Группа авторов

Gestalt-Traumatherapie


Скачать книгу

Fürsorge und Missbrauch bei ein und derselben Bezugsperson eine emotionale Spaltung auf, bei der zwei separate Schemata für jede der beiden Arten der Beziehung gebildet werden. Das Selbst wird somit in Beziehung zu dieser Person in zwei unterschiedliche Selbstorganisationen gespaltet. Durch diese Organisation in verschiedene »Teilselbste« entsteht eine dissoziative Störung. Durch unterschiedliche Hinweisreize können dann unterschiedliche Selbstorganisationen aktiviert werden. Dabei werden Gut und Böse strikt voneinander getrennt. Es können auch komplementäre Rollen wie die des Opfers und des Täters oder des Verführers und des Verführten entstehen und völlig unabhängig voneinander aktiviert werden, oder die Betreffenden dissoziieren ihre emotionale Erfahrung völlig. Greenberg, Rice & Elliott beschreiben sechs Verarbeitungsprobleme, wobei für Traumabetroffene insbesondere folgendes Schema relevant ist: »(…) die automatische Aktivierung von Schemata, die bei unaufgelösten und traumatischen Erfahrungen mit anderen Menschen eine Rolle gespielt haben, wodurch die betroffenen Klienten ständig von einem negativen Gefühl gegenüber einer wichtigen Bezugsperson begleitet werden« (ebd., 140).

      Kontakt – Dialog

      Die durch Bubers Einfluss geprägte dialogische Ausrichtung der Gestalttherapie ist eine essentielle traumatherapeutische Qualität. Erfahrungen werden in innere Dialoge, Beziehungs- und Kontaktfiguren geformt. Entstellte und deformierte Kontaktgestaltung und Kontakterfahrung sind die Folge von Traumata (Butollo, Krüsmann & Hagl, 117). Therapeutische Methoden der Stuhlarbeit und des Dialoges können helfen, die massiv geschädigte Kontaktgrenze und damit auch Selbstgrenze wieder zu flexibilisieren und den aktuellen Motiven und Handlungsmöglichkeiten der Person anzupassen.

      Support

      Das stete Bewusstsein der Notwendigkeit von support ist eine gestalttherapeutische Grundkomponente. Diese ressourcenorientierte Haltung begreift support in erster Linie als Selbstunterstützung, aber auch Fremdunterstützung. Lore Perls formulierte es so: »Unter ›Stützung‹ (support) verstehe ich nur zum geringsten Anteil die Fürsorge und Ermutigung, die durch meine Gegenwart und mein Interesse gewährleistet ist, sondern die Stützen, auf die der Patient (oder auch Therapeut!) sich in sich selbst verlassen kann oder die ihm fehlen. Stütze beginnt mit der primären Physiologie wie Atmung Blutkreislauf und Verdauung, schreitet fort mit der Entwicklung der Hirnrinde, dem Einschließen der Zähne, mit Sensitivität und Beweglichkeit, aufrechter Haltung, Sprache und Sprachgebrauch, Gewohnheiten und Sitten und sogar ganz besonders den Hemmungen und Blocks, die ursprünglich als Stützfunktion gebildet wurden.« (Perls 1989, 110)

      Offene Gestalt, Figur/Hintergrund

      Für viele traumatherapeutisch tätige Gestalttherapeuten bleibt bei traumatischen Erfahrungen eine offene Gestalt. Der Begriff der offenen Gestalt wurde durch die Lewinschülerin Zeigarnik im Rahmen willenspsychologischer Untersuchungen Lewins entwickelt. Er charakterisiert das Bestreben eine unterbrochene Handlungssequenz abzuschließen. Fritz Perls prägte diesen Begriff um als unfinished business für im aktuellen Geschehen wirksame Einflüsse unverarbeiteter vergangener Beziehungserfahrungen. Nach einem Trauma kann die Erfahrung, d.h. die Figurbildung nicht abgeschlossen werden. Die unabgeschlossene Figur resultiert aus dem (bislang) unzureichenden Grund, der die hinreichenden Prozesse, Strukturen und Erfahrungen zur Verarbeitung dieses Ereignisses im Moment seines Erlebens nicht zur Verfügung stellen konnte. Die Bereitstellung ausreichender äußerer und innerer Stützung ermöglicht es den Figurbildungsprozess abzuschließen.

