zu erweitern» (ebd., 126). Dabei soll (zumindest in einem ersten Schritt) auch wieder stärker an die Alltagserfahrung der Lernenden angeknüpft werden, die in der Regel nicht schon fachlich vorstrukturiert ist (vgl. ebd.).
Die fächerübergreifende Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Schlüsselproblemen ist ein zweites Ziel, das an das didaktische Konzept von Wolfgang Klafki anschließt:
«Angesichts der Tatsache, dass gesellschaftliche Problemlösungen nicht allein in fachspezifischen Expertisen begründet sein können, da gesellschaftliche Schlüsselprobleme, wie z. B. die Umweltfrage, die Frage nach kulturellen Differenzen, das Friedensproblem oder die Bekämpfung von Krankheiten, zu komplex, zu variabel und zu vielschichtig für rein fachliche Lösungen sind, müssen diese aus verschiedenen, miteinander zu vernetzenden Blickwinkeln betrachtet werden […]. Kritische Urteilsfähigkeit gegenüber einem komplexen Phänomen kann nur entstehen, wenn sich die Lernenden in Distanz zum Fachlichen setzen und das ins Auge gefasste Phänomen aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln betrachten und dessen Ergebnisse miteinander vernetzen und abwägend beurteilen.» (Moegling, 2012, 87, Hervorh. im Orig.)
Auch wenn durchaus kritisch diskutiert werden muss, was als Schlüsselproblem bestimmt werden kann beziehungsweise soll (vgl. Golecki, 1999, 23), ist die Notwendigkeit einer transdisziplinären oder zumindest mehrperspektivischen, das heißt einer verschiedene fachliche Zugänge vergleichenden und abwägenden Auseinandersetzung mit den komplexen Herausforderungen unserer Gesellschaft ohne Zweifel auch schon in der Schule anzubahnen.
Insbesondere mit Blick auf die gymnasiale Oberstufe wird schließlich als drittes Ziel des fächerübergreifenden Unterrichts eine zeitgemäße Wissenschaftspropädeutik genannt. Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu befähigt werden, «sowohl im Rahmen einer selbstgewählten Spezialisierung in elementarer Form gemäß den Methoden und Gütekriterien selbst wissenschaftlich zu arbeiten […] als auch an dem Austausch und der Verständigung zwischen unterschiedlichen ‹Fachkulturen› und mit Nichtexperten teilzunehmen» (ebd., 30 f., Hervorh. im Orig.). Dies setzt ein Bewusstsein der «fachspezifische[n] Konstruktion von Wirklichkeit» und auch der «historischen, sozialen, ökonomischen und philosophischen Bedingtheiten der Wissenschaften» (ebd., 31) voraus.
Dabei herrscht eine grundlegende Einigkeit darüber, dass sich Fachunterricht und fächerübergreifender Unterricht ergänzen müssen (vgl. Kranz, 2013, 41): «Fachunterricht ohne fächerübergreifenden Unterricht bleibt fragmentarisch, fächerübergreifender Unterricht ohne Fachunterricht steht auf tönernen Füßen» (Labudde, 2009, 331). Dies betont auch Moegling (2012): Fachunterricht und fächerübergreifender Unterricht «sollen allerdings nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern es soll die historische und kulturelle Bedeutung des Disziplinären, des zu den Fächern Geordneten anerkannt werden, die Fachlichkeit [soll] häufig sogar als Ausgangspunkt fachlicher Überschreitung angesehen werden» (ebd., 85; vgl. auch Tenorth, 1999, 205).
Dies gilt es auch mit Blick auf die aktuellen bildungspolitischen Entwicklungen zu bedenken: Die Einführung der Bildungsstandards und die bildungspolitische wie wissenschaftliche Fokussierung auf die in den Fächern zu erwerbenden Kompetenzen scheinen die eben entfalteten Perspektiven und Zielsetzungen des fächerübergreifenden Unterrichts zu vernachlässigen (vgl. Moegling, 2012, 82 f.). Dies gilt es kritisch zu verfolgen, wobei die Funktion der Bildungsstandards berücksichtigt werden muss: Sie beziehen sich auf die Kernbereiche des jeweiligen Fachs und wollen das Erreichen dieser als zentral erachteten Kompetenzen sichern. Sie stehen somit dem fächerübergreifenden Lernen nicht entgegen (vgl. Henkel, 2013, 70), lassen aber die Diskussion der Ziele und Realisierungsmöglichkeiten fächerübergreifenden Unterrichts umso notwendiger erscheinen.
