Problem regt die Schülerinnen und Schüler zum Fragen an, macht sie neugierig, irritiert sie, lässt Assoziationen zu, weckt das Bedürfnis, etwas Neues zu verstehen oder etwas Neues zu können. Er regt zum Austausch an. Die Fragen der Schülerinnen und Schüler rufen Alltagskonzepte und Alltagskompetenzen auf und aktivieren die Auseinandersetzung mit der Sache: Diese Auseinandersetzung muss sich lohnen! Hier spielen inner- und außerfachliche Kontexte eine zentrale Rolle. Ziel ist es, die Lernenden mit einer Anforderungssituation vertraut zu machen, die ein bestimmtes Erfahrungsfeld öffnet und für dessen Lösung der folgende Unterricht Aufgaben zum Erwerb von Erkenntnissen und Fähigkeiten bereitstellt. Als Anforderungssituationen sollten Konfrontationsaufgaben daher im Idealfall in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler angesiedelt sein und einen hohen Authentizitätsgrad aufweisen, sie sollten zugleich fachlich höchst relevant sein, weil durch sie exemplarisch bedeutende Sachverhalte und fachliche Fähigkeiten gelernt werden können. Aufgrund der Komplexität der Anforderungssituation können mit Konfrontationsaufgaben auch ganze Bündel verschiedener Teilkompetenzen angegangen werden. In solchen Fällen kann eine Konfrontationsaufgabe nicht im Direktgang gelöst werden, sondern verlangt nach sukzessiver Bearbeitung während des nachfolgenden Lernprozesses.
Eine Verschriftlichung der Lösungsversuche oder -wege (z. B. in einem Lernjournal oder Arbeitsheft) gibt der Lehrkraft Einblick in die individuellen Denkweisen und Hinweise auf vorhandene Kompetenzen. Konfrontationsaufgaben wirken daher steuernd auf die Gestaltung des folgenden Lernprozesses, indem die individuellen Vorstellungen der Schülerinnen nicht nur aktiviert und gewürdigt, sondern auch zur substanziellen Weiterarbeit genutzt werden. Für die Schülerinnen und Schüler stellt es eine motivierende Erfahrung dar, wenn der sukzessive Kompetenzzuwachs spürbar wird.
Fazit: Konfrontationsaufgaben beruhen auf lebensweltlichen Phänomenen, Situationen oder Ereignissen oder bestehen aus fachauthentischen Problemen. Sie machen neugierig, irritieren, laden die Schülerinnen und Schüler dazu ein, ihre Intuitionen, bestehenden Kompetenzen, Erfahrungen und Einstellungen zu äußern, ihre Fragen ins Spiel zu bringen und sich ihnen im Austausch in ihrer ganzen Breite und Komplexität zu stellen. Konfrontationsaufgaben fördern divergierendes Denken, lassen alle Assoziationen zu und wecken das Bedürfnis, etwas zu verstehen oder neu zu können. Sie können die Lernenden während der gesamten Unterrichtssequenz begleiten.
1.3.2 Erarbeitungsaufgaben (→ Ea)
Epistemologische Funktion: Der epistemologische Kern von Erarbeitungsaufgaben ist es, die singulären Erfahrungen und Vorkenntnisse der Lernenden mit dem Wissensgebiet der regulären Fachwissenschaft zu verknüpfen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln gemeinsame Konzepte und schließlich Fachkonzepte sowie eine gemeinsame Sprache und schließlich Fachbegriffe und eine Fachsprache. Diese bilden das Fundament und sichern die Tragfähigkeit des Gelernten für die Anbindung an gesellschaftlich geteiltes Wissen. In epistemologischer Sicht dringen die Schülerinnen und Schüler in möglichst viele Aspekte und Zusammenhänge des Lerngegenstandes ein und erhalten durch entsprechende Aufgabenstellungen die Gelegenheit, die Entstehung und Sinnhaftigkeit fachlicher Inhalte eigenständig und aktiv zu erarbeiten. Daher sollen die Inhalte den Lernenden als lohnendes Feld zum Entdecken und Erkunden präsentiert werden. Sie entwickeln dabei unterschiedliche Lösungsansätze, die im Anschluss auf der Folie fachwissenschaftlicher Erkenntnisse und Systematiken geordnet werden können. Damit der Erarbeitungsprozess epistemologisch abgerundet ist, ist das Gelernte schriftlich zu dokumentieren und sind die Lernerfahrungen in einem kommunikativen Kontext zu reflektieren, wodurch die Bedeutung des Lerngegenstandes sichtbar wird. Die Arbeit in Gruppen oder im Austausch mit einer Lernpartnerin oder einem Lernpartner eröffnet die Chance, unterschiedliche Ansätze kennenzulernen und zu bearbeiten.
