Schwyz und Glarus. Überrascht meinte ein St. Galler Dichter über den Fürstabt: «Er ist ain aidgnoss worden, wer hett das kumb [eben noch] erdacht.» Als der Abt 1468 die Grafschaft Toggenburg erwarb, verblieb diese im 1436 geschlossenen Landrecht mit Schwyz und Glarus, die ihre Freiheitsrechte beschützten.
All dies und die ab 1440 belegte Kategorie der «zu uns gewandten» Orte bewiesen, dass die durch den Frieden von 1450 im Inneren gefestigte Eidgenossenschaft in einem erweiterten Raum zur Ordnungsmacht wurde. Ähnlich sah es im Westen aus, wo sich Freiburg aus den habsburgischen Banden löste, an Savoyen überging und 1454 das Burgrecht mit Bern erneuerte. Es folgten eidgenössische Bündnisse mit fünf nördlichen Reichsstädten, die räumlich von den Orten zum Teil deutlich getrennt, ihnen aber über Handelsbeziehungen verbunden waren: 1454 von sechs Orten (ohne Uri und Unterwalden) mit Schaffhausen und St. Gallen, 1459 von Zürich und Schaffhausen mit Stein am Rhein, 1463 von allen Orten mit dem schwäbischen Rottweil und 1466 von Bern und Solothurn mit dem elsässischen Mülhausen. Auch wenn die zugewandten Städte durch diese Verträge nicht in den Kern der Eidgenossenschaft eingeschlossen wurden, den die Eroberer des Aargaus bildeten, so erlangten damit die Interessen der städtischen Kaufleute im erweiterten schweizerischen Bundesnetz doch ein stärkeres Gewicht. Das sollte bis zum Stanser Verkommnis zu wachsenden Spannungen mit den Landorten führen.
Die Zunftstadt Schaffhausen profitierte vor allem von ihrer Lage am Kreuzpunkt des west-östlichen Verkehrs auf dem Rhein und der Strasse von Zürich Richtung Schwaben, an der auch Rottweil lag. Mülhausen war ein wichtiger Handelsplatz für Elsässer Getreidelieferungen. Die Gewerbestadt Freiburg führte überregional Wolltücher und Lederwaren aus. St. Gallen war gar bis ins 18. Jahrhundert ein europäisches Zentrum der Leinwandproduktion. Wie in Freiburg und generell in Gewerbestädten war die Textilverarbeitung zünftisch organisiert und kontrolliert, während der Fernhandel mit den Endprodukten bei eigenen Kompanien lag. Die in St. Gallen und Bern sowie Nürnberg beheimatete Diesbach-Watt-Handelsgesellschaft unterhielt ein von Spanien bis Polen reichendes europäisches Netzwerk, das neben Textilien alle möglichen Waren und Finanzdienstleistungen vermittelte. St. Gallens Annäherung an die Eidgenossenschaft erfolgte allerdings zu einem Zeitpunkt, als die Diesbach-Watt-Gesellschaft in die Krise geriet, wofür sie nicht zuletzt die Kriegsaktionen der Eidgenossen in der Ostschweiz verantwortlich machte. Nicht europäische Kaufmannsinteressen, sondern zünftische Statuswahrung durch regionale Befriedung und möglichen Herrschaftserwerb war also die St. Galler Perspektive, während die Diesbach in das Berner Patriziat einheirateten und so der Übergang von einer Kaufmanns- zu einer Magistratenfamilie gelang.
Das weitere Ausgreifen der Eidgenossen in Richtung Bodensee lag angesichts der genannten Verträge mit nördlichen Zugewandten nahe. Es wurde, wie schon im Fall des Aargaus, durch den Konflikt eines Habsburgers mit einer Universalgewalt ermöglicht. Papst Pius II. versetzte Herzog Sigmund von Tirol, den Sohn des 1415 geächteten Friedrich IV., in den Kirchenbann, weil Sigmund einen Dauerstreit mit dem Bischof von Brixen ausfocht, dem berühmten Nikolaus von Kues. Als Teilnehmer des Basler Konzils kannte Pius II. – der bedeutende Humanist Enea Silvio Piccolomini – die Verhältnisse aus eigener Anschauung; in Werken wie De Europa (1458) hatte er das Konzil, aber auch Geografie und Geschichte der Gegend beschrieben und so den abendländischen Gelehrten vorgestellt. Pius lud die Eidgenossen 1460 ein, Sigmunds Gebiete zu besetzen, und schon bald war der Thurgau ebenfalls eine Gemeine Herrschaft unter einem eidgenössischen Landvogt. Dieser Vorstoss richtete sich auch gegen das linksrheinische Konstanz, das im Thurgau zwar vorerst das Landgericht behielt, nun aber Pläne zur Territoriumsbildung begraben musste. Hauptopfer auch der weiteren Entwicklung in der Nordostschweiz blieb aber Österreich. Einige der 1460 eroberten Vogteien um Walenstadt gingen in die 1483 gebildete Gemeine Herrschaft Sargans ein. Rapperswil, bislang gleichsam ein Vorposten im Feindesland, wurde gezwungen, sich von Habsburg loszusagen und 1464 ein Schirmbündnis mit Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus einzugehen, das diesen das Besatzungsrecht für Stadt und Burg zugestand. Nachdem Zürich 1467 die völlig isolierte habsburgische Stadt Winterthur gekauft hatte, verblieb Österreich links des Rheins nur noch das Fricktal mit den Städten Rheinfelden und Laufenburg, woran sich bis 1802 auch nichts mehr ändern sollte.
