gerecht werden zu können.
Solche schulinterne Ressourcen sehen wir zum einen in sachgerechten und gesundheitsfreundlichen Arbeitsbedingungen an Ihrer Schule. Damit sind nicht Klassengrößen, Stundenkontingente usw. gemeint, die Sie nicht verändern können, sondern organisatorische, strukturelle Arrangements, die Sie intern regeln können, z. B. Unterrichtsorganisation, Zeitmanagement, Informationspolitik.
Zum anderen und vor allem halten wir psychosoziale Kompetenzen – wir nennen sie auch «psychosoziale Leistungsvoraussetzungen» – für die entscheidenden individuellen und kollegialen Energiequellen, um die komplexen Anforderungen des Lehrerberufs bewältigen zu können. Darunter verstehen wir u. a. wertschätzende Interaktion und Kommunikation, effiziente Kooperation und Teamarbeit, konstruktives Konfliktmanagement, aufbauende Feedback-, Kritik- und Fehlerkultur, Dankbarkeit und Anerkennung, transparente Partizipation, gemeinsame Leitbilder und ein für alle verbindliches Schulethos.
Das sind eigentlich selbstverständliche Voraussetzungen für eine gute gesunde Schule. Allerdings werden sie im täglichen Betrieb wie auch im Privatleben permanent strapaziert. Deswegen bedürfen diese psychosozialen Ressourcen der ständigen Wartung. Lehrpersonen und Kollegien, die diese psychosozialen Ressourcen erkennen, pflegen und fördern, erleichtern ihren Alltag, stärken ihre Leistungsfähigkeit und sichern ihre Berufszufriedenheit und Gesundheit. Ähnlich wie in anderen anspruchs- und verantwortungsvollen Berufen, etwa bei Piloten, sollten auch im Lehrerberuf die entscheidenden Kompetenzen immer wieder aufgefrischt und trainiert werden. Das ist im Selbstverständnis von Lehrerinnen und Lehrern unstreitig, was die unterrichtsfachlichen Befähigungen angeht. Weniger einvernehmlich wird das in Bezug auf die psychosozialen Leistungsvoraussetzungen gesehen. Diese müssen aber noch mehr als die Fachkenntnisse gewartet und gepflegt werden. Denn ihre Vernachlässigung macht sich in der Schule mit besonderer Breitenwirkung bemerkbar. Schließlich wird Schule nicht in erster Linie durch Mathematik, Deutsch, Kunst und Biologie konstituiert, sondern durch die Art und Weise, wie Interaktion und Kommunikation, Kooperation und Feedback, Partizipation und Schulethos individuell und kollegial gehandhabt werden, d. h. vor allem durch das Miteinander.
Paradoxerweise besteht auch dann ein Risiko, wenn sich diese psychosozialen Leistungsvoraussetzungen an einer Schule auf einem hohen Niveau befinden. Zu schnell geraten sie als Selbstverständlichkeit aus dem Blick und bekommen – wie in einer alten Beziehung – nicht die pflegliche Aufmerksamkeit, die zu ihrem Erhalt notwendig wäre. Deswegen sollte es zu den Ritualen eines Kollegiums gehören, immer wieder mal innezuhalten und sich der schulinternen Ressourcen zu vergewissern.
•Welche dieser psychosozialen Ressourcen sollten an Ihrer Schule vorrangig gestärkt werden? |
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•Auf welche Ressourcen können Sie sich gut verlassen? |
•Welche Belastungsfaktoren sollten endlich angegangen werden? |
Jedes Mitglied der Schulgemeinschaft, vor allem die Schulleitung, aber auch die Eltern- und Schülerschaft müssen ein Interesse an permanenten «Wartungsarbeiten» dieser Ressourcen für eine gute, gesunde Schule und zum Erhalt von Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Arbeits- bzw. Berufszufriedenheit haben. Einer Schule ist es ja nicht möglich, wie bei einem sanierungsbedürftigen Gebäude, den Betrieb eine Weile zu schließen, um Fehlentwicklungen oder Vernachlässigungen zu korrigieren. Die Pflege muss bei laufendem Betrieb erfolgen, das Trainingsfeld ist der tägliche Umgang miteinander. Damit soll jetzt nicht zusätzlicher Leistungsdruck erzeugt werden, wohl aber eine Sensibilität, diese Kompetenzen im Alltagsgeschäft zu beachten und zu pflegen.