Die Diskussion um den fächerübergreifenden Unterricht wird allerdings teilweise dadurch erschwert, dass eine eindeutige Begriffsdefinition bis heute fehlt: «Das Begriffswirrwarr bezüglich fächerübergreifenden Unterrichts und Interdisziplinarität ist gewaltig», stellt Labudde (2014, 14) fest, und Moegling (2012) ergänzt: «Häufig wird zwischen fächerübergreifendem, fächerverbindendem, fächerüberschreitendem, fächerintegrierendem etc. Unterricht unterschieden, ohne letztendlich eine inhaltlich vertretbare und trennscharfe Unterscheidung zu treffen» (ebd., 84). Die Notwendigkeit fächerübergreifenden Unterrichts wird zwar «inzwischen durch die Verankerung in zahlreichen Lehrplänen und Richtlinien unterstrichen» (Kranz, 2013, 41), gleichzeitig wird jedoch mit zum Teil unterschiedlichen Begrifflichkeiten operiert (vgl. auch Reinhold & Bünder, 2001, 334).
Im Folgenden soll auf die Begriffsbestimmung von Moegling (2012) Bezug genommen werden, da sie aus einer allgemeindidaktischen Perspektive heraus eine Rahmung für unterschiedliche Formen des fächerübergreifenden Unterrichts bietet, zugleich aber auch differenzierte Kriterien benennt, die sowohl eine Abgrenzung von anderen Konzepten als auch eine Einschätzung von Realisierungen fächerübergreifenden Unterrichts ermöglichen. Nach Moegling ist fächerübergreifender Unterricht:
«der didaktische Oberbegriff für alle Unterrichtsversuche, bei denen verschiedene Fachperspektiven systematisch zur Lösung eines Problems so miteinander vernetzt werden, dass ein thematisch-inhaltlicher Zusammenhang erkennbar wird, eine mehrperspektivische Analyse und Beurteilung gefördert werden und eine handlungsorientierte Problemlösung oder handlungsorientierte Problemlösungsalternativen aus verschiedenen Blickwinkeln heraus entwickelt werden können. Hierbei findet eine bewusste Reflexion von Fachperspektiven statt. Im Unterschied hierzu ist der Begriff des Überfachlichen auf Wissensbestände, Methoden und Fähigkeiten, die mehreren Fächern gemeinsam sind, wie z. B. Lesekompetenz oder Kooperationsfähigkeit, bezogen.» (Ebd., 85; Hervorh. im Orig.)
Damit ist eine sehr anspruchsvolle Bestimmung fächerübergreifenden Unterrichts vorgenommen worden, wie sich im Vergleich mit anderen Systematisierungsversuchen zeigt (vgl. auch Metzger, 2010; Labudde, 2003 und 2014). So unterscheidet Labudde (2003, 2009, 2014) in Anlehnung an Huber und Effe-Stumpf (1994) drei Typen des fächerübergreifenden Unterrichts, die sich vor allem auf unterrichtsorganisatorischer Ebene voneinander abheben (siehe Tab. 3.1).
Tabelle 3.1:
Typen von fächerübergreifendem Unterricht (angepasste Darstellung nach Labudde, 2009, 334)
Im fachüberschreitenden Unterricht liegt das unterrichtlich thematisierte Problem im Erkenntnisinteresse des Einzelfachs. Erkenntnisse anderer Fächer werden dabei als Ausgangspunkt oder zur Lösung des Problems herangezogen. Entscheidend ist vor allem, dass für die Lösung des Problems kein fachlicher Perspektivenwechsel notwendig ist. Fachüberschreitender Unterricht eignet sich insbesondere, um punktuell die Notwendigkeit des Einbezugs anderer Fächer sichtbar zu machen.
Bei fächerverbindenden Konzepten wird eine unterrichtliche Thematik / ein unterrichtlicher Aneignungsgegenstand zeitgleich in verschiedenen Fächern behandelt. Der gemeinsame Aneignungsgegenstand wird somit durch einzelfachliche Bearbeitungsstränge aus verschiedenen Perspektiven erschlossen. Aus diesem Grund eignet sich fächerverbindender Unterricht in besonderer Weise, um die Erkenntnis zu einem unterrichtlichen Thema zu vergrößern oder um für die Notwendigkeit der fächerübergreifenden Betrachtung zu sensibilisieren. Außerdem können hierbei gezielt Chancen und Grenzen einzelfachlicher Betrachtung aufgezeigt werden. Schließlich zeichnen sich fächerkoordinierende Unterrichtskonzepte dadurch aus, dass Ausgangsprobleme gewählt werden, die sich nicht (eindeutig) dem Erkenntnisinteresse eines einzelnen Fachs zuordnen lassen. Für die Lösung des Problems ist somit die Bearbeitung aus unterschiedlichen Fachperspektiven essenziell. Im Prozess der Problembearbeitung nehmen die Schülerinnen und Schüler gezielt unterschiedliche fachliche Perspektiven ein und setzen diese zueinander in Beziehung. Die reflektierte Relationierung der einzelnen fachlichen Erkenntnis für die gewählte Problemstellung wird zur zentralen Herausforderung für die Lernenden. Der Lösungsprozess eines fächerkoordinierenden Unterrichts verdeutlicht somit die Relevanz der beteiligten