zueinander, zwischen Sektoren stehen sie in Tauschverhältnissen. Die Haushalte bedienen den Firmensektor mit Arbeit und Kapital, und die Firmen bedienen den Haushaltssektor mit Gütern und Dienstleistungen (Abbildung 1).
In diesem Modell leiten sich die Preise auf den Faktormärkten letzten Endes von den Preisen auf den Gütermärkten her. Insofern sorgen die Märkte für einen komplexen Nexus zwischen den volkswirtschaftlich verfügbaren Ressourcen einerseits und den individuellen Bedürfnissen andererseits. Oder noch einfacher |73|ausgedrückt: Die Produktion dient – einzig und allein – dem Konsum. Von daher kommt der Güternachfrage eine zentrale Stellung zu.
Produktion und Konsum in der ökonomischen Standardtheorie
Diese Güternachfrage wird wie folgt modelliert. Unterstellt wird ein repräsentativer Haushalt, der eine über Marktgüter (xi) definierte Nutzenfunktion (U) maximiert.
Dabei hat er als Nebenbedingung zu beachten, dass er die Güter, die er konsumieren möchte, zuvor am Markt erwerben muss, hierfür aber nicht mehr Geld ausgeben kann, als er in seiner Rolle als Anbieter von Faktorleistungen einnimmt. Für jede Mengeneinheit des Marktgutes xi ist ein Preis in Höhe von pi zu entrichten. Das verfügbare Einkommen beträgt B. Mithin lautet die Budgetrestriktion:
Maximiert ein Haushalt seine Nutzenfunktion unter Berücksichtigung dieser Nebenbedingung, so lässt sich sein Optimalverhalten im Gleichgewicht durch folgende „First-Order-Condition“ kennzeichnen:
Hierbei gibt die linke Seite der Optimalbedingung die Grenzrate der Substitution an. Sie sagt aus, auf wieviel Einheiten von Gut 2 der Haushalt zu verzichten bereit ist, um eine zusätzliche Einheit von Gut 1 zu kaufen. Die rechte Seite der Optimalbedingung hingegen gibt die Grenzrate der Transformation an. Sie sagt aus, auf wieviel Einheiten von Gut 2 er tatsächlich verzichten muss, wenn er am Markt eine zusätzliche Einheit von Gut 1 kaufen will. Insofern thematisieren beide Seiten der Gleichung einen Tradeoff zwischen den beiden Marktgütern x1 und x2: In bezug auf diesen Tradeoff spiegelt die linke Seite das subjektive Wollen, die rechte Seite das – marktvermittelte – objektive Können des Haushalts wider.
Graphisch ergibt sich das optimale Verhaltensgleichgewicht als Tangentialpunkt zwischen einer Indifferenzkurve (U) und einer Budgetgerade (B) (Abbildung 2a). Hierbei wird die Grenzrate der Substitution, d.h. das subjektiv gewünschte Tauschverhältnis, durch die Steigung der Indifferenzkurve repräsentiert, |74|die Grenzrate der Transformation hingegen, d.h. das objektiv gegebene Tauschverhältnis, durch die Steigung der Budgetgerade. Aus diesem Modell lassen sich zwei grundlegende Aussagen analytisch herleiten: erstens die Aussage, dass „normale“ Marktgüter einen positiven Einkommenseffekt aufweisen, d.h. dass sie beide vermehrt nachgefragt werden, wenn – bei Konstanz des relativen Preisverhältnisses – die Budgetrestriktion gelockert wird, und zweitens die Aussage, dass Marktgüter denknotwendig einen negativen Preiseffekt aufweisen, d.h. dass sie weniger nachgefragt werden, wenn – bei Konstanz des Realeinkommens – ihr relativer Preis steigt. In Abbildung 2b ist ein reiner Einkommenseffekt eingezeichnet, was durch die parallele Verschiebung der Budgetgerade nach außen zum Ausdruck kommt. In Abbildung 2c hingegen ist ein reiner Preiseffekt eingezeichnet. Hier erfolgt eine Drehung der Budgetgerade, deren Steigung – gemäß Gleichung (3) – durch das relative Preisverhältnis bestimmt wird. Die Folge ist, dass vom relativ verbilligten Gut x1 mehr, vom relativ verteuerten