die zudem immer reflektiert erfolgen sollen, nicht zu unterschätzen. Sowohl die Wahl des Ausgangsproblems als auch die Entscheidung für die einzubeziehenden fachlichen Perspektiven sollten den Schülerinnen und Schülern eine zielführende Bearbeitung ermöglichen und beispielsweise zu viele nicht aufzulösende Widersprüche vermeiden, um Frustrations- und Überforderungserlebnisse zu verhindern.
Für die Beschreibung der Art und Weise, wie verschiedene Fachperspektiven systematisch vernetzt werden können, ist die Systematisierung Hubers (2000) hilfreich:
•«instrumentell: die Begriffe und Methoden eines Faches werden als bloße Hilfsmittel im anderen benutzt; insofern profitiert die Arbeit in diesem von Kenntnissen aus jenem. Beispiele: Hilfswissenschaften; Mathematik in vielfachen Varianten;
•komplementär: eine Sicht oder Erfahrung ergänzt die andere, z. B. wissenschaftliche und ästhetische Erfahrung;
•konzentrisch: mehrere Sichtweisen richten sich auf einen gemeinsamen Gegenstandsbereich (z. B. Raum, Epoche) oder einen Problembereich (z. B. Verkehrsplanung, Gesundheitsförderung, Umweltpolitik);
•kontrastiv oder dialogisch: eine Sicht oder Erfahrung widerspricht der anderen, relativiert sie; es geht um gegenseitiges Verstehen oder Übersetzen;
•reflexiv: mit Hilfe anderer Sichtweisen, die bewusst als solche eingenommen werden, wird die des anderen Faches (philosophisch, historisch, soziologisch) reflektiert» (Huber, 2000, 192).
Insbesondere die letzten beiden Formen entsprechen der Definition von fächerübergreifendem Unterricht nach Moegling (2012), da hier die Fächer und ihre spezifischen Perspektiven auf die zu erschließenden Phänomene reflektiert in Beziehung gesetzt werden. Es ist aber natürlich auch denkbar, dass die von Huber beschriebenen Formen innerhalb eines Unterrichtsverlaufs aufeinander folgen, das heißt, dass die zunächst aperspektivische, nichtreflexive Verknüpfung der Fächer mit der dann folgenden perspektivischen Verknüpfung gezielt verbunden wird. Dies kann sich gerade angesichts der oben angedeuteten Herausforderungen fächerkoordinierender Unterrichtsprojekte als sehr sinnvoll erweisen.
3.4.3Empirische Befunde: Herausforderungen und offene Fragen
Die begrifflichen und konzeptionellen Unbestimmtheiten des fächerübergreifenden Unterrichts wirken sich auch auf dessen empirische Erforschung aus, weil diese die Vernetzung und Vergleichbarkeit der Studien und ihrer Ergebnisse erschweren. Zudem liegen bisher nur wenige empirische Befunde zu Wirkung, Akzeptanz und Verlaufslogiken fächerübergreifenden Unterrichts vor. Zur Akzeptanz des fächerübergreifenden Unterrichts bei Schülerinnen und Schülern halten Herzmann et al. (2011) in einem Forschungsüberblick fest, dass einerseits in der Studie von Stübig et al. (2008; vgl. auch Stübig et al., 2006) die Lernenden in ihrer Selbsteinschätzung angeben, «durch die Kombination von mindestens zwei Fächern eine deutlichere Sicht auf die Problemzugänge und Arbeitsweisen der beitragenden Fächer erhalten zu haben» (Herzmann et al., 2011, 27). Zudem gehe aus der inhaltsanalytischen Auswertung der Gruppeninterviews hervor, dass die Schülerinnen und Schüler fächerübergreifenden Unterricht als bedeutsam erachten, weil er zu vertieftem Lernen sowie zu besseren Beziehungen innerhalb der Klasse, aber auch zu den Lehrenden führe (vgl. ebd.).
Andererseits konnte Rabenstein (2003) in einer Interviewstudie zum fächerübergreifenden Unterricht in der gymnasialen Oberstufe aufzeigen, welche Anforderungen fächerübergreifender Unterricht an die Lernenden stellt und wie unterschiedlich sie diesen Anforderungen begegnen:
«Während für die Schülerinnen und Schüler des Schülertypus A insbesondere die Diskussion fachlicher Perspektiven das hervorstechende Merkmal fächerübergreifenden Projektunterrichts ist, ist es für die Schülerinnen und Schüler des Schülertypus B primär wichtig, dass sie im fächerübergreifenden Projektunterricht lebensweltlich bedeutsamen Themen nachgehen können. Erst im zweiten Schritt haben sie die Unterschiedlichkeit der Fächer im Blick. Den Schülerinnen und Schülern des Schülertypus C hingegen gelingt es kaum, die Anforderungen an selbstständiges und fächerübergreifendes Arbeiten umzusetzen. Die Besonderheit dieser Unterrichtsform nehmen sie deswegen nicht wahr.» (Herzmann et al., 2011, 30; vgl. auch Rabenstein, 2003)
Die Untersuchung der spezifischen und differierenden Anforderungen an Schülerinnen und Schüler in fächerübergreifenden Lernarrangements ist folglich als eines der zentralen Forschungsdesiderate zu betrachten.
