Sie sich eine vor Ihnen liegende Ferienwoche aus. Wohin möchten Sie reisen? Eine Woche in die Berge zum Skifahren? Nach Venedig, um dort den Karneval mitzuerleben? An die Sonne, um Wärme und Licht zu tanken? Oder ist es Ihnen eher danach, zu Hause zu bleiben und den längst fälligen Hausputz anzugehen oder verstärkt Klavier zu üben? Die Entscheidung hängt stark von Ihren bisherigen Erfahrungen und davon ab, wie attraktiv etwas für Sie ist. Wenn Sie nämlich sehr gerne Klavier spielen können möchten und es eine attraktive Vorstellung ist, sich eine Woche lang darauf einzulassen, heißt das noch lange nicht, dass Sie das auch tun. Durch die Erfahrung mit Musikinstrumenten wissen Sie nämlich, dass man sehr viel üben muss und nicht besonders schnell vorwärtskommt; Erfolgserlebnisse sind gering. Das bringt Sie dazu, sich für etwas anderes zu entscheiden.
Wie Sie Ihre Ferienwoche also verbringen, hängt von Ihrer eigenen Selbstregulation ab. Sie müssen herausfinden, worauf Sie Lust haben und was Sie wirklich wollen. Das bedeutet: zur Willensbildung den Rubikon überschreiten. Der Abwägungsprozess beginnt damit, dass Sie – meist unbewusst und sehr schnell – bestimmte Erfahrungen abrufen (ein Musikinstrument spielen/andere spielen sehen und hören). Dazu gesellen sich Vorstellungen bezüglich des zu erwartenden Erfolges (ich lerne Dinge langsam; ich habe bereits ein anderes Musikinstrument nur langsam gelernt), die Sie gedanklich mit dem subjektiven Wert einer Sache (es ist für mich attraktiv, musizieren zu können; meine Freunde werden das toll finden) und ihrem erwarteten Ergebnis verrechnen (viel üben bei wenig oder nur langsam sich einstellendem Erfolg). Heraus kommt ein Resultat, das Sie zu einer Entscheidung führt.[41] Sie werden also aus erfahrungsbedingter Erwartung und subjektivem Wertdenken heraus entscheiden, was Sie tun wollen, um am Ende mit Ihrer Entscheidung glücklich und zufrieden zu sein. Sie werden zu einer Idee sagen: «Ich will!»
ABB. 3 | WILLENSBILDUNG |
Getragen von Ihrer Motivation, setzen Sie sich Ihr konkretes Ziel (nehmen wir einmal an, Sie entscheiden sich für eine Reisewoche) und können mit der Planung beginnen: Mit wem reise ich? Wohin genau? Wie gehe ich vor? Mit solchen und ähnlichen Fragen starten Sie in die nächste Phase, die der Planung.
ABB. 4 | PLANUNGSPHASE |
Nun planen Sie so konkret wie möglich: SMARTe – spezifische, messbare, attraktive, realistische und terminierte – Ziele werden in Teilschritte gegliedert, und jeder Teilschritt wird wiederum detailliert vorgeplant. Sie berücksichtigen Ihre Ressourcen wie Zeit, Fähigkeiten und so weiter. Wer über viele Handlungsstrategien verfügt, hat mehr Planungsmöglichkeiten als jemand mit einem kleinen Repertoire. Wenn Sie sich nicht so gewandt im Internet bewegen, buchen Sie eher im Reisebüro. Wenn Sie Flugangst haben, ziehen Sie eher auch lange Bahnreisen in Betracht. Ihre verfügbaren Handlungsstrategien bestimmen Ihre Entscheidungen mit. Vielleicht haben Sie Lust, etwas Neues zu lernen, und bringen die nötige emotionale Bereitschaft mit, sich darauf einzulassen, also sich fehlenden Routinen und damit verbundenen Unsicherheiten und Stolpersteinen auszusetzen. Dann entscheiden Sie sich vielleicht trotz fehlender eigener Kompetenzen für die Reiseplanung im Internet. Vielleicht geht ein Freund mit, der sich darin besser auskennt und Ihnen hilft. Dazu braucht es dann allerdings eine gewisse Fehlertoleranz, denn Sie werden nicht auf Anhieb alles richtig machen. Auch hier werden Sie also wieder abwägen, ob die Lust an der Sache ausreicht, um den Energieaufwand zu kompensieren.
Nach der Planung wechseln Sie in die Durchführungsphase.