Die Burgunderkriege
Die Auseinandersetzung mit Habsburg war auch Ausgangspunkt der Burgunderkriege, mit denen die Eidgenossen eher unerwartet auf die europäische Bühne traten. Wie die vorangegangenen Expeditionen in den Bodenseeraum zeugte der Sundgauerzug von 1468 noch eher von (durch Bern) notdürftig kanalisierter Rauflust und Beutegier der eidgenössischen Kriegerhaufen. Sie wollten sich mit dem vorderösterreichischen Adel messen und durch die Belagerung von Waldshut ein beträchtliches Lösegeld erpressen. Herzog Sigmund sah sich nach dem Verlust des Thurgaus erneut bedroht und suchte einen Verbündeten und Geldgeber, den er in Karl dem Kühnen fand. Die Herzöge von Burgund waren eine Seitenlinie der in Frankreich herrschenden Valois, hatten aber ein eigenes Herrschaftsgebiet zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich aufgebaut. Vor allem dank den wohlhabenden Städten in Flandern konnte Karl der Kühne eine eigenständige Grossmachtpolitik verfolgen und gar an ein eigenes Königreich in der Tradition des einstigen lotharingischen Mittelreichs denken. In diese territoriale Politik passten der Sundgau im Elsass und weitere vorderösterreichische Besitzungen, die Sigmund 1469 Karl dem Kühnen für seine Hilfszusage verpfändete. Damit rückte das Herzogtum Burgund in die unmittelbare Nähe der Eidgenossenschaft. Bern sah seine Einflusssphäre bedroht, änderte seine ursprünglich proburgundische Politik und tat sich mit den Reichsstädten am Oberrhein (Basel, Strassburg, Mülhausen) zusammen. Ihre Selbstständigkeit schien durch den neuen Landvogt der Pfandlande, Peter von Hagenbach, bedroht. Er versuchte unter Missachtung der herkömmlichen Autonomierechte die fürstliche Herrschaft auszubauen, wie die Burgunder das in Flandern schon getan hatten. Es gelang den elsässischen Reichsstädten, ihn gefangen zu nehmen, zu verurteilen und hinzurichten.
Dennoch griff Karl der Kühne, am Niederrhein gebunden, nicht persönlich ein. Die fortgesetzte Zurückhaltung gegenüber den Eidgenossen enttäuschte Sigmund, der sich deshalb 1474 zu einem Vertrag mit den Eidgenossen bereitfand, den Karls Gegenspieler vermittelte: der französische König Ludwig XI. Diese – nachträglich so benannte – «Ewige Richtung» beendete die jahrzehntelange Feindschaft zwischen Vorderösterreich/Tirol und der Eidgenossenschaft und bestätigte den Besitzstand, also die habsburgischen Verluste; allein Archivbestände wurden dem Herzog zurückgegeben. Für künftige Konfliktfälle wurden Schiedsrichter bestimmt, der Vertrag sollte für Sigmunds Erben gelten und alle zehn Jahre neu beschworen werden. Gleichzeitig verbündeten sich die Eidgenossen und, in einem eigenen Vertrag, Sigmund mit den oberrheinischen Reichsstädten Colmar und Schlettstadt sowie jeweils Bischof und Stadt von Strassburg und Basel. Während aber die anderen Orte sich nicht weiter in diesen Konflikt hineinziehen lassen wollten, gewann in Bern die Kriegspartei um den neuadligen Niklaus von Diesbach gegen den altadligen, burgunderfreundlichen Adrian von Bubenberg die Oberhand und betrieb nun eigenmächtig Expansionspolitik. In Absprache mit Frankreich, nicht aber mit den Eidgenossen eroberten die Berner zusammen mit Freiburg 1475 weite Teile des Waadtlands von Savoyen, das mit Burgund alliiert war, aber schon länger an inneren Krisen litt. Gleichzeitig verlor Savoyen auch das französischsprachige Unterwallis an die deutschsprachigen Walliser Zenden, die daraus eine Gemeine Herrschaft machten. Erst jetzt reagierte Karl der Kühne selbst militärisch, doch unterschätzten er und sein Ritterheer die nicht standesgleichen Gegner. Die Eidgenossen kamen den Bernern nun doch zu Hilfe. Der Herzog verlor zuerst in der Schlacht bei Grandson seine gesamte kostbare Habe, die «Burgunderbeute». Im Juni 1476 zerschlugen die Schweizer mit vorderösterreichischer und lothringischer Hilfe Karls Söldnerheer in der Schlacht bei der belagerten Stadt Murten. Bei Nancy verlor Karl Anfang 1477 nicht nur die Schlacht, sondern auch sein Leben gegen den Herzog von Lothringen und die Eidgenossen.
Mit diesen Niederlagen zerfiel das burgundische Zwischenreich. Es wurde zwischen Frankreich und Habsburg aufgeteilt, nachdem der künftige Kaiser Maximilian I. die Tochter Karls des Kühnen geheiratet hatte. Damit standen sich die beiden Dynastien Valois und Habsburg in den südlichen Niederlanden und in der Freigrafschaft