Es war eine unbändige Lust in sie gefahren, immer weiter zu reiten.
Wasser klatschte unter den Hufen der Tiere auf. Bill hielt seinen Braunen zurück. „Ein zugewachsener Sumpf!“
Sie hielten näher dem Wald zu und ritten vorsichtiger weiter.
„Wann kehren wir um?“ fragte Peer einmal.
„Ich will das Ende unseres Weidelandes sehen!“ entgegnete Bill. Hinter den lappigen Waldrändern dehnten sich immer neue Wiesen hinein. Erst wo der See ein Ende nahm, schien auch der Wald wieder bis an sein Wasser heranzutreten.
„Dort noch der Hügel vor dem hohen Wald! Möchte sehen, was sich dahinter verbirgt.“
Bill fand stets von neuem einen Grund weiterzureiten.
Die Pferde galoppierten empor, schiefrige Steinplättchen knirschten unter ihren Hufen. Ein Schock hoher Tannen wuchs auf der Höhe. Durch die jenseitige Senke murmelte ein frischer Bach quer über die Weide dem fernen See zu.
„Ah, der schönste Flecken, den wir finden können“, rief Bill. „Hier würde eine Hütte warm in der Sonne vor den Bäumen stehen, und Wasser, Wald und Weide treffen sich.“
Die Jungen kehrten wieder um. Nur der See zur Rechten in der Ferne war der Wegweiser, daß sie sich nicht in einen der schmalen Weidestreifen tief in die Waldsenken hinein verirrten. Sie mußten nur reiten und reiten, bis zum äußersten Ende des Sees.
Auch die Ranchers hatten inzwischen den See erreicht. Schon von weitem sahen die Jungen die Kühe auf der Weide grasen. Die abgesattelten Pferde liefen spielerisch durch das kniehohe Gras. Niemand hatte sich um die Jungen gesorgt. „Laß sie sich austollen!“ hatte Mac Lean gelacht, als der Vater brummend bemerkt hatte, die Jungen könnten sich auch ein wenig um den Treck kümmern.
Die Jungen fanden den Vater und Mac Lean über der großen Karte von Britisch-Kolumbien. Mac hatte eine Skizze daneben gelegt und verglich nun die beiden.
„Es kann der Tetachuk Lake nicht sein!“
„Wir haben den großen Sumpf umgangen und sind dabei immer mehr nach Nordosten abgedrängt worden. Wenn meine Orientierung stimmt, dann ist es der Entiako-See, der sein Wasser in den Nechako River schickt.“
Die Jungen traten jetzt heran. „Wir haben einen grauen Schieferhügel gefunden, Vater. Den solltet ihr sehen. Der beste Platz für unser Haus!“
Peter Sattler schüttelte den Kopf. „Hier ist gut sein, warum sollen wir noch weiterziehen!“
Schweigend drückten sich die Brüder. Sie bauten die Zelte auf, trugen Holz und Wasser herbei, wie sie es auf der ganzen langen Reise gemacht hatten. Aber in ihren Köpfen bohrte es doch: der Hügel, der Hügel!
Als Mac Lean allein mit den Jungen im Zelt war, fragte er: „Ihr habt von einem Hügel erzählt, werdet ihr ihn morgen wiederfinden?“
Es war dunkel im Zelt, und Mac Lean sah nicht, wie die Brüder vor Freude erröteten.
„Wir finden ihn bestimmt wieder, er ist nicht zu übersehen!“
„Morgen reiten wir hin, wir drei!“
Mac Lean schwieg. Er streckte sich und gähnte laut. Aber in seinem Kopf wuchs schon ein Plan. Ein Hügel, darauf ein Haus, von dem man weit über alle Weiden hinwegsehen konnte, große Gehege und tummelnde Rinder: ein freier Rancher inmitten seines Besitzes. Erfüllte sich jetzt nicht ein Traum seines Lebens? „Und dabei ist doch alles ganz einfach gegangen, nicht der Rede wert.“ Er drehte sich in seiner Decke murmelnd herum, in wenigen Minuten war er eingeschlafen.
Peter Sattler und Mac Lean hatten am nächsten Morgen eine lange Unterredung.
„Zunächst wollen wir unser zukünftiges Ranchland umreiten. Man muß doch wissen, womit man anfängt!“
Mac Lean spielte mit seinem Lasso und rollte sich zwischendurch eine Zigarette. Ihm erschien es, als begännen erst jetzt die richtigen Sorgen, da sie endlich auf der Weide angelangt waren. Bisher war es immer nur Reise, vergängliche Sache gewesen, aber nun mußte jeder Griff und jede Handlung auf Dauer eingestellt sein.
