Herausforderung für Studierende und Lehrende dar. Wie soll mit der Vielzahl seiner fachlichen Perspektiven umgegangen werden? Welche Inhalte sollen zum Tragen kommen und warum gerade diese? Was soll das Fach zur Allgemeinbildung beitragen? Wie gelingt es, zum Nachdenken anzuregen, statt nur deklaratives Wissen anzuhäufen? Mit der Einführung des Lehrplans 21 kommen weitere Herausforderungen hinzu, wie zum Beispiel die Ausrichtung des Unterrichts auf Kompetenzen mit detailliert aufgeführten Kompetenzstufen und eine darauf aufbauende Zyklenstruktur, in der NMG nicht wie bisher nur die Primarstufe betrifft, sondern vom Kindergarten bis zum Ende der Volkschule reicht, oder die Forderung, die überfachlichen Kompetenzen von Medien und Informatik und von Bildung für nachhaltige Entwicklung in NMG einzubauen.
Gerade für die ersten beiden Zyklen kann die Vielzahl der aufgelisteten Kompetenzen, Kompetenzstufen und Inhalte dazu führen, dass diese einfach nacheinander abgearbeitet werden. Auf der Strecke blieben dadurch gerade jene Aspekte, die das Wesentliche des Fachs ausmachen: den Lernenden eine vertiefte und vernetzende Begegnung und Auseinandersetzung mit der Welt in all ihren Perspektiven zu ermöglichen. Ziel des vorliegenden Studienbuches ist deshalb, für die Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen des ersten und zweiten Zyklus Anregungen zu geben für einen auf Nachdenken beruhenden und Perspektiven vernetzenden Unterricht in NMG, der bildungsrelevant und kompetenzorientiert ist. Es zeigt Grundlagen und Nutzen eines solchen Unterrichts auf, bietet eine Basis für die Erarbeitung von kompetenzorientierten Aufgaben, hilft bei der Planung des eigenen Unterrichts und stellt ausgehend von übergeordneten Fragestellungen elf didaktische Analysen mit konkreten Aufgabenbeispielen vor, zu denen Hinweise zu Unterrichtsmaterialien und weiterführender Literatur geliefert werden. Das Studienbuch ist in fünf Teile gegliedert.
Teil 1: Fachverständnis
Durch seine vielfältigen Bezüge zu verschiedenen Disziplinen bzw. Fächern stellt NMG als Schulfach des ersten und zweiten Zyklus ein besonderes Konstrukt dar. Ein Konstrukt, das jedoch nicht als blosse «kleine Ausgabe» der überwiegend auf fachlichen Strukturen beruhenden Perspektiven des dritten Zyklus verstanden werden darf. Auch eine Reduzierung seiner Rolle und Bedeutung auf eine reine Zubringerfunktion für weiterführende Schulen würde entschieden zu kurz greifen. In den ersten beiden Zyklen besitzt NMG einen eigenständigen Bildungswert, der sich in der vielfältigen Auseinandersetzung und Begegnung von Schülerinnen und Schülern mit der Welt manifestiert. Seine Berechtigung als Schulfach erhält es, so wie alle anderen Fächer auch, durch explizit auszuweisende Beiträge zu einer grundlegenden Bildung.[2] Wissen und Können der fachlichen Bezugsdisziplinen, der Zielstufe entsprechend konkretisiert in den Kompetenzen und Kompetenzstufen des Lehrplans, bilden dabei die Grundlage des Fachs. Sie dienen dazu, verschiedene Erkenntnisinteressen und Zugänge zur Welt voneinander zu unterscheiden und die Lebenswelt zu erschliessen und zu ordnen. Das Verstehen einer komplexen Welt bedingt jedoch zudem die Fähigkeit, Wissen zu vernetzen und über grundlegende Fragen nachzudenken. Lehrpersonen müssen deshalb fähig sein, ein solches Wissen und Können bei den Lernenden im Hinblick auf die Beschäftigung mit gesellschaftlichen, das heisst bildungsrelevanten Fragestellungen zu entwickeln. Übergeordnete Fragestellungen dienen dabei als Dreh- und Angelpunkt des NMG-Unterrichts und bilden sozusagen den roten Faden, der sich durch eine Unterrichtseinheit zieht, da sowohl Zielsetzung als auch Sachanalyse und Auswahl der Methoden sich danach ausrichten.
Teil 2: Philosophieren
Ein an Fachwissenschaften orientierter Lehrplan macht Schülerinnen und Schülern spezifisches Wissen und Zugänge verfügbar. Er kann jedoch auch dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler vor allem lernen, dass es auf alles eine Antwort gibt und die Lehrperson sie weiss. Eine solche Welt, die bis in den hintersten Winkel vermessen ist, ist für Kinder denkbar uninteressant. Und eine pädagogische Haltung, die sie mit Erwachsenenwissen belehrt, verhindert Neugierde und Entdeckungslust. Der Ansatz des Philosophierens mit Kindern möchte deshalb das Staunen und Hinterfragen kultivieren und das kritische Nachdenken fördern. Dazu braucht es kein eigenes Fach, denn in allen Fächern lassen sich Fragen stellen, die nicht fachlich zu beantworten sind und deshalb nach einem Gespräch verlangen. Damit dies für den NMG-Unterricht nutzbar gemacht werden kann, wird der Ansatz des Philosophierens eingeführt und es werden einige grundlegende Arbeitsmittel vorgestellt. Gerade die übergeordnete Fragestellung ist häufig philosophischer Natur, weil sie uneindeutig ist, fachliche Perspektiven überschreitet, einen existenziellen Kern aufweist und ergebnisoffen formuliert ist. Sie kann die Schülerinnen und Schüler dazu anregen, Wissen miteinander zu vernetzen und gleichzeitig über dessen Grenzen hinaus nachzudenken. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, mit den Schülerinnen und Schülern zu staunen, zu fragen und in Zweifel zu ziehen, der wird eine Bereicherung des Unterrichts für sich und die ganze Klasse erfahren.
