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Gestalt-Traumatherapie


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Grundhaltung

      Die Gestalttherapie ist von einer relativ strikt phänomenologisch orientierten Haltung geprägt, bei der das aktuell gezeigte Verhalten des Individuums genau untersucht wird. Durch die Unterstützung der explorierenden Phänomenwahrnehmung mit Aufmerksamkeit, Konzentration, sozialer Zeugenschaft und Beziehung wird ein unspezifisches supportives Feld geschaffen, das genau auf die aktuelle Befindlichkeit des Klienten ausgerichtet ist. Dadurch können die jeweiligen Erstarrungsmomente genau erfahrbar gemacht werden und gelangen wieder in den Erlebens- und Zugriffbereich des Individuums.

      Körperbewusstheit

      Eine weitere ideal an den heutigen Stand der Traumaforschung angepasste Herangehensweise ist der fortwährende Einschluss (Einbezug) des Körpers in die Bewusstseinsbildung über die Unterbrechungsreaktionen.

      Gleichberechtigung als Ziel

      Die dritte gestalttherapeutische Spezialität ist die permanente bewusste Gestaltung und Reflexion der Beziehung auf einer versuchsweise gleichberechtigten Ebene. Dies ist durch Machtgefälle aufgrund der Definitionsmacht des Therapeuten, sowie des Wissensgefälles innerhalb einer Psychotherapie nur bedingt möglich (Hutterer-Krisch 2001; Portele 1994), doch ist dieser Anspruch ausschlaggebend für eine therapeutische Grundhaltung, welche für traumatisierte Menschen mit massiven Ohnmachtserfahrungen sehr heilsam erscheint.

      Feldeinflüsse

      Die vierte gestalttherapeutische Traumakompetenz ist die Bewusstheit der Organismus-Umweltbedingtheit, d.h. der Feldabhängigkeit individuellen Erlebens. Das Feld beeinflusst das Erleben, Verarbeiten und die Bewältigung des Traumas in eminenter Weise mit. Dies drückt sich auch in Anleihen und der Verbindung mit noch deutlicher ganzheitlich orientierten Herangehensweisen wie schamanistischen Heilmethoden oder (naturbezogenen) Ritualen aus.

      Integration

      Die fünfte gestalttherapeutische Traumakonzeption ist die Arbeit an der Integration der verschiedenen Erlebensteilstücke zu einem Ganzen. Hartmann-Kottek (2004, 94f) definiert: »Für die Gestalttherapie, deren Ziel die Integration ist, gehört die Qualität von Kohärenz als eine mögliche Integrationsform sinngemäß zum zentralen Fokus des Interesses. (…) Die Kohärenz ist eine notwendige Bedingung für das Gestalt-Erleben sowie für die integrierende Organisationsform einer Gestalt. Damit sei sowohl der subjektive wie der subjekt-unabhängige Pol einer Gestalt-Wahrnehmung angesprochen.« Der Kohärenzbegriff wurde besonders von Antonovsky (1997) in seinem salutogenetischen Konzept am Beispiel von KZ-überlebenden Frauen entwickelt. Die »Wiederherstellung der Kohärenz der betroffenen Persönlichkeit« ist nach Hartmann-Kottek Fernziel einer Traumatherapie. »Auf der neurobiologischen Ebene wird die Integration der traumatisch versprengten Erlebnissplitter gefördert, nachdem sie emotional weitgehend neutralisiert worden sind; auf der vorgeschalteten und flankierenden psychotherapeutischen Ebene wird das Kohärenzgefühl über liebevolle Selbstannahme, Fremd- und Selbstwertschätzung und durch Förderung von angemessener Vertrauensfähigkeit in den Rest der Welt gestärkt.« (ebd., 96)

      Therapie der Gefühle

      Als eine der wichtigsten gestalttherapeutischen Spezialitäten kann schließlich die direkte Bearbeitung von Gefühlen angesehen werden (Strümpfel 2006, Greenberg 2003). Gerade der Umgang mit therapeutisch häufig schwierig zu erfassenden Gefühlen wie Scham, aber auch Angst oder Leere haben eine langjährige und sehr effiziente Tradition innerhalb der Gestalttherapie. Die hemmenden Gefühle Scham und Angst behindern den Ausdruck und die Kontaktaufnahme. Ihre Phänomenologie ist gestalttherapeutisch genau untersucht worden (Dreitzel 2007, 141; Chu 1994; Yontef 1999, 353; Staemmler 2003) Daraus wurden entsprechende therapeutische Schritte entwickelt. Victor Chu stellt fest: Scham stellt eine individualisierte Form tabuisierter gesellschaftlicher Konflikte dar (Chu 1994, 7). Die Funktion der Scham benennt Chu »gerade für Menschen, die in ihrer Kindheit tief verwundet worden sind. Ihre Scham schützt sie vor den Erinnerungen an früher erfahrene Verletzungen.« (Chu 1994, 8) Nach Chu ist eine Folge von Schamprozessen starke Einsamkeit. »Wer in tiefe Scham versinkt, ist in diesem Moment der einsamste Mensch auf der Welt. Wenn ich mich schäme, falle ich aus der Geborgenheit der Gemeinschaft. Selbst wenn ich von Menschen umgeben bin, die sich liebevoll um mich bemühen – die Scham umgibt mich wie eine Glaswand, und die persönliche Kommunikation nach draußen ist jäh unterbrochen. Unsere Scham bricht die Brücken hinter uns ab, gerade dann, wenn der menschliche Halt uns vor der inneren Katastrophe retten könnte.« (Chu 1994, 10). Scham wirkt insbesondere auch durch die Tabuisierung von Traumata (Chu 1994, 18). Scham ist die Reaktion auf das Gefühl der Entblößung (Chu 1994, 34).