Hinsichtlich der Verlaufslogiken fächerübergreifenden Unterrichts resümieren die Autorinnen, dass «ein hohes Maß an Vielfalt und möglicherweise auch Unübersichtlichkeit der Umsetzungsformen fächerübergreifenden Unterrichts [zu] konstatieren» (ebd., 31) sei. Einblicke in die Umsetzung des fächerübergreifenden Unterrichts in der gymnasialen Oberstufe gibt die bereits erwähnte Studie von Stübig et al. (2008), in der 299 Lehrende von 117 gymnasialen Oberstufen in Hessen mittels eines Fragebogens Auskunft über Umfang, Gestaltung und die Herausforderungen der von ihnen realisierten fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten gaben. Auffällig ist, dass bei den beteiligten Fächern der Schwerpunkt im gesellschaftswissenschaftlichen und sprachlich-künstlerischen Bereich lag (vgl. Stübig et al., 2008, 384) und dass «23% aller fächerübergreifenden Unterrichtseinheiten von nur einer Lehrperson durchgeführt [wurden]» (ebd., 383). Hinsichtlich der von den Lehrenden benannten Probleme bei der Realisierung von fächerübergreifendem Unterricht zeigt sich folgendes Bild:
«Mit Abstand am häufigsten (28 % der Nennungen) wird über organisatorische Probleme berichtet (z. B. hinsichtlich der Stundenplangestaltung, des Kurssystems, der Klausurtermine oder mangelnder Unterstützung durch die Schulleitung). Weitere oft genannte Schwierigkeiten – hier in absteigender Nennungshäufigkeit aufgeführt – sind:
•der hohe zeitliche Vorbereitungsaufwand (auch in Verbindung mit der generellen Erhöhung der Arbeitszeit) (14 %),
•die mangelnde Teamfähigkeit und Innovationsbereitschaft der Kollegen (11 %),
•der Zeitmangel, insbesondere fehlende Unterrichtszeit (verursacht etwa durch Stoff- und Prüfungsdruck, häufige Klausurtermine oder Kürzungen in der Stundentafel) (10 %).» (Ebd., 386)
Trotz dieser Herausforderungen wird der fächerübergreifende Unterricht aber von den befragten Lehrerinnen und Lehrern auch und besonders im Vergleich mit dem Fachunterricht geschätzt: «Die Behauptung eines Zuwachses an überfachlichen Kompetenzen für Lernende im Vergleich zum Fachunterricht erfährt durchschnittlich moderate bis starke Zustimmung (M = 3,4). Ein gängiges Vorurteil gegenüber fächerübergreifendem Unterricht wird jedoch nicht bestätigt, dass nämlich im Vergleich zum Fachunterricht überfachlicher Kenntniszuwachs mit geringeren Fachkompetenzen erkauft würde (M = 2)» (ebd., 391).
Dass die Herausforderungen für fächerübergreifenden Unterricht in der Hauptschule sehr ähnlich gesehen werden, zeigt die Studie von Maier (2006), in der 21 Lehrerinnen und 18 Lehrer an Hauptschulen in der Region Schwäbisch Gmünd befragt wurden:
«Im Vordergrund einer kritischen Reflexion über fächerübergreifenden Unterricht stehen unterrichtsorganisatorische Schwierigkeiten und Probleme bei der kooperativen Planung. Dass die chronische Zeitknappheit auch in diesem Zusammenhang häufig erwähnt wird, mag ebenfalls nicht verwundern. Interessant und bedenklich ist, dass lernmethodische und didaktische Problemstellungen von den Hauptschullehrkräften kaum angesprochen werden. Gerade die entscheidende Frage nach der Vernetzung von Lerninhalten aus unterschiedlichen Fachperspektiven stellen sich nur die wenigsten Hauptschullehrkräfte.» (Maier, 2006, Abs. 53)
Die von Maier formulierte Kritik, dass die Frage nach der didaktischen Gestaltung fächerübergreifenden Unterrichts und insbesondere nach den Möglichkeiten der Vernetzung verschiedener fachlicher Perspektiven von den Lehrenden tendenziell ausgeblendet werde, verweist aber auch auf ein Forschungsdesiderat: Während für die gymnasiale Oberstufe insbesondere im Kontext des Bielefelder Oberstufen-Kollegs didaktische Modelle erarbeitet und diskutiert wurden und dabei vor allem die Zielsetzungen im Bereich der Wissenschaftspropädeutik eine Konkretisierung erfahren haben (vgl. z. B. Huber & Effe-Stumpf, 1994; Golecki, 1999), fehlen entsprechende