Didaktische Funktion: Im Unterschied zu Konfrontationsaufgaben, bei denen die Schülerinnen und Schüler an die Grenzen ihres Alltagswissens stoßen, sollen durch Erarbeitungsaufgaben fachliche und überfachliche Kompetenzen in Prozessen des Erkundens und Entdeckens aufgebaut werden. In fachlicher Sicht verhelfen Erarbeitungsaufgaben dazu, fachliche Wissens- und Denkstrukturen zu bilden, die für ein Fachgebiet zentral sind. Erarbeitungsaufgaben sollen aber auch Gelegenheit bieten, fachmethodische, lernstrategische, soziale und personale Kompetenzen auszubilden. Durch die Art und Weise, wie die Lernenden methodisch und sozial miteinander arbeiten und kooperieren, ermöglichen Erarbeitungsaufgaben das produktive Ineinandergreifen von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen. Damit wird deutlich, dass Erarbeitungsaufgaben durch problemhaltige intentionale Situationen einen kognitiv aktivierenden Wissenserwerb anregen.
Zusätzlich zum Erkunden und Entdecken von neuen Begriffen, fachlichen Zusammenhängen und Verfahren geht es in Erarbeitungsaufgaben auch darum, die gefundenen Zusammenhänge und Begriffe zu ordnen und zu sichern, weil Eigentätigkeit und aktiv-entdeckende Lernprozesse nicht automatisch zu den konventionellen Begriffen und Konzepten der Fachwissenschaft führen. Erarbeitungsaufgaben haben somit die zentrale Funktion, das individuell Erarbeitete mit dem regulären Fachwissen abzugleichen und zu verknüpfen: Zum individuellen Vorwissen, das mithilfe der Konfrontationsaufgaben aktiviert wurde, tritt nun die Dimension des »Regulären« (Ruf & Gallin, 1998, S. 42) hinzu.
In der Dimension des Regulären geht es um die Annäherung an die fachlichen Normen und um das Kennenlernen des Überlieferten, das notwendigerweise abhängig ist von der jeweiligen fachwissenschaftlichen Disziplin und deren Wissenschaftsverständnis und Verfahren der Erkenntnisgewinnung, die mit dem Unterrichtsfach korrespondieren. Erarbeitungsaufgaben sind daher mit Blick auf die betreffende Fachkultur und auf deren relevante Wissensbestände, Denk- und Handlungsweisen zu entfalten. Baumert (2002) unterscheidet hierbei verschiedene »Modi der Weltbegegnung«, die unterschiedliche Weltzugänge und unterschiedliche Welthorizonte beschreiben. Als Modi der Weltbegegnung bezeichnet er die kognitiv-instrumentelle Modellierung der Welt (Mathematik, Naturwissenschaften), die ästhetisch-expressive Begegnung und Gestaltung der Welt (Sprache/Literatur, Musik/Malerei/bildende Kunst, physische Expression), die normativ-evaluative Auseinandersetzung mit der Wirtschaft und Gesellschaft (Geschichte, Ökonomie, Politik/Gesellschaft und Recht) und die Probleme konstitutiver Rationalität (Religion, Philosophie). Jeder dieser vier Welterschließungsmodi hat seine spezifische Lesart (literacy) und seine eigenen Kulturtechniken, die für Bildung grundlegend und somit nicht austauschbar sind. Es ist die zentrale Funktion der Erarbeitungsaufgaben, die Schülerinnen und Schüler im jeweiligen Unterrichtsfach dazu zu befähigen, diese unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und Lesarten zu erkennen und zu nutzen, um zu wissen, dass mit der jeweiligen Lesart zugleich eine jeweils eigene Modellierung von Welt einhergeht.
Fazit: Erarbeitungsaufgaben dienen einerseits zum Aufbau neuer fachlicher Wissensschemata, zur Entwicklung fachbezogener Verfahren und zum Herstellen von Zusammenhängen, andererseits zum Ordnen und Systematisieren individueller Erkenntnisse und zu deren Verknüpfung mit den normierten Begriffen und Verfahren der Fachwissenschaft. Klare Strukturierung, unmittelbare soziale Interaktionen und Feedbacks unterstützen dabei die Verknüpfung der subjektiven Konzepte und Handlungsweisen mit dem regulären Fachwissen.
1.3.3 Vertiefungsaufgaben (→ Va) und Übungsaufgaben (→ Üa)
Für einen nachhaltigen Kompetenzerwerb ist Vertiefen und Üben unabdingbar, denn es gilt, die Ergebnisse dessen, was erarbeitet wurde, in einem sogenannten »Konsolidierungszyklus« (Steiner, 2010, S. 75) zu festigen. Die »internale wie externale Verankerung im größeren semantischen wie auch im sensorisch-neuronalen Netzwerk wird verlässlich handhabbar teils aufgrund einfacher Wiederholung, teils über erneuten Aufbau unter etwas anderem Gesichtspunkt« (ebd., S. 75, Hervorhebung im Original). Vertiefen und Üben sind somit konstitutive Bestandteile des Kompetenzerwerbs und integrative Bestandteile aller Phasen eines vollständigen Lernprozesses, weil ein Teil des Erarbeiteten schon während der laufenden Aufbauprozesse gleich wieder vergessen geht – Steiner nennt dieses Phänomen »Forgetting While Learning« (ebd., S. 82). Vertiefen und Üben konsolidieren das Gelernte, machen es stabiler, leichter abruf- und anwendbar. Abhängig davon, ob es dabei um qualitätssteigernde weitere Vertiefung oder um die Bildung von Routinen geht, können idealtypisch zwei Arten des Übens unterschieden werden: das durcharbeitende elaborierende Üben und das automatisierende