      Hier-und-jetzt-Fokus

      Dieser Fokus bildet den Bildschirm, die Abbildfläche, den Erscheinungsraum, das Ausdrucksfeld und den Anker gegenüber dem Sog des Vergangenen. Er ist gleichzeitig das Mikroskop in den Körper, der den Hier-und-jetzt-Prozess ständig erlebt. Das dissoziierende Bewusstsein kann hiermit wieder zurück in den gegenwärtigen Körper finden.

      Selbstprozesse

      Abb. 2: Normative nichttraumatische Reaktion bei einer Auswahl

       – unterstützender Selbstsubprozesse

       – einer sozialen Schutzbeziehung

      Der gestalttherapeutische Selbstbegriff ist geprägt von der Goldsteinschen und Lewinschen Vorstellung des sich ständig selbst aktualisierenden und verändernden Organismus im Kontakt mit seiner Umwelt, mit der er ein gemeinsames Feld bildet. Das heißt »das Selbst ist die Kontaktgrenze in Bewegung« (Dreitzel 2004, 40f), »das Selbst ist das Integrierende; die synthetische Einheit« (PHG, 32). Das Selbst kann nach Isadore From (zit. nach Dreitzel, 42) in die drei Subsysteme Ich-Funktionen, Es-Funktionen, Persönlichkeits-Funktionen unterteilt werden. Nach Dreitzel (2004, 38f) geht es in der therapeutischen Arbeit immer nur um die Wiederbelebung der Ich-Funktionen. Die Ich-Funktionen sind zum einen die Motivation, die beginnt mit der Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse. Dreitzel nennt hier das Brauchen, das Wünschen, und das Wollen. Es sind ferner die Hand-lungskompetenzen, um diese Bedürfnisse zu befriedigen, und schließlich die Aufnahme- und Verdauungsfähigkeiten, um die »herbei gehandelten« Bedürfnisinhalte zu assimilieren. Butollo, Krüsmann & Hagl (1998, 95f) systematisieren gestörte Selbstprozesse als Folge traumatischer Erfahrungen. Sie sehen die Selbstantworten, die Phantasien, und Narrationen, also Geschichten, die man sich selbst über das Trauma erzählt, in hohem Maße mitverantwortlich für die Auswirkungen des Traumas. Selbstprozesse beinhalten dabei das Repräsentationssystem über die Welt (Weltbild) und uns (Selbstbild) sowie unserer Interaktionen und Antworten auf sie, also die Ich/ Du/Es-Beziehung zur Welt. Diese Symbolisierungen des Selbst werden selektiv aktiviert und konfigurieren und konstituieren laufend das Selbst. Diese Botschaften an das Selbst werden vor dem Hintergrund früherer Beziehungs- und Bindungserfahrungen gewichtet, aber auch durch die Intensität der gegenwärtigen Erlebnisse. Gute Sprach- und Handlungskompetenzen verbessern diese Selbstprozesse und helfen erklärende Selbstantworten und verstehende Differenzierungen schützend zu entwickeln. Die Gewichtung der Selbstprozesse verändert sich je nach Intensität des Traumas. Durch Selbstabspaltungen kommt es zum Verlust des dialogischen Selbst und dadurch unter Umständen zu starken Reduzierungen der Beziehungsfähigkeit. Die Anforderungen an eine Traumatherapie sind nach Butollo, Krüsmann & Hagl (1998, 100) daher erstens die Wiederherstellung einer Antwortbereitschaft, die möglichst viele Selbstanteile integriert, und zweitens die Mobilisierung von Ressourcen zum Eintreten in dialogische Beziehungen. Die Integration der dissoziierten, abgespaltenen Selbstteile ist dabei das eigentliche Ziel.

      Abb. 3: Dysfunktionale Selbstprozesse bei fehlender Schutzbeziehung

      Abb. 4: Beschädigtes Selbst

      Greenberg, Rice & Elliot (2003) nehmen als Selbstprozess einen Syntheseprozess an. Anstelle des Organismus treten in Modulen organisierte kognitiv-affektive Schemaprozessoren, wodurch eine differenziertere und genauere Beschreibung der bei Dysfunktionen ablaufenden Vorgänge möglich