so lustig!«
»Darf ich denn auch auf den Polstern sitzen?«
»Natürlich, immer neben mir!«
»Ist's auch wirklich wahr, Pommerle?«
Nach Feierabend gingen Jule und Pommerle hinaus zur Spinnerei. Die Kleine machte einen artigen Knicks vor dem Pförtner.
»Na, kleines Mädchen, bist du wieder da?«
»Bitte, ich möchte halt noch mal den schönen Wagen sehen, in dem wir an die Ostsee fahren.«
»Den hast du ja schon fünfmal gesehen.«
Pommerle wies mit dem Daumen auf Jule. »Der Junge möchte ihn auch sehen.«
»Ich fahre auch mit zur Ostsee«, meinte Jule.
Der Pförtner wies die beiden lachend zur Garage. Dort stand der Chauffeur, der gerade den Wagen für die Abfahrt des Fabrikherrn fertigmachte.
Jule preßte beide Hände vor den aufgerissenen Mund, um einen Freudenschrei zu unterdrücken. Wie oft schon hatte er neugierig in solch einen Wagen geschaut. Nun sollte ihm das große Glück zuteil werden, auf den blauen Polstern zu sitzen. Wenn es nur der Meister sehen könnte.
Andächtig standen die beiden Kinder vor dem Wagen. Der Chauffeur forderte sie lachend auf, einzusteigen, er werde sie einmal im Fabrikhof herumfahren. Pommerle kroch sogleich in den Wagen und wippte auf den Polstern, doch der Jule wagte es nicht.
»Ich steig' vorne drauf.«
»Komm doch!« meinte Pommerle und zog mit energischem Ruck den Knaben hinein.
Keines der beiden sprach ein Wort, als man im Fabrikhof herumfuhr, als der Chauffeur hinaus auf die Straße lenkte und ein Stück mit ihnen davonfuhr. Einige Leute gingen vorüber. Da beugte sich der Jule aus dem Fenster. Man sollte ihn sehen! Er, der Tischlerlehrling, Jule Kretschmar, fuhr in einem wunderschönen blauen Auto, saß auf blauen Polstern.
Jule wurde immer erregter. »Fahren Sie doch recht langsam«, bat er schließlich.
»Hast wohl Angst?« meinte der Chauffeur.
»Aber – – aber – –« Ach nein, er wollte es lieber nicht sagen, daß er recht oft gesehen werden wollte. Wie würden ihn die Leute beneiden, die zu Fuß gehen mußten! Einen halben Wochenlohn hätte er freudig hingegeben, wenn er jetzt seinen Meister getroffen hätte.
Schließlich ging es zur Fabrik zurück. Die Kinder stiegen aus und liefen Hand in Hand heim.
»Fahren wir viele Stunden bis an deine Ostsee?«
»Ja, der Vati meinte, fast einen ganzen Tag.«
»Wenn er nur recht langsam fahren wollte. Ich ziehe den guten blauen Anzug an, für unseren Wagen müssen wir uns feinmachen.«
Schon am nächsten Tag berichtete der Jule, wie es sich in einem Polsterauto fahre. Sabine mußte sich einen stundenlangen Bericht anhören. Sie tat es geduldig, sie freute sich mit Jule und gönnte ihm von Herzen diese Abwechslung.
Das sagte der Jule freilich nicht, daß er fast allabendlich hinaus zur Spinnerei lief und so lange dort wartete, bis Fabrikbesitzer Stadler an ihm vorüberfuhr. Sein Herz pochte stürmisch. Genau so würde er in Kürze an vielen Leuten vorüberfahren, und alle würden auf das Auto sehen, in dem der Jule an die Ostsee fuhr.
»Vielleicht denkt man«, die Stimme verschlug ihm vor Freude, »daß dieser Wagen mir gehört. Das Auto I. K. 37 985.«
Eine Hörnerschlittenfahrt war freilich auch nicht zu verachten. Jule hatte sich niemals nach einer Autofahrt gesehnt. Für ihn war der Hörnerschlitten der Inbegriff alles Schönen. Doch jetzt, da die Möglichkeit winkte, in einem Auto zu fahren, jetzt stellte er das Auto an die Seite seines geliebten Hörnerschlittens.