ABB. 5 | PHASE DER DURCHFÜHRUNG |
Nun gehen Sie also entweder ins Reisebüro oder über eines Ihrer Geräte ins Internet oder ins Bahnreisezentrum. Sie sprechen eventuell mit Freunden Termine ab, buchen und packen die Koffer. Dabei beobachten Sie sich fortlaufend selbst (Monitoring): Reichen Ihre Strategien aus für das, was Sie bewältigen wollen? Müssen Sie gegebenenfalls nachsteuern (Planungen eventuell korrigieren, Strategien erwerben usw.) – oder gar abbrechen? Freuen Sie sich? Haben Sie Angst vor dem Fremden, das Sie in der Ferienwoche erwartet? Sie merken, dass auch Emotionen Ihr Tun (und Lassen) steuern.[42] Während der Reise, der Ferien und der Rückkehr laufen immer wieder neue Abwägungsprozesse, Planungen und Handlungsstrategien ab.
Nach der Woche werden Sie Bilanz ziehen: Wie ist das Ergebnis? Hat sich der Aufwand gelohnt? Was würden Sie genauso wieder machen? Wo etwas verändern? Sie werden es erst allein mit sich durchdenken, dann vielleicht mit anderen und auch solchen, die nicht dabei waren. Sie besprechen, was hilfreich war und was man hätte anders machen können und welches die Konsequenzen für die nächsten Ferien sind. Wenn Sie es nicht tun, könnten Sie in die gleichen Fallen tappen. Sie befinden sich in der Phase der Reflexion.
ABB. 6 | PHASE DER REFLEXION |
Für die Wahrnehmung des Erfolges ist diese Reflexionsphase wichtig. Dadurch kann sich Selbstwirksamkeitserleben, ein wichtiger Motivationsfaktor, einstellen. Das Prozessmodell zeigt, dass das eigentliche Ziel nach dem Überschreiten des Rubikons in zyklischer Abfolge von Teilschritten erreicht wird.
ABB. 7 | PROZESSMODELL DER SELBSTREGULATIONnach Schmitz/Wiese und Heckhausen/Gollwitzer (Rubikon-Modell) |
Exekutive Funktionen als Grundlage für selbstregulatorische Prozesse
Uns als Erwachsenen erscheint ein solcher Prozessverlauf völlig logisch und normal. Das hat damit zu tun, dass wir die Abläufe gefühlt schon ein Leben lang umsetzen. Allerdings war dies alles nicht immer schon selbstverständlich, und wie gut wir darin geworden sind, hängt davon ab, wie stark unser exekutives System ausgeprägt ist. Für diese kognitiven Prozesse ist der Frontallappen des Hirns zuständig.
Diese Fähigkeiten, die für die Selbstregulation relevant sind, lassen sich vor allem in die drei Funktionen Arbeitsgedächtnis, Inhibition und kognitive Flexibilität einteilen.[43] Das Arbeitsgedächtnis ermöglicht die Vergegenwärtigung von Regeln, Arbeitsanweisungen und eigenen Zielsetzungen. Die Inhibition befördert dieses zielorientierte Tun durch die Regulierung von Emotionen: die Hemmung unerwünschter Impulse, die Steuerung der Aufmerksamkeitsprozesse und das Ausblenden von störenden Reizen. Die kognitive Flexibilität ermöglicht die Auswahl von Handlungsstrategien in wechselnden Situationen durch Einbeziehung von Fehlerauswertungen und Perspektivwechseln sowie bei abwägenden Reflexionsprozessen.
ARBEITS-GEDÄCHTNIS | INHIBITION | KOGNITIVE FLEXIBILITÄT | |
Funktionen | –Merkfähigkeit–Logisches, strategisches Denken–Ziele setzen, planen | –Frustrations-toleranz–Impulskontrolle–Aufmerksamkeits-lenkung | –Handlungs-verläufe reflektieren–Entscheidungs-findung–Kreatives Denken–Anpassungs-fähigkeit–Problemlöse-fähigkeit |
Beispiele von entsprechenden Leistungen im Schulkontext[44] | Ihre Schülerinnen und Schüler wissen, wo sie morgens ihre Jacken hinhängen, auf welchem Platz sie sitzen und welche Arbeitsmaterialien auf dem Tisch liegen sollen.Sie bringen unterschriebene Laufzettel von zu Hause mit, erinnern sich an die Arbeitsaufträge in der Stunde vollständig, erinnern sich auch in spannenden, emotionsgeladenen Situationen an die Regeln.Sie übernehmen das Tafelbild korrekt und zügig in ihre Notizen, aktivieren Vorwissen und erinnern Vokabeln, Formeln, Aufsatzverläufe usw.Sie planen zielorientiert und können Handlungs-strategien anwenden. | Ihre Schülerinnen und Schüler können Störreize von Tischnachbarn ausblenden.Sie
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