Dieses Buch bietet eine Fülle von Anregungen zur individuellen und kollegialen Stärkung dieser psychosozialen Leistungsvoraussetzungen. Dabei empfehlen wir, sich nicht unrealistisch auf das Wünschbare zu konzentrieren, sondern zunächst das Machbare anzugehen, auch wenn das vielleicht desillusionierend ist. Wir stellen uns vor, dass die Leserinnen und Leser für sich persönlich und mit Blick auf ihr Kollegium prüfen, wo ein objektiver Entwicklungsbedarf oder ein Entwicklungsbedürfnis besteht. Nicht minder wichtig ist uns, dass auch Bereiche identifiziert werden, in denen gute und zufriedenstellende Bedingungen bestehen; daraus kann man Ermutigung und Kraft ziehen.
Sofern Interesse geweckt wird, sehen wir folgende Wege, sich mit den psychosozialen Ressourcen kollegial näher zu befassen:
•Ein Kollegium beschließt, eine gemeinsame Fortbildung zu veranstalten (pädagogischer Tag, Studientag …), z. B. zum Thema «wertschätzende Kommunikation». Damit sich möglichst viele an vertiefendem Transfer in den normalen Alltag beteiligen, sollten Themen ausgewählt werden, von denen sich das Kollegium eine besonders positive Wirkung verspricht. Vielleicht entwickelt sich daraus ein längerer Prozess mit externer Unterstützung/Beratung/Supervision/Coaching …, z. B. durch Schulpsychologische Dienste. Denn psychosoziale Kompetenzen wie Teamarbeit lassen sich nicht so einfach erwerben; sie brauchen Übung, Hilfe, Korrektur, und sie müssen gegen Widerstand und Bequemlichkeit behauptet werden.
•Einige Lehrpersonen finden sich zusammen, um für sich selbst, aber mit Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen die ein oder andere Kompetenz zu verbessern, z. B. Feedback-Geben und -Nehmen. Wir sprechen hier von «Start-ups» oder anderen kollegialen Lernformen (Supervision, Kollegiale Fallberatung, KESS[1]). Wenn diese Gruppe für sich zufriedenstellende Ergebnisse und Sicherheit erreicht hat, könnte sie ihre Erfahrungen als Anregung in das Kollegium tragen und weitere Interessenten suchen.
•Mitglieder von Schulleitungen tun sich zusammen, um ihre Führungskompetenz zu verbessern, z. B. in Sachen Partizipation, Kooperation.
Viele Entwicklungsanliegen können engagierte Kolleginnen und Kollegen in Eigenregie bewältigen; manchmal braucht es externe Spezialisten für besondere Diagnosen und unterstützende Maßnahmen. Beginnen Sie mit dem, was Ihnen für Ihre Schule sinnvoll, notwendig und erfolgversprechend erscheint. Das ein oder andere kann man auch gleichzeitig und unabhängig voneinander in Angriff nehmen.
Darüber hinaus steht es selbstverständlich jedem frei, sich mithilfe unserer Anregungen selbstgesteuert weiterzuentwickeln (→ Kapitel 9; siehe dazu auch Sieland & Heyse, 2010; Heyse, 2011, 2016).
Hinweis: Lassen Sie sich Zeit beim Lesen! In den Kapiteln streuen wir immer wieder themenbezogene Denkanstöße ein, mit denen man auch im Kollegium nach praktikablen Verbesserungsmöglichkeiten suchen kann. Wir regen die Leserinnen und Leser an, jede/n einzelne/n und als Kollegium, die Gedanken in diesem Buch immer wieder unter der Perspektive zu reflektieren, wie die jeweiligen Themen an ihrer Schule gehandhabt werden und welche Erfahrungen sie damit machen. Sie könnten sich bei jedem Kapitel fragen: «Was davon sollten wir nutzen, um unsere Schule qualitativ auf einem guten Stand zu halten und um gesundheitsfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen?» – «Wo stehen wir schon gut da, wo sollten wir nacharbeiten?» – «Wie können wir davon profitieren, um unsere internen Ressourcen zu stärken, unsere Leistungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Arbeitszufriedenheit zu fördern und unnötige Belastung für uns und die Schülerschaft zu reduzieren?» |
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Kapitelübersicht
Die Abbildung 1 zeigt eine Übersicht über die Kapitel des Buches.
Abbildung 1: Kapitelübersicht
Hinweis: Kapitelübersicht und Arbeitshilfen |
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In den ersten beiden Kapiteln geht es darum, wie Schulen auf die Herausforderungen antworten, die der Wandel in der Gesellschaft und im Umfeld von Schulen mit sich bringt, und unter welchen Bedingungen ihnen das mithilfe von Projekten und dgl. gut gelingen könnte. |
In weiteren Kapiteln widmen wir uns acht Themenfeldern bzw. schulinternen Ressourcen, die wir für eine erfolgreiche und gesundheitsfreundliche Erledigung der Tagespflichten und der Mitarbeit an Veränderungsprojekten
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