hätte. Ich gebe es auf, Max darum zu bitten, immer alles zu wiederholen, und vertraue darauf, dass er ihnen das richtige Bild eines Engländers vermittelt, der ein Buch schreibt und als Erster einen Lift verlässt.
Nach genau 20 Minuten erhöht sich das Tempo, und unsere Gruppe beginnt sich auseinanderzuziehen. Der Weg führt für etwa eineinhalb Kilometer in einem Bogen um die Burg, und so laufen wir immer wieder die gleiche Strecke auf und ab. Ich fühle mich gut und laufe in der schnellsten Gruppe, die von Morita angeführt wird. Ich erwarte jeden Moment, dass sich das Tempo nun Schritt für Schritt verschärft, doch es bleibt gleich, bei etwa sieben Minuten für die anderthalb Kilometer. Ich kann mir nicht helfen, aber in der letzten Minute starte ich los und lasse die anderen hinter mir zurück. Über die Jahre hinweg war ich Mitglied in vielen verschiedenen Laufvereinen, und am Anfang ist es immer etwas kompliziert. Jeder Verein hat seine eigene Hackordnung, und das Letzte, was sie wollen, ist, dass irgendein Neuling daherkommt und alles über den Haufen wirft.
Ich erinnere mich, als ich meinem Klub in Devon beitrat, kurz nachdem ich aus Kenia zurückgekommen war. Der Vorsitzende des Vereins fragte mich, ob ich viel liefe, und ich erzählte ihm, dass ich gerade sechs Monate in Kenia verbracht hatte. Dort war ich einen Marathon in 3:20 Stunden gelaufen. Doch das war an einem ziemlich heißen Tag. Auf einer Staubstraße. Auf einer Seehöhe von über 1500 Metern.
„Gut, dann stecke ich dich in Gruppe 3“, sagte er.
Auf der Vereinswebseite hatte ich gelesen, dass sie fünf Gruppen hatten, wobei Gruppe 1 die langsamste war und Gruppe 5 die schnellste. Gruppe 3 kam mir persönlich ein wenig langsam vor.
„In Kenia habe ich mit Wilson Kipsang trainiert“, protestierte ich. „Sechs Monate lang.“
Er runzelte die Stirn und musterte mich.
„Na gut, dann kommst du eben mit mir in Gruppe 4“, lenkte er ein.
Wir liefen in einer kleinen Gruppe mit gemütlichem Tempo hinunter an die Küste von Torquay. Frisch zurück vom Höhentraining in Kenia konnte ich es nicht erwarten, schneller zu laufen. Genau an diesem Punkt wurden wir von einem Rudel schnellerer Läufer überholt, die auf die Straße auswichen, um an uns vorbeizukommen.
„Wer sind die?“, fragte ich den Vereinspräsidenten.
„Das sind die Fünfer“, erwiderte er.
Das sah mehr nach meinem Tempo aus. Zudem war es auch eine recht große Gruppe. Ich hatte das Gefühl, dass mir hier etwas entging.
„Darf ich mich denen anschließen?“
„Die werden aber nicht auf dich warten, wenn du nicht mithalten kannst“, antwortete er. „Wir schon.“
Ich zögerte für einen Moment. Ich konnte sehen, dass es ihn ärgerte, zu denken, dass ich es besser wüsste. Zugegeben, 3:20 war jetzt nicht gerade eine besonders beeindruckende Marathonzeit, doch man muss auch die schwierigen Bedingungen bedenken. Bevor die Gruppe endgültig weg war, traf ich meine Entscheidung.
„Ich riskiere es einfach“, sagte ich und sprintete den Fünfern hinterher.
Schlussendlich war es kein Problem. Die Gruppe war gut, doch es fiel mir recht leicht, ihr Tempo zu halten. Hinterher erntete ich jedoch ziemlich böse Blicke vom Vereinsboss, aber er sagte kein Wort. Es dauerte Monate, bevor er mir diese Aktion verziehen hatte.
Hier in Osaka halte ich mich zurück und laufe in der Gruppe. Es wäre wohl respektlos, gleich bei meinem ersten Training allen davonzulaufen. Doch dieser Drang, einfach loszulaufen, die Beine das machen zu lassen, was sie wollen, ist zu stark. Am Schluss stehen alle herum und schütteln ihren Kopf darüber, dass ich so schnell gelaufen bin. Max, der bereits eine Runde vor Schluss ausgestiegen ist, steht daneben und lacht. Der Einzige, der kein Wort sagt, ist Morita. Er wirft mir einen finsteren Blick von unter seinen Haaren zu.
