Verhalten man von ihnen erwartet? Ist ihnen bewusst, was sie von sich selbst, den Mitschülern und den Lehrpersonen erwarten? Haben sie ein motivierendes Leitbild für sich selbst? Welche Formen von Partizipation stärken ihre Zufriedenheit und Verantwortungsübernahme? Brauchen die klasseninterne Kooperation, Interaktion und Kommunikation neue Impulse? (→ Abbildung 2)
•Finden Sie es nach den Orientierungsfragen wichtig, den angesprochenen Ressourcenbereich zu verbessern? Tragen Sie im Spinnennetz von Abbildung 2 ein: 0 = unwichtig, 1 = eher unwichtig, 2 = eher wichtig, 3 = sehr wichtig. |
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Abbildung 2: Spinnennetzdiagramm für Entwicklungsbedarf/-bedürfnis für Sie selbst oder für Ihre Schule
Auswertung des Spinnennetzdiagramms
Themenbereiche, bei denen Sie wenig Verbesserungsbedarf sehen (0), können Sie als Ressource betrachten, als verlässliche Aktivposten für Ihre Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit. Andere, bei denen Sie Verbesserungen als sehr wichtig (3) einschätzen, dürften von besonderem Interesse sein und in den Fokus für Veränderungen rücken.
Wenn ein Kollegium oder Gruppen im Kollegium unseren Appell aufgreifen, kann es bzw. können sie mit der Arbeitshilfe 0.1 selbst die Schwerpunkte setzen.
Allerdings empfehlen wir, nicht unbedingt mit dem Bereich anzufangen, in dem Sie die größten Defizite sehen. Dort könnte ein sichtbarer Effekt möglicherweise länger auf sich warten lassen; das entmutigt und schwächt die Veränderungsmotivation sowie das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Andererseits kann es auch Sinn machen, auf dem Gebiet Fortschritte zu erarbeiten, auf das möglichst viele ihre Hoffnung setzen.
Lehrpersonen bzw. Kollegien, die sich erstmals an die Verbesserung kollegialer psychosozialer Kompetenzen herantrauen, empfehlen wir, das zunächst im Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern zu erproben, bevor sie risikoreiche Versuche im Kollegium beginnen.
Bevor Sie in die Themen einsteigen, regen wir an, eine Übersicht anzulegen: •Welche Veränderungsmaßnahmen fangen derzeit an Ihrer Schule an oder sind geplant? An wen richten sich diese Projekte? •Welche Wünsche haben die Schulleitung und die Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die Projekte? •Was macht dabei Probleme und was geht gut? •Mit welchen Belastungen sind die Projekte verbunden? •Welche positiven und negativen Folgen erwarten Sie für die Qualität Ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit? •Welche Konsequenzen für die Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit der Lehrkräfte und der Mitglieder der Schulleitung sind zu erwarten/erhoffen/befürchten? (Arbeitshilfe 0.2). |
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Kapitel 1 Auf den Wandel antworten
Schulisches Handeln bedeutet auch eine ständige Auseinandersetzung mit neuen Situationen. Viele Lehrpersonen müssen sich noch immer täglich im 45-Minuten-Takt auf andere Klassen einstellen. Dazu kommen regelmäßig neue Generationen von Lehrenden und Lernenden, Mangel an Lehrpersonen, neue Schulleitungen mit neuen Ideen, regionale Veränderungen, «reformierte» pädagogische Orientierungen, gesellschaftliche und politische Veränderungen und manches andere mehr.
1.1 Herausforderungen
Herausforderungen durch Erwartungen der Gesellschaft
Gesellschaftliche Umbrüche (z. B. Migration, Inklusion) und Umschwünge in der öffentlichen Meinungsbildung (z. B. in Deutschland G8/G9) oder auch (nur) Politikwechsel auf Bundes-, Kantons- oder Landesebene ziehen oft bildungspolitisch verordnete Innovationen nach sich. Üblicherweise werden den Schulen die für die Umsetzung erforderlichen externen Ressourcen jedoch nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung zugewiesen. Deswegen baut man stillschweigend auf den Idealismus der Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitungen – und die Geduld der Eltern.
