Martin Kramer

Kommunikation sichtbar machen (E-Book)


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ist, kann die didaktischen Zwischenbemerkungen bei der ersten Lektüre überspringen. Um sie besser zu erkennen, werden sie mit einem grauen Hintergrund – wie hier – gekennzeichnet.

      Männliche und weibliche Schreibweise

      Von einem systemisch-konstruktivistischen Standpunkt aus betrachtet, gibt es keine objektiv «richtige» oder «falsche» Äußerung, weder verbal, nonverbal oder wie in diesem Buch schriftlich. Dennoch gibt es, ganz im Sinn des oben erwähnten Wertequadrats, verschiedene Sichtweisen und Einstellungen, und Autor und Verlag müssen sich entscheiden. Das ist nicht einfach, vor allem, wenn es um ein Buch über Kommunikation geht: Die einen sagen, dass weder die Wurst noch der Käse etwas Weibliches oder Männliches an sich hat. Eine ehemalige Lektorin von mir störte sich an der Dopplung «Lehrerinnen und Lehrer». Sie wollte ebenfalls ein «richtiger» Lehrer sein und nicht extra mit der Endung «-innen» aufgeführt werden. Auf der anderen Seite gibt es Frauen, die sich bei der Bezeichnung «Schüler» oder «Lehrer» nicht angesprochen oder gar ausgegrenzt fühlen.

      Als Theaterdidaktiker und Autor möchte ich in Rollen denken und aus einem grammatischen Geschlecht kein biologisches machen. Tatsächlich denke ich die weibliche Form auch nicht einfach mit, vielmehr habe ich, wenn ich «Leiter» schreibe, in meinem Kopf die Entscheidung für männlich oder weiblich noch gar nicht getroffen. Auf der anderen Seite möchte hep als führender Bildungsverlag der Schweiz verständlicherweise in der üblichen Bildungssprache publizieren.

      Das Beispiel zeigt deutlich, dass man nie einfach «richtig» kommunizieren kann, dass die Freiheit des eigenen Ausdrucks und der eigenen subjektiven Empfindsamkeit einen ebenso hohen Wert darstellt, wie eine gemeinsame Sprache zu finden, die ein stimmiges Miteinander ermöglicht.

      Mit dem Buch habe ich mich bewusst für den hep verlag entschieden, und so komme ich der Bitte nach, männliche und weibliche Schreibweisen oder Bezeichnungen, die geschlechtsneutral sind, zu verwenden. Sender, Empfänger, Hebamme, Aufsteller und Beobachter werden aus Gründen der Lesbarkeit als Fachbegriffe gesehen und beibehalten. Ich hoffe, dass alle Lesenden damit zufrieden sind. Aber wie immer ist das Geschriebene letztlich ein Machwerk des Empfängers.

      Eine Bitte des Autors

      Machen Sie es mit dem Buch wie mit dem aus Kommunikation bestehenden Leben. Machen Sie das, was Sie wirklich wollen, wo Ihre inneren Stimmen Sie hinführen: Verändern Sie, verwerfen Sie, experimentieren Sie und fügen Sie Dinge hinzu. Die Übungen wollen als Angebot verstanden werden, sie müssen nicht – ja sollen nicht – eins zu eins übernommen werden.

      Allein geht es nicht

      Es liegt in der Natur der Sache, dass es zur Kommunikation mindestens zwei braucht. Kommunikation ist eine Interaktion und lässt sich nicht im Sinn einer Handlung einer einzigen Person zuordnen, entsprechend ergibt es wenig Sinn, davon zu sprechen, dass jemand «gut kommunizieren» kann oder eine «gute Kommunikatorin» beziehungsweise ein «guter Kommunikator» ist – auch wenn das umgangssprachlich üblich ist. «Man kann nicht allein kommunizieren, handeln hingegen kann man alleine – das ist der Unterschied.»1

      Es ist auch nicht möglich objektiv das «Richtige» oder das «Falsche» zu sagen, stets hat der Empfänger mitzureden. Natürlich trägt der Sender wesentlich dazu bei, ob ein Gespräch glückt oder für Verstimmung sorgt. Ebenso, wie der Empfänger etwas beiträgt.

      Stimmige statt «richtige» Kommunikation

      Sie drücken einen bestimmten Knopf auf der Fernbedienung, und der Fernseher spielt das gewünschte Programm. Falls das nicht funktioniert, haben Sie den falschen Knopf gedrückt, oder am Fernseher ist etwas kaputt und muss repariert oder ausgetauscht werden. So «funktioniert» technische Kommunikation.