       Modell gestalttherapeutischer Traumaarbeit

      Der gestalttherapeutische Umgang mit Konflikten ist aktiv und offensiv. Ziel ist, es den Konflikt so bewusst und offen durchleben zu können, dass er für das Selbst eine Wachstumsmöglichkeit bietet. Als pathologisch wird die Verdrängung, das Erstarren, die Unterdrückung des Konfliktes gesehen. Dies wurde für neurotische Konflikte am Beispiel der Ohnmacht eines Kindes gegenüber dem übermächtigen Erwachsenen beschrieben. Kann nun dieses Modell auch zur Bewältigung von posttraumatischen Belastungsstörungen herangezogen werden? Hier erscheint es ja gerade sinnvoll zu verdrängen, zu vergessen, nicht zu spüren. Hat hier das gestalttherapeutische Modell seine Grenzen gefunden? Es lässt sich dagegen einwenden, dass die klassische beschriebene Ohnmachtssituation auch die zu Grunde liegende Erfahrung einer traumatisierenden, PTSD auslösenden Situation ist. Der Unterschied ist nicht auszumachen; es ist letztlich die subjektive Erfahrung von überwältigender Ohnmacht oder Bewältigung, die darüber entscheidet, welche Erfahrung ein Trauma auslöst und welche nicht. Gewiss, es gibt eine Reihe von Erfahrungen, die bei den meisten Menschen PTSD-Reaktionen auslösen. Dazu gehört das Miterleben von Mord bei Angehörigen oder das Nicht-helfen-Können bei tödlichen Unglücken. Die Dauer von PTSD-Reaktionen ist wiederum sehr unterschiedlich. Sie kann als eine Folge und Kombination aus so genannten Vulnerabilitätsfaktoren, Risikofaktoren und Belastungsbedingungen einerseits und Protektivfaktoren und Ressourcen und Supportfaktoren anderseits gesehen werden. Dies zeigen beispielsweise die Untersuchungen von Antonovsky (1997), der daraus ein Bewältigungsmodell entwirft. Es ist also bei jeder Art von Traumaarbeit und gerade auch bei der gestalttherapeutischen Annäherung an traumatische Erfahrungen darauf zu achten, dass ein ausreichend supportives Feld geschaffen wird, in dem der Heilungsprozess sich entfalten kann. Das Wiedereröffnen des Konfliktes darf also nur in dem Maße geschehen, in dem ausreichende Kräfte zur Verfügung stehen, um dieses Mal den psychologischen und inneren Kampf zu gewinnen bzw. zu ertragen ohne zu zersplittern. Hartmann-Kottek (2004, 209) betont, dass bei Traumapatienten ähnlich wie bei Psychosepatienten zunächst eher mit potenzialentfaltenden Gestalttherapieformen und nicht mit konfliktlösendem Schwerpunkt gearbeitet werden soll, da sonst die Gefahr emotionaler Überflutung gegeben ist. Auch van Vugt (1990), Crump, (1984), Wolf (1999, 833) und Hille (2002, 132) warnen vor kathartischen Techniken bei Traumapatienten. Daraus ergibt sich ein behutsames, dem Tempo des Klienten folgendes Vorgehen. Die Annäherung an die traumatischen Themen voll achtsamen Spürens, voller Aufmerksamkeit und Bewusstheit kann jetzt mit der Freiheit erfolgen, selbst zu entscheiden, wie weit es gehen soll! Die genaue Exploration und langsame, klientenbestimmte Beschreibung des traumatischen Ereignisses beinhaltet also ein Vorgehen, das in der Expositionsmethodik der Verhaltenstherapie bzw. in der imaginativen Konfrontation der EMDR-Methode wieder aufgegriffen wurde: Das erneute innerliche Sich-Stellen und Aussetzen. Dabei geht es in erster Linie um die kreative Erschaffung von inneren Antworten, Möglichkeiten und Methoden, mit dem Entsetzen umzugehen. Das »Löschen« der Wucht der traumatischen Erinnerungen ist bei diesen Verfahren der äußerlich beschreibbare Vorgang. Die kreative innere Antwort ist nicht vorhersehbar, nicht plan- oder machbar – es ist eine höchst individuelle Leistung des integrativen Selbst, die sich aus ihm heraus vollzieht. Die Fokussierung auf Wachstum und Entwicklung stellt den Rahmen zur Überwindung der traumatischen Verletzung dar.

      Ist nun die PTSD-Reaktion gleichartig, sodass eine spezifische, aber vergleichbare Behandlung notwendig würde? Einerseits erscheint die PTSD-Reaktion besonders in ihren Symptomen vergleichbar. Einerseits wird innerhalb der Traumaforschung darüber diskutiert, ob Traumata z.B. anhand ihrer Auslöser typisiert werden können, oder ob es eine allgemeine menschliche Reaktion auf Traumata gibt. Andererseits scheinen traumatische Erlebnisse eine Vielzahl von Reaktionsmöglichkeiten und Folgen nach sich ziehen zu können, z.B. Borderline-Erleben, Ängste, Sucht, Scham, Zwangsverhalten, Täterverhalten. Diese Reaktionsmöglichkeiten sind vermutlich sowohl auf die prämorbide Struktur der jeweiligen Person zurückzuführen, auf deren Umgangsmöglichkeiten mit Belastungen, bzw. deren Schwächen und Schwierigkeiten, als auch auf die Massivität der Traumatisierung. In gestalttherapeutischem Sinne sind der Umgang mit dem Trauma und die psychologischen Reaktionen darauf eine schöpferische Anpassungsleistungen im Moment der traumatischen Erfahrung. Darin fließen alle dem Individuum zur Verfügung stehenden und mit dem Ereignis in Bedeutungszusammenhang stehenden Stärken und Schwächen ein. Dieser Moment ist vergangen, doch für den betroffenen Menschen ist dies noch nicht Realität geworden. In seiner psychologischen Wirklichkeit besteht diese Situation weiter fort, bzw. kann jeden Moment wieder eintreten. Es ist also eine Fixierung, ein Verhaftet-Sein in einem vergangenen Augenblick, in einer vergangenen Zeitspanne. PHG (311f) benannten als Ziel für den allgemeinen therapeutischen Prozess: »… die erneute Aktivierung von Fixierungen zu Erlebniseinheiten. (…) Gegenwärtig ist das Verhalten des Patienten in der Therapie und anderswo eine schöpferische Anpassung, die weiterhin ein Problem mit