Dennoch muss sich Schule den ministeriellen/schulaufsichtlichen Entscheidungen stellen. Ihre Antwort besteht in der Regel darin, angeordnete Maßnahmen soweit auszuführen, wie es ihre personellen, materiellen, räumlichen Möglichkeiten erlauben. Das verursacht bei vielen Lehrpersonen das Gefühl von «Nicht-Gerecht-Werden» und Unzulänglichkeit, auch Ohnmacht, was sich erheblich auf ihre Gesundheit und Arbeitsqualität auswirkt.
Herausforderungen durch Erwartungen der schulischen Interaktionspartner
Daneben gibt es zahlreiche Anlässe, als Schule und Kollegium auf Auflagen der Schulaufsicht und des örtlichen Schulträgers, auf Veränderungen im kommunalen Umfeld und auf Interessen und Erwartungen der Schülerschaft und der Eltern reagieren zu müssen. Die Forderungen werden mitunter sehr pointiert mit Unbedingtheitsanspruch vorgetragen, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu bedenken. Nicht immer ist die andere Seite ihrerseits bereit, korrespondierende Ansprüche an sich selbst zu richten und einzulösen. Elternvertreter sind da schnell bei der Hand, auch mit Vorhaltungen bei Nichterfüllung der Forderungen. Das kann erheblichen Druck auf die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer bewirken. Schulleitungen und Lehrpersonen verspüren täglich diese Herausforderungen für ihre Leistungsfähigkeit.
Herausforderung durch eigene Erwartungen
Ohnehin stehen Schulen oft vor internen Problemen, die sie nicht oder nur teilweise allein lösen können. Da sind z. B. das Verhalten und die familiäre Erziehung oder materielle Not mancher Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich weniger Hektik durch den 45-Minuten-Takt und Nebenpflichten, aber mehr Zeit für die Belange der Schülerschaft, für Gespräche und Beratung, Spielraum für das Ausprobieren neuer Methoden und Erkenntnisse – etwa in kleinen Teams («Start-ups») nach Fortbildungen – und Nischen für kreative Angebote an die Schülerinnen und Schüler.
Lehrpersonen spüren starken emotionalen Belastungsdruck. In ihrem täglichen Umgang mit Schülerinnen und Schülern müssen sie immer wieder spontan empfundene negative Emotionen überzeugend unterdrücken oder positive Gefühle innerlich herstellen und glaubhaft zeigen – auch wenn sie zunächst eigentlich das Gegenteil empfinden.
Sie müssen lernen, ihre Grenzen zu akzeptieren und so scheitern zu können, dass weder sie selbst daran zerbrechen noch andere darunter leiden. Vielfach reichen die Kräfte gerade noch für den Unterricht und was damit zusammenhängt; für zusätzliche Entwicklungsarbeit ist wenig Reserve vorhanden. Dafür hoffen sie auf Verständnis und Rücksichtnahme.
Deswegen bestehen seitens der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer auch große Erwartungen an die Schulleitung und das Kollegium, die Arbeitsbedingungen an der Schule gemeinsam so auszugestalten, dass sie unterstützend wirken, um die Anforderungen qualitativ gut und gesundheitserhaltend bewältigen zu können. Denn allein schon wie innerschulische Abläufe organisiert sind, wie ein Kollegium miteinander umgeht und gemeinsam Widerstände und Hindernisse überwindet, wirkt sich unmittelbar auf die individuelle Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit und am Ende auch auf die Gesundheit aus.
Auch schulinterne Veränderungsprozesse stellen Schulen und Kollegien vor Herausforderungen. Alters- oder krankheitsbedingt scheiden viele erfahrene Lehrpersonen aus. Damit gehen den Schulen Know-how, auch Gelassenheit, Engagement und Routinen verloren, was sich jüngere Lehrpersonen erst erarbeiten müssen – nach dem Motto: Die Jungen sind zwar schneller, aber die Alten kennen die Abkürzungen. Das fällt insbesondere ins Gewicht, weil derzeit starke Einstellungsjahrgänge der 70er- und 80er-Jahre in den Ruhestand gehen. Diese Generationenwechsel bedeuten auch eine Beanspruchung psychosozialer Ressourcen der Kollegien, vor allem in Bezug auf Interaktion und Kommunikation, Kooperation, Feedback-Kultur, Schulethos.
Herausforderung für die Schulleitung
Dieser Wandel betrifft ebenso die Schulleitungen. In Deutschland fehlen derzeit viele Hundert Schulleiterinnen und Schulleiter, vor