      Menschliche Kommunikation ist etwas völlig anderes. Hier entscheidet der Empfänger, was gesagt wurde.2 Die Botschaft ist ein Machwerk des Empfängers. Anders als bei der «technischen Kommunikation» ist der Empfänger nicht passiv empfangend, vielmehr konstruiert er die Wirklichkeit aus dem Gesagten aktiv.

      Modelle und Landkarten

      So einleuchtend und klar die Kommunikationsmodelle in den im Folgenden dargestellten Übungen erscheinen und so effektiv, wichtig und stark sie in der Anwendung sind: Sie sind mit Vorsicht zu genießen. Modelle sind nicht real. Man verwechsle daher nicht das Modell mit tatsächlicher Kommunikation: «Die Landkarte [das Kommunikationsmodell] ist nicht die Landschaft [Kommunikation], aber wenn die Landkarte in ihrer Struktur der Struktur der Landschaft ähnlich ist, ist sie brauchbar.»3 In der Realität gibt es kein Nachrichtenquadrat, kein Inneres Team, kein Riemann-Thomann-Modell und kein Wertequadrat. Menschen haben weder farbige Schnäbel noch vier Ohren. Wer es nicht glaubt, darf gerne nachschauen. Modelle sind «nur» Landkarten.

      Aber wer keine Landkarte hat, verirrt sich leicht. So erscheinen Kommunikationsmodelle als hervorragende Landkarten für soziale Systeme beziehungsweise das gemeinsame Miteinander.

      In diesem Abschnitt wird ein kurzer Überblick zu den hier behandelten Kommunikationsmodellen gegeben. Im jeweiligen Kapitel werden diese dann schrittweise beschrieben.

      Konstruktivismus und Systemtheorie

      Beide Theorien, der Konstruktivismus und die Systemtheorie, sind eng mit der Theorie der Kommunikation verknüpft und stellen die Hintergrundfolie aller Kommunikationsmodelle dar.

      Der radikale Konstruktivismus besagt, dass wir die Dinge nicht direkt wahrnehmen können. Die Existenz der Welt wird dabei nicht geleugnet, nur gibt es keinen direkten Zugriff auf sie. Das gilt auch für das Empfangen einer Nachricht. Diese ist stets ein Konstrukt der Hörenden, ein Machwerk des Empfängers. Es gibt keine Schnittstelle zwischen Sendendem und Empfangendem. Noch mehr: «Die Übertragungsmetapher ist unbrauchbar, weil sie zu viel Ontologie impliziert. Sie suggeriert, dass der Absender etwas übergibt, was der Empfänger erhält. […] Die Mitteilung ist aber nichts weiter als ein Selektionsvorschlag, eine Anregung.»4 Alles, was im Gehirn passiert, ist stets eine Eigenleistung des Systems.

      Die Systemtheorie besagt, dass es in sozialen Systemen unmöglich ist, eine Sache isoliert zu betrachten. Eine Äußerung isoliert und losgelöst von ihrem Kontext zu betrachten, ergibt keinen Sinn. Insbesondere kann Kommunikation, wie gesagt, als eine Handlung nicht einer einzigen Person zugeschrieben werden.

      Das erfordert ein radikales Umdenken. Der Erfolg der Naturwissenschaft und Technik bestand in der Vergangenheit genau in dieser Abstraktion, in der isolierten Betrachtung. Die Biologie hat als erste Disziplin die Umwelt einbezogen. Ein Beispiel: Eine Katze hört auf, eine Katze zu sein, wenn sie isoliert im freien Weltraum untersucht wird. Hilfreich ist das Modell eines Mobiles (siehe Abbildung unten). Wenn ein Element entfernt, verrückt oder verändert wird, hat das Auswirkungen auf das ganze System. Im später behandelten Modell des Wertequadrats und bei äußeren und inneren Aufstellungsarbeiten ist die systemische Sichtweise offensichtlich.

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      Nachrichtenquadrat

      Wenn wir miteinander in Kontakt treten, brauchen wir einen Draht zueinander. Eine Idee von Friedemann Schulz von Thun ist, dass der Draht aus vier Einzeldrähten besteht beziehungsweise der Querschnitt «quadratisch» ist. Jede Nachricht besteht demnach aus vier verschiedenen Botschaften. Eine Sach- und eine Beziehungsbotschaft, eine Selbstoffenbarung und einen Appell. Alle vier Botschaften sind gleichberechtigt zu einem Quadrat angeordnet.

      Das angestrebte Ziel ist das integrale Hören einer Nachricht, also das Wahrnehmen aller vier Botschaften. Mit