Norbert Wibben

Raban und Röiven Insel der Elfen


Скачать книгу

und Frauen unter den Aristokraten der Darkwings, die auf diese Position hoffen, aber es würde Kendra nicht gefallen, bei allen von ihnen königliche Jägerin zu sein. Je nach Ergebnis der Wahl, die frühestens nach einem halben Jahr stattfinden kann, so lauten die alten Gesetze, wird feststehen, wer der neue Monarch sein wird. Am ersten Jahrestag des Todes des bisherigen Königs wird der neue dann seine Herrschaft antreten. Wenn das Jahr ihrer Beurlaubung vorbei ist, wird Kendra also entscheiden können, wie ihr zukünftiges Leben aussehen soll.

      Kenneth will weiter durch das Land ziehen und Menschen bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen. Je nach Situation hilft er nicht nur Fairwings, sondern auch Darkwings. Er macht seine Hilfe nicht davon abhängig, zu welchem der beiden Völker der Bedürftige gehört. Entscheidend ist, ob dieser Mensch offen und ehrlich ist.

      Bevor sie sich trennen, möchte der Fairwing der ehemaligen Jägerin helfen, ihre benötigten Habseligkeiten in das Gasthaus zu holen. Gerade, als Kenneth das sagt, wird sachte an die Zimmertür geklopft.

      Auf Kendras: »Herein!«, tritt die vom Treppensteigen etwas schnaufende Wirtin mit einem Tablett, auf dem eine dampfende Schüssel steht und einige Scheiben Brot liegen, ein.

      »Hier hast du etwas Kräftigendes, mein Kind. Wir wollen doch mal sehen, ob wir dich nicht schnell wiederherstellen können. Ich habe gehört, du wolltest diesen Mörder, den widerwärtigen Magier, mit deinem Schwert richten, was der mit einem auf dich geschleuderten, grässlichen Zauber verhinderte. Der Fluch hat dich derart geschwächt, dass du stundenlang zwischen Leben und Tod schwebtest. Du sollst auch Unmengen deines Blutes verloren haben. Konnte dich dieser junge Mann«, dabei ruht ihr flammender Blick kurz auf dem Fairwing, »denn nicht von einem derart unbedachten Vorhaben abhalten? Ich hätte da mehr Umsicht von ihm …«

      »Kenneth wusste nicht, was ich vorhatte. Er war in dem Augenblick ja gar nicht anwesend«, versucht die junge Frau, ihn in Schutz zu nehmen. Amelia stellt das Tablett aufgeregt auf den Tisch, an dem die beiden sitzen, hört aber nicht richtig zu.

      »WAS? Er hat dich alleine in seine Nähe gehen lassen? Das schlägt doch dem Fass den Boden aus. Das hätte ich nicht gedacht.« Sie schüttelt den Kopf und stemmt ihre Hände in die Hüften. Ihre Augen blitzen drohend.

      »Die Suppe duftet aber toll. Schmeckt sie auch wohl so lecker? Ich sollte sie aber besser nicht kalt werden lassen, oder?« Mit diesem Ablenkungsmanöver schafft es die Jägerin tatsächlich, die aufgebrachte Frau kurzzeitig auf andere Gedanken zu bringen. Sofort leuchten ihre Augen.

      »Die Suppe muss am besten heiß gegessen werden. Die Brotscheiben sind mit Butter bestrichen, die solltest du dazu essen. Das wird dir neue Kraft geben.« Plötzlich stutzt sie und will zwei von den vier Schnitten wegnehmen.

      »Eigentlich sollte dieser Nichtsnutz sie bekommen, aber jetzt nehme ich sie doch wohl besser …«

      »Halt. Kenneth ist kein Nichtsnutz. Er hat mich gerettet. Er wusste ja nicht, wo ich war und was ich vorhatte. Soweit ich weiß, kam er erst dazu, als ich den dummen Versuch schon unternommen hatte.«

      »Das stimmt. Ich muss mich zwar nicht vor dir rechtfertigen«, dabei blickt er die soeben noch aufgebrachte Frau mit einem jungenhaften Blick an, »will dich aber aufklären. Ich glaube, das Geschehen ist stark verfälscht worden. Der Zauberer Duncan hatte sich mit einem Schutzzauber umgeben, den Kendra mit ihrem Schwert niemals hätte durchdringen können. Als sie es trotzdem versuchte, wurde sie heftig zurückgeschleudert und verlor beim Aufprall auf den Boden ihr Bewusstsein. Vorher muss sie allerdings bereits durch ein fehlgeleitetes Geschoss oder durch das Streifen eines Blitzes am Oberschenkel verwundet worden sein. Aus dieser Verletzung hatte sie schon sehr viel Blut verloren, bevor sie den Zauberer angriff. Die Elfe Sorcha und ich haben die Wunde mit Heilzauber geschlossen und ihr neue Lebensenergie übertragen.« Jetzt schweigt Kenneth. Er blickt die Wirtin etwas verlegen an. Normalerweise berichtet er nicht von dem, was ihn oder seine Taten gut aussehen lassen.