Ich muss zugeben, dass ich darüber überrascht bin, so weit vor den anderen zu sein. Ich bin nicht einmal annähernd in Bestform und habe immer noch Probleme mit der hohen Luftfeuchtigkeit, die hier herrscht. Ich frage mich, wo all die schnellen Läufer sind. Sind das alles Profis? In Japan gibt es ungefähr 1500 Profiläufer, die bei verschiedenen Unternehmen unter Vertrag stehen, um dort für das jeweilige Ekiden-Team zu laufen. Im Vereinigten Königreich, das etwa die Hälfte der Bevölkerung Japans hat, gibt es wahrscheinlich weniger als 20 professionelle Langstreckenläufer, Sportler, die mit Laufen ihr Geld verdienen. Das heißt, dass viele der talentiertesten Sportler Großbritanniens einer normalen Arbeit nachgehen und sogar dafür bezahlen, abends im Laufverein laufen zu dürfen. Wären diese Topläufer hier in Japan Profis? Wäre ich Japaner, hätte ich dann vielleicht sogar meinen Lebensunterhalt mit Laufen bestreiten können?
Dieser Level an Professionalität in Japan erklärt zum Teil auch die Diskrepanz zwischen den beiden Nationen, wenn man einen Blick auf die Ergebnisse wirft. Britische Spitzenläufer wären wohl deutlich schneller, wenn sie mehr Zeit und Ressourcen ins Training stecken könnten, und viele andere hätten einen Ansporn, ihr Talent zu entwickeln. Stattdessen müssen die meisten Läufer ihr Training irgendwo zwischen Job und Familie hineinquetschen. In den meisten Fällen fehlt die Motivation, laufen zu gehen oder früh aufzustehen, um die eine oder andere zusätzliche Trainingseinheit einzulegen beziehungsweise Geld für Massagen auszugeben und die Tiefenmuskulatur im Fitnesscenter zu trainieren. Auch für die besten Läufer in Großbritannien ist Laufen meist nur ein Hobby. In Japan, andererseits, kann es für diejenigen, die ein gewisses Niveau haben, eine solide Karriereoption sein, mit professionellen Trainern, Sponsoring und Anerkennung.
Als wir uns schweißgebadet auf dem Weg zurück zum Dawn Center befinden, erzählt mir Max, dass er sehr zufrieden mit seinem Lauf sei. Er meint, dass es für den Anfang recht gut sei.
„Ich spüre es richtig, gerade in diesem Moment produziert mein Körper Hämoglobin. Ich war schon immer gut darin. Sechs Monate … du wirst schon sehen.“
Zurück im Konferenzraum trocknen sich die Männer den Schweiß mit Handtüchern ab, ziehen sich wieder ihre Bürokleidung an und verwandeln sich zurück in Buchhalter, Ärzte und Manager. Nur Kenji und ich behalten unsere Laufkleidung an. Als alle fertig sind, kommen die Frauen wieder in den Raum, auch sie sind nun wieder normale Zivilistinnen. Jemand teilt liebevoll verpackte Kekse aus, während Kenji seine Nachbesprechung hält. Max kann sich nicht dazu aufraffen, Kenjis Worte zu übersetzen. Ich glaube, er ist zu müde.
Während sich der Anfang meiner Nachforschungen über den Ekiden recht erfolgreich gestaltet hat, speziell mit einem Platz in einer Mannschaft, steht meinen Töchtern in Kyotanabe die schwierige Aufgabe bevor, sich in einer japanischen Schule einzuleben.
Doch sie sind beide recht optimistisch, was das anbelangt, und am ersten Schultag stehen sie auf und machen sich ohne Diskussionen fertig. Es scheint fast so, als würden sie sich darauf freuen.
„Lila sagt, dass es gut ist, in die Schule zu gehen, weil man dann etwas zu tun hat, wenn es regnet“, erklärt mir Uma.
Die Schultaschen geschultert und ausgerüstet mit neuen Schuhen und Kleidern sowie einem neuen Federpennal hüpfen sie vergnügt den kurzen Weg zur Schule vor uns die Straße hinunter, durch unsere vorstädtische Nachbarschaft. Erst als wir etwa 50 Meter vor der Schule sind, verlangsamen sich Umas Schritte.
„Komm bitte mit mir in die Klasse“, sagt sie, während sie mich an der Hand festhält.
Wir haben den Kindern bereits gesagt, dass wir das tun würden. Wir haben es auch schon mit den Lehrern besprochen. Ich vermute, dass die anderen Kinder uns zuerst anstarren und vielleicht auch versteckt kichern würden.
Doch es wird wohl nicht so eine Aufregung geben, wie sie es in der Schule in Kenia erlebt hatten.
„Natürlich“, sage ich. „Es wird schon alles gut gehen.“
Als wir den Schulhof betreten, bricht die Hölle los. Es ist der erste Tag nach den