Grundorientierungen. Das wiederum führt vielfach zu Auseinandersetzungen über den «richtigen» Weg und die «richtige» Art und Weise, Schule zu gestalten.
In vielen Kollegien wird (oft hinter vorgehaltener Hand) über vermeidbare Energieräuber geklagt. Häufig betrifft dies das Verhältnis von Kollegium und Schulleitung. Das bezieht sich nach unserer Erfahrung vor allem auf ein wenig sach- und personengerechtes Management. Die Autoren wissen aus vielfachen Befragungen anlässlich schulinterner Fortbildungsveranstaltungen, dass diesbezüglich einiges im Argen liegt, z. B. Konferenzen, Vertretungspläne, Unterrichtsorganisation, Unterrichtseinsatz, materielle und technische Arbeitsbedingungen, aber auch unerfreuliche Kooperation und Interaktion im Kollegium und mit der Schulleitung. Kollegien sehen sich dadurch ärgerlichen Erschwernissen und vermeidbaren psychischen Anstrengungen ausgesetzt. Diese «daily hassles» stellen eine unnötige emotionale Beanspruchung dar und verschlingen Zeit und Bewältigungsenergie. Das sind keine förderlichen Ausgangsbedingungen für die Übernahme zusätzlicher Arbeitsbelastung, wie sie in der Regel mit Schulentwicklungsarbeit verbunden ist.
Lehrpersonen als Entwicklungsbeauftragte
Ein großer Teil dieser schulinternen Erwartungen lässt sich in eigener Regie erfüllen, wenn sich jeder als mitverantwortlicher Entwicklungsbeauftragter für die Schule versteht und nicht darauf wartet, dass ein «deus ex machina» auftaucht, der alles zufriedenstellend regelt. Es gibt zudem keine generelle Lösung, die für alle Schulen passend und befriedigend wäre. Insofern müssen Schulen großenteils ihren eigenen Weg finden, auf den Wandel zu antworten.
Die wenig befriedigenden externen Rahmenbedingungen, unter denen die meisten Schulen arbeiten müssen – und damit sind nicht nur marode Gebäude gemeint, auch personelle Engpässe, Verwaltungsaufgaben, kleinliche Vorschriften etc. –, erschweren es zwar, sich mit dem Machbaren abzufinden, wenn das Wünschbare so unverzichtbar erscheint. Dennoch sollte man zum Schutz der eigenen Psyche vor Resignation das täglich Mögliche in Angriff nehmen und sich an Erfolgen erfreuen, statt sich gelähmt nach dem Unmöglichen zu sehnen. Damit Grübeln und schlechtes Gewissen nicht dominieren, braucht es den Mut zur Unvollkommenheit.
•Welche der beschriebenen Herausforderungen erleben Sie im Berufsalltag? Gibt es in Ihrer Schule Innovationsbedarf, der endlich adressiert werden sollte? |
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•Welche Herausforderungen können Sie gut in Eigenregie bewältigen, welche belasten und überfordern Sie, welchen verweigern Sie sich bzw. welche ignorieren Sie? |
•Wo sehen Sie Ansatzpunkte für schulinterne Verbesserungen der Arbeitsbedingungen? |
1.2 Innovation und Schulentwicklung – eine Anforderung an das berufliche Selbstverständnis
Die Kulturministerkonferenz in Deutschland (KMK) hat in den «Standards für die Lehrerbildung» (2014) Kompetenzen formuliert, die für die berufliche Ausbildung und den Berufsalltag von Lehrpersonen in Deutschland von besonderer Bedeutung sind. Demnach sollen Lehrkräfte: unterrichten und erziehen, beurteilen und innovieren.
Im Folgenden beschränken wir uns auf den Kompetenzbereich «Innovieren» und sprechen alle Lehrpersonen und Schulleitungen als «Entwicklungsbeauftragte» ihrer Schulen an. Dabei liegt unser Fokus auf der Stärkung der schulinternen Ressourcen.
Die KMK hat in Bezug auf «Innovieren» Pflichtaufgaben mit zugehörigen Kompetenzen formuliert, die im Folgenden zusammengefasst werden.
Berufliches Selbstverständnis
Zunächst wird das berufliche Selbstverständnis angesprochen:
•Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst.
•Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung.
•Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe.
•Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben.
•Entsprechen diese Leitsätze Ihrer gelebten Berufspraxis? |
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•Gibt es dazu einen Grundkonsens in Ihrem Kollegium? |
Befähigungen
Auf einer zweiten Ebene werden Befähigungen formuliert, die für die Weiterentwicklung der Schule und für die Pflege der internen Ressourcen unabdingbar sind:
Lehrpersonen …
•lernen, mit Belastungen umzugehen;
•setzen Arbeitszeit und Arbeitsmittel zweckdienlich und ökonomisch ein;
•praktizieren kollegiale Beratung als Hilfe zur Unterrichtsentwicklung und Arbeitsentlastung;
•reflektieren die eigenen beruflichen Haltungen, Erfahrungen und Kompetenzen sowie deren Entwicklung, und können hieraus Konsequenzen ziehen;
•nutzen Erkenntnisse der Bildungsforschung für die eigene Tätigkeit;
•dokumentieren für sich und andere die eigene Arbeit und ihre Ergebnisse;
•geben Rückmeldungen und nutzen die Rückmeldungen anderer dazu, ihre pädagogische Arbeit zu optimieren;
•nehmen Mitwirkungsmöglichkeiten wahr;
•kennen und nutzen Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrkräfte;
•nutzen individuelle und kooperative Fort- und Weiterbildungsangebote;
•wenden Ergebnisse der Unterrichts- und Bildungsforschung auf die Schulentwicklung an;
•nutzen Verfahren und Instrumente der internen Evaluation von Unterricht und Schule;
•planen schulische Projekte und Vorhaben kooperativ und setzen sie um.
Diese Befähigungen sind zur Professionalität des Lehrerberufs und für den Erhalt des State of the art in allen schulischen Kernaufgaben hilfreich, wenn nicht selbstverständlich.
•Sind Sie von den Forderungen überrascht? •Welche dieser Befähigungen ist Ihnen besonders wichtig – um welche sollten Sie sich bewusster kümmern? •Welche werden in Ihrem Kollegium akzeptiert, praktiziert, und welche werden eher ignoriert? |
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Kenntnisse
Darüber hinaus hält die KMK eine Reihe von Kenntnissen für effektive Entwicklungsarbeit für erforderlich:
Lehrpersonen …
•kennen die Grundlagen und Strukturen des Bildungssystems und von Schule als Organisation;
•kennen die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit (z. B. Grundgesetz, Schulgesetze);
•reflektieren ihre persönlichen berufsbezogenen Wertvorstellungen und Einstellungen;
•kennen wesentliche Ergebnisse der Belastungs- und Stressforschung.
•kennen Methoden der Selbst- und Fremdevaluation;
•rezipieren und bewerten Ergebnisse der Bildungsforschung;
•kennen organisatorische Bedingungen und Kooperationsstrukturen an Schulen;
•kennen und reflektieren den spezifischen Bildungsauftrag einzelner Schularten, Schulformen und Bildungsgänge;
•kennen Ziele und Methoden der Schulentwicklung;
•kennen die Bedingungen für erfolgreiche Kooperation.
Wir verstehen diese Qualifikationen nicht allein als individuelle Verpflichtung; wir betrachten sie als systemische Voraussetzung auf Kollegiumsebene