      »Was? Eine Elfe war auch bei dem Kampf dabei? Wo ist sie jetzt? Ich würde sie gern kennenlernen. Ich dachte, Elfen gibt es nur in Geschichten. – Entschuldige bitte, Kenneth. Ich hätte wissen müssen, dass das von mir unterstellte Betragen nicht zu dir passt. Wie kann ich das nur wiedergutmachen?« Sie schaut ihn verlegen an und ringt ihre Hände.

      »Indem du die zwei Brotscheiben hierlässt, meine liebe Amelia«, erwidert der Fairwing lachend. Sofort entspannt sich die Wirtin und beginnt erleichtert zu lächeln. Sie reicht ihm die Scheiben.

      »Also, Elfen gibt es wirklich?«

      »Ja. Außerdem hast du sie doch gesehen, als wir vorgestern hier zusammen in der kleinen Stube saßen. Kendra und ich haben sie, den Jungen Raban und den Kolkraben Röiven bereits wieder in ihre Heimat gebracht.«

      »Kannst du mir von Elfen erzählen. Wie sind sie denn so?«

      »Das kann Kendra übernehmen, wenn sie möchte. In der kommenden Woche werdet ihr vermutlich genug Zeit dazu haben. Und denke daran, du sollst ihr nichts von meinen Untaten berichten. Ich will, dass sie mich weiter für einen glorreichen Helden hält.« Er droht der älteren Frau mit erhobenem Zeigefinger, kann ein Grinsen aber nicht unterdrücken.

      »Was für Untaten? Und wer ist ein ruhmreicher Held?«, fragt Kendra, ihn gespielt erstaunt anblickend.

      »Na ich. Das ist doch wohl selbstverständlich. Schließlich habe ich doch die Prinzessin vor einem Monster gerettet.«

      Jetzt lachen beide, umarmen und küssen sich. Die Wirtin fällt etwas zögernd in das Lachen ein. Sie hat nicht alles verstanden, will sich aber später von Kendra genauestens informieren lassen.

      »Wir werden gleich noch einige von Kendras Sachen holen. Natürlich erst, wenn sie aufgegessen hat«, ergänzt Kenneth schnell, weil sich Amelia auf ihrem Weg aus dem Zimmer erneut zu ihnen umdreht. »Keine Sorge, wir werden langsam gehen, damit sie sich nicht überanstrengt.«

      Als die beiden das Viertel in der Residenzstadt verlassen, in dem nur Fairwings wohnen, fällt ihnen die Gestalt in einem dunklen Mantel nicht auf, die ihnen verstohlen und vorsichtig folgt. Wäre Kenneth allein unterwegs und nicht durch das Gespräch mit der jungen Frau an seiner Seite abgelenkt, hätte der Mann keinen Erfolg mit der Verfolgung gehabt. Er wäre sofort entdeckt worden.

      Ob alles, was nun folgt, dann anders verlaufen würde? Vermutlich nicht, aber das ist ja jetzt unerheblich!

      Der Verfolger hat dunkles, strähniges Haar, das, genau wie sein Gesicht, unter der Kapuze eines weiten, schwarzen Umhangs verborgen ist. Er schafft es sogar, bis dicht an das Paar heranzukommen und einige Gesprächsfetzen aufzuschnappen. Dabei erfährt er, dass die Frau eine königliche Jägerin ist. Erstaunt stoppt er und wird prompt von einem anderen angerempelt, der ihm wohl zu dicht folgte.

      »Hey. Warum bleibst du einfach stehen?«, fährt der sofort auf. »Das hätte … Oh, Verzeihung. Ich bitte untertänigst um Entschuldigung. Ihre Hoheit!« Mit diesen Worten macht der Mann eine Verbeugung vor dem Mann, dessen Gesicht er unter der Kapuze, die etwas verrutscht ist, erkannt hat und bewegt sich gebückt rückwärts.

      Der Angerempelte winkt ungeduldig mit der Hand, zieht die Kapuze über den Kopf und dreht sich um. Er sucht, wo Kenneth und seine Begleitung geblieben sind. Kurz darauf hat er sie wieder im Blick und beschleunigt den Schritt, um sie einzuholen. Währenddessen grübelt er über die Bedeutung des Gehörten nach.

      »Kenneth wird von einer königlichen Jägerin begleitet. Darum kam mir das Gesicht der Frau auch so bekannt vor. Und sie ist sogar eine Anführerin der Jäger. Ob der Fairwing ein Auge auf diese Frau geworfen hat? Er lässt sie wirklich keine Sekunde aus den Augen. Hm. Und was hat das zu bedeuten, dass er zusammen mit ihr einen magischen Sprung ausgeführt hat. Sollte Kenneth über Zauberkräfte verfügen? Das wäre eine wichtige Neuigkeit. – Der getötete Duncan konnte zaubern und hat den Beweis geliefert, wie gefährlich und gleichzeitig fast unüberwindbar ein Zauberer sein kann. Wenn kein anderer Magier stärker ist, hat dieser nichts und niemanden zu fürchten.« Der Dunkle ist durch seine Gedanken abgelenkt und verliert dadurch die beiden aus den Augen. Laut fluchend eilt er in verschiedene Richtungen, doch ohne Erfolg. Er bleibt enttäuscht