„Da wir keine Konkurrenten haben, ist das nicht so eilig“, warf Peter Sattler ein. „Mir ist es wichtig, einmal ein richtiges Gehege für die Rinder zu haben. Sieh doch, wie weit sie sich heute nacht zerstreut haben!“
„Nach Anahim können sie nicht mehr zurück!“ lachte Mac Lean. „Aber du hast natürlich recht. Wo soll das Ranchhaus stehen?“
Peter Sattler blickte um sich. „Hier ist es nicht übel. Doch –“
„– wie wäre es mit dem Vorschlag deiner Söhne?“ fragte Mac Lean.
„Gut, reiten wir!“
Anfangs schien es Bill und Peer, den beiden Brüdern, als könnten sie den Hügel nicht mehr finden. Sie erkannten erst jetzt, wie weit sie gestern geritten sein mußten. Hinter jede Waldbucht schauten sie, und manchmal umritten sie flache, alleinstehende Wäldchen. Doch endlich fanden sie ihn. Der Hügel stach auch den Männern sogleich in die Augen.
Und an diesem Tag wurden noch einmal die Packpferde aufgesattelt, ein letztes Mal wohl für lange Zeit.
Es wurde ein gemächliches, frohes Wandern über die endlose Weide hin. Die Bäuche der Rinder standen schon am Mittag prall, aber sie rupften immer wieder da und dort ein besonders saftiges Büschel Gras. Auch die Pferde trotteten mit ständig gesenkten Köpfen dahin, und mehr als einmal schien es, als wollte ihnen die Last über den Kopf hinabgleiten. Niemand wehrte es ihnen heute. Was machte es auch aus, ob man eine Stunde früher oder später am Hügel anlangte? Menschen und Tiere, alle hatten das Gefühl: Nun sind wir daheim, endlich daheim!
„Einen Rasttag haben wir uns alle verdient, aber morgen soll es losgehen!“ meinte Peter Sattler am nächsten Abend, als ein jeder einen ganzen Tag lang getan und gelassen hatte, was er nur wollte. Nur die Mutter hatte eine Ausnahme gemacht und auch an diesem Tag für alle gesorgt.
Ihre größte Sehnsucht ging nach einer wohnlichen Hütte. Aber sie wußte, daß der Hausbau warten mußte. Es stand noch vieles bevor, das wichtiger war.
Zuerst kam der Viehzaun. Am Morgen zogen die vier Männer mit geschulterten Äxten und der kleinen Motorsäge in den Wald hinauf. Den ganzen Tag summte der Motor der Säge, hallte der Schlag der Axt. Tanne um Tanne, lauter junge schlanke Tannen, sanken um, mit einigen Hieben flogen die Äste ab, und das scharfe Schäleisen schabte die Rinde von den Stämmen. Die Stangen wurden in Ketten gebündelt, und die Tragpferde schleppten sie auf die Wiese hinaus. Peter Sattler spitzte mit wuchtigen Hieben die Pfähle zu und steckte sie zum Ankohlen in das Feuer.
Der Zaun für acht Rinder mußte nicht allzuweit gezogen werden, aber später wollte man eine zweite Koppel anfügen, wenn die erste kahlgefressen war. Es war nicht gut, wenn man die Rinder so einfach über die endlose Weide dahinstampfen ließ.
Eine Woche lang trieben die Männer diese Arbeit, dann standen die Zäune. Dazwischen hinein hatten Mac Lean und Peter Sattler eine einfache und primitive Ranchhütte aus Pfählen und Rinden errichtet, eine Sommerhütte, damit man endlich der Zelte entraten konnte. Auf dem roh aufgestellten Steinherd ließ sich für Bärbi Sattler schon viel angenehmer kochen als auf dem großen Dreifuß über knatternden Flammen.
Rossy aber lernte zur Zeit das Melken der Kühe.
„He, morgen beginnt die Mahd!“ verbreitete Mac Lean eines Abends seinen neuen Plan.
Jetzt mußte sich das schwerste Stück bewähren, das sie auf dem langen Weg mit sich geschleppt hatten. Auf der Floßfahrt über den Fluß wäre es bald hinab in das Wasser gesunken: der kleine, hoch übersetzte Motormäher. Peter Sattler setzte ihn an, wo das Gras am fettesten stand, denn man mußte mit dem Benzin sparsam umgehen. Zwei, drei Stunden jeden Tag durfte der Motormäher rattern, dann lag ein weites Stück Weide gemäht. Alle übrige Arbeit, das Wenden und Heuen, das Zusammentragen zu hohen Schobern, mußte mit den Handwerkzeugen geschehen.
Peter Sattler fühlte sich wie in