Der Meister schüttelte manchmal den Kopf. Fragte er nach einem Maß, nach Länge und Breite der Bretter, klang ihm oftmals die Antwort entgegen:
»Jawohl, Meister! I. K. 37 985!«
Pommerle hatte die Nummer des Wagens auch sehr bald behalten. Die ganze Nachbarschaft hörte das helle Jauchzen: »Ich fahre in I. K. 37 985! Wenn's doch erst so weit wäre!«
Am letzten Sonntag vor der Reise kamen Fabrikbesitzer Stadler und seine Frau zu Benders, um noch einiges zu besprechen. Jule, der auch anwesend war, verhielt sich sehr schweigsam. Er starrte mit verzückten Augen den Fabrikbesitzer an, dem der blaue Wagen I. K. 37 985 gehörte.
»Also am Mittwoch, früh um neun Uhr, seid ihr bei uns, alle beide. Jeder packt in seinen Koffer, was er für die drei Tage braucht. Vergeßt auch nicht das Badezeug, denn baden wollt ihr doch auch? Nun, Jule, freust du dich?«
»Ja, – ja!«
»Jede gute Tat muß belohnt werden.«
»Wenn's eine Belohnung ist«, stammelte der Jule und wurde rot, »hätte ich noch eine ergebene Bitte.«
»Nu mal los!«
»Wenn wir doch nach Görlitz fahren, dann könnten wir doch auch durch die Talstraße fahren und am Hause des Meisters vorbei kommen.«
»Nein, Jule, das wäre ein Umweg.«
»Schade, – zu schade!«
»In Stettin machen wir Station. Ihr fahrt am nächsten Morgen mit Tante Marie weiter nach Neuendorf. Ich habe geschäftlich in Stettin zu tun, komme erst am übernächsten Tage nach dort, um euch wieder abzuholen.«
Es wurde noch mancherlei besprochen. Pommerle hatte hundert Fragen auf dem Herzen, doch der Jule hörte kaum, was gesagt wurde. Er trat von einem Bein aufs andere, ging mehrmals zum Abreißkalender und betrachtete die Blätter. – Wenn es erst nur so weit wäre!
Aber auch der Mittwoch kam heran. Der Meister und die Meisterin hatten schweren Stand mit dem Jule, der bereits um drei Uhr aufgestanden war, damit er ja nicht zu spät in die Stadlersche Villa käme. Im Morgengrauen lief er zum Hause des Professors, pfiff dort längere Zeit, doch Pommerle schlief noch fest. Da rannte er weiter, hin zur Stadlerschen Villa. Ob das Auto schon dastand, oder ob es niederträchtige Menschen in dieser Nacht gestohlen hatten, daß man nicht fahren konnte?
Gegen sechs Uhr kam er zurück zum Meister. Der ging im Hof umher und brach in lautes Lachen aus, als er den Jule erblickte.
»Willst du so fahren? Sieh dich doch erst mal im Spiegel an! Du hast ja vergessen, den Schlips zu knoten.«
Der Jule ging in sein Kämmerchen zurück. Das Schlipsbinden war heut eine schwere Arbeit, denn die Hände zitterten.
»Ich muß nun gehen«, meinte er.
»Unsinn, Jule, erst wird gefrühstückt.«
»Ich bin ganz voll, ich kann nichts essen.«
»Hast du im Koffer auch Kamm und Zahnbürste und ein Nachthemd? Alles andere hat dir die Meisterin eingepackt.«
Jule wurde rot und lief davon. An Kamm und Zahnbürste hatte er nicht gedacht. Schließlich kam er mit dem Koffer, um im Beisein der Meisterfamilie zu frühstücken. Er würgte die Semmeln herunter.
»Ich muß gehen, sonst komme ich zu spät.«
»Du bleibst noch hier, Junge. Was willst du so früh bei Herrn Stadler? Du störst nur.«
»Dann will ich schnell mal zu Benders laufen. Vielleicht schläft das Pommerle noch.« Und weg war er.
Bei Benders sah es ähnlich aus. Pommerle sprang wie ein Fröschlein umher und hatte schon allerlei Schaden angerichtet. Das Wasser war, statt in die Waschschüssel, vor Aufregung auf den Erdboden geschüttet worden, in die Strümpfe war ein Loch gerissen, weil das Kind sie gar zu heftig über die Füße zerrte. Dann war die Kaffeetasse beim Frühstücken umgestoßen worden. Ihr Inhalt hatte sich nicht nur über das Tischtuch, nein, auch noch über das Kleid ergossen, so daß sich Frau Bender genötigt sah, die Kleine umzuziehen.
»Wirste denn nu auch fertig?« drängte der Jule.