Teil 3: Kompetenzförderung
Die derzeitige didaktische Diskussion und der Lehrplan 21 folgen dem Paradigma der Kompetenzorientierung. Nicht möglichst viel deklaratives Wissen soll angehäuft, sondern ausgewählte Kompetenzen sollen gefördert werden. Merkmale dieses kompetenzfördernden Unterrichts sind insbesondere authentische Anforderungssituationen und der kumulative Kompetenzaufbau. Diese beiden Merkmale beeinflussen die Aufgabenkultur des NMG-Unterrichts entscheidend. Zum einen sind Aufgaben so zu gestalten, dass Schülerinnen und Schüler immer für eine für sie nachvollziehbare Anwendung lernen. Zum anderen muss Lernen so gestaltet sein, dass das Erlernte gefestigt und immer wieder geübt wird. Erst dadurch wird eine Kompetenz auch nachhaltig erworben. Ein wirksames Mittel für die Planung von kompetenzförderndem Unterricht ist das Prozessmodell LUKAS (Luzerner Modell zur Entwicklung kompetenzfördernder Aufgabensets)[3], das in Anlehnung an geläufige Unterrichtsartikulationsschemen verschiedene Funktionen von Aufgaben unterscheidet und zueinander in Beziehung setzt. Teil 3 führt in das Prozessmodell ein und formuliert Beispiele für den NMG-Unterricht.
Teil 4: Übergeordnete Fragestellungen
Warum schmeckt mir das, was mir schmeckt? Wie glücklich sind Haustiere? Ist alles, was laut ist, auch lärmig? Was sich inhaltlich und an der Planung und Durchführung von Unterricht ändert, wenn statt eines Stichworts (z. B. «Ernährung», «Tiere» oder «Schall») eine Fragestellung im Zentrum steht, zeigen elf Beiträge, die verschiedene fachliche Perspektiven aufnehmen und miteinander kombinieren. Sie beinhalten didaktische Analysen, kompetenzfördernde Aufgabensets mit exemplarischen Aufgaben und einen dazugehörigen Katalog zu einer philosophischen Frage. Sie lösen damit exemplarisch ein, was der didaktische Ansatz einfordert, nämlich einen zum Nachdenken anregenden und vernetzenden Unterricht zu gestalten. Die elf Beiträge weisen stets denselben Aufbau auf: Eine Einleitung macht den Zusammenhang zur Schule deutlich; daran anschliessend wird die Bildungsrelevanz der Fragestellung entlang der didaktischen Trias Kind–Sache–Gesellschaft und die Verortung im Lehrplan erörtert; zentrale Sachkonzepte verdeutlichen, unter welcher Perspektive ein Gegenstand erschlossen wird; eine Übersicht zu einem möglichen Aufgabenset und exemplarische Aufgaben geben Einblick, wie Kompetenzförderung konkret geschehen soll; eine dazu passende philosophische Frage wird mit einem Fragenkatalog aufbereitet; eine Zusammenfassung beschliesst jeweils den Beitrag. Schliesslich verweisen wir auf relevante Literatur und didaktisches Material. Auf diese Weise wird der didaktische Ansatz konkret.
Teil 5: Jahres- und Zyklenplanung
Ein Konzept für eine Jahresplanung im Fachbereich NMG für den ersten und zweiten Zyklus bewegt sich zwischen rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Wochenstundentafel), Vorgaben des Lehrplans (z. B. Zyklenstruktur, Kompetenzorientierung, verbindliche Inhalte) und Umsetzungsbedingungen in der Praxis. Da eine Eins-zu-eins-Umsetzung der zahlreichen Kompetenz(-stufen) und verbindlichen Inhalte des Lehrplans weder zu bewältigen noch wünschenswert ist, muss eine Gewichtung und Auswahl getroffen werden. Auch in diesem Fall leistet die Ausrichtung auf übergeordnete Fragestellungen gute Hilfe. Geht man von übergeordneten Fragestellungen aus, können verschiedene Kompetenzbereiche und Kompetenzen verbunden werden, was nicht zuletzt der mehrperspektivischen und integrativen Anlage des Fachs entgegenkommt. Mit sechs bis sieben Fragestellungen als Unterrichtsthemen pro Jahr können die zentralen Anforderungen des Lehrplans abgedeckt werden. Selbst überfachliche Anliegen aus den Bereichen Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie Medien und Informatik lassen sich jeweils sinnvoll für die Behandlung einer Fragestellung berücksichtigen.
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