich »regieren« Verben auch die Aufgaben, weil sie als Operatoren den Lernenden signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben von ihnen erwartet werden: »Unter einem Operator versteht man ein Verb (wie z. B. erläutern, darstellen oder begründen), das im Rahmen einer Aufgabe zu einer bestimmten Tätigkeit auffordert und dessen Bedeutung möglichst genau spezifiziert ist« (Baumann, 2008, S. 54). Operatoren kommen in Aufgaben in Form von Imperativen (z. B. »Nenne …«, »Zeichne …«), in Form von Substantiven (z. B. »Beobachtung …«, »Erklärung …«) oder in Form von Fragewörtern (z. B. »Welche …?«) vor (vgl. Jatzwauk, Rumann & Sandmann, 2008, S. 267) und sind von unterschiedlicher Komplexität. Unabhängig vom Gegenstand der Aufgabe wird beispielsweise beim Operator »erörtern« erwartet, dass ein eigener Standpunkt zu einer Fragestellung gefunden oder ein Sachurteil abgeleitet und mit Belegen argumentativ begründet wird. An diesem Beispiel wird deutlich, dass in einem Operator komplexe Anforderungen verpackt sind. Damit die Lehrkraft die Bearbeitung von Aufgaben wirkungsvoll unterstützen und begleiten kann, braucht sie ein Instrument zum Einschätzen der Bearbeitungsqualitäten, welche die Operatoren in den Aufgaben verlangen. Anderson und Krathwohl (2001) haben daher zur Beschreibung des Anforderungsprofils von Aufgaben eine Taxonomie entwickelt, die sich für die Gestaltung von Aufgaben in der Praxis als hilfreich erwiesen hat und von anderen Autoren weiterentwickelt worden ist (vgl. z. B. Abraham & Saxalber, 2012; Mägdefrau & Michler, 2014, S. 108; Maier et al., 2013. S. 31).
Aufgaben sind auch Lernmedien. Die Operatoren von Aufgaben sind formal in ein strukturelles und visuelles Erscheinungsbild eingebettet (Oberflächenmerkmal). Müller, Probst und Noirjean (2015) konnten jedoch zeigen, dass die inhaltliche und optische Gestaltung einer Aufgabe nicht bloß zierendes Beiwerk ist, sondern tiefenstrukturelles Lernen unterstützt.
Fazit: In Aufgaben werden kulturell und gesellschaftlich bedeutsame Bildungsinhalte konkretisiert. Mit der Frage nach der Aufgabenqualität befassen sich sowohl die Fachdidaktiken als auch die Allgemeine Didaktik. Vielfach bestätigen lassen sich folgende zwei Kernmerkmale der Aufgabenqualität: (1) kognitive Aktivierung und (2) inhaltliche Zuordnung. Qualitativ hochwertige Aufgaben regen einerseits Lernprozesse an, die in die Weite und Tiefe des Wissens und Denkens eines Faches oder einer Domäne führen und zu ihrer Bearbeitung fachspezifische Kompetenzen einfordern. Sie repräsentieren fachliche Kernideen und eröffnen Zugänge zu den fachspezifischen Strukturen, Standards und Denkformen. Aufgaben können daher funktional als Bindeglied zwischen dem professionellen Handeln einer Lehrkraft einerseits sowie den individuellen Lernprozessen der Schülerinnen und Schüler andererseits betrachtet werden: Die Lernenden erfahren die Unterrichtsinhalte und -ziele durch anregende Aufgaben und erleben in deren Bewältigung ihre eigene Kompetenz. Um die Qualität von Aufgaben näher bestimmen zu können, bedarf es einer Taxonomie, welche die Anforderungsprofile der Aufgaben charakterisiert, indem sie sprachlich die Operationen beschreibt, die bei der Aufgabenbearbeitung vorgenommen werden müssen. Das Potenzial von Aufgaben wird ferner durch die inhaltliche und optische Gestaltung zielführend unterstützt.
1.1.3 Lernprozessqualität: Die Lernkultur
Vergegenwärtigt man sich den aktuellen Diskurs über Aufgaben, dann lässt sich festhalten, dass der Fokus auf der Analyse des kognitiven Potenzials bzw. der schwierigkeitsgenerierenden Merkmale von Einzelaufgaben liegt, wobei es bei der Bestimmung des »objektiven Schwierigkeitsgrades« in der Regel um Urteile von Expertinnen und Experten geht. Dass damit die Frage nach der Qualität von Aufgaben abschließend geklärt sei, ist zu bezweifeln. Denn was die Qualität einer Aufgabe ausmacht, hängt auch wesentlich davon ab, über welche Voraussetzungen die einzelnen Lernenden zu deren Lösung bereits verfügen, das heißt, welche Funktion im Lernprozess die Aufgabe einnimmt:
Zieht man Bilanz aus dem aktuellen Diskurs über Lernaufgaben, lässt sich festhalten, dass der Fokus auf der Auseinandersetzung mit Einzelaufgaben und auf der Betrachtung von (kategorisierten) Einzelaufgaben in »Aufgaben-Mengen« besteht. Bislang weitestgehend ausgeklammert wurde eine systematische Auseinandersetzung mit Lernwegen zum Aufbau von Kompetenzen und ihrer Strukturierung durch Lernaufgaben. (Schmit, Peters & Kiper, 2014, S. 25, Hervorhebung im Original)
Parallel zu der Diskussion um die Aufgabenqualität einzelner Aufgaben muss daher die Frage geklärt werden, auf welche Weise durch geeignete Aufgabenreihung der Lernprozess der Schülerinnen und Schüler strukturiert werden soll.
Für die Strukturierung von Lernprozessen wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Modelle vorgeschlagen. Im deutschsprachigen Raum gilt das von Herbart (1776–1841) entwickelte Formalstufenmodell als erstes Lernstruktur-Modell (vgl. Herbart, 1922, S. 169–174):
1.Stufe der Klarheit, auf der die Lehrkraft den Lerngegenstand exponiert;
2.Stufe der Assoziation, auf der den Schülerinnen und Schülern neue Wissenselemente angeboten werden, die sie mit ihren bisherigen Erfahrungen und Denkweisen verbinden;
3.Stufe des Systems, auf der die Lernenden die neu erworbenen Vorstellungen und Kenntnisse in den bereits vorhandenen Wissensbestand einordnen;
4.Stufe der Methode, auf der das neu erworbene (assoziierte) und eingeordnete (systematisierte) Wissenselement eingeübt und angewendet wird.
Diese Grundfigur hat Aebli (1923–1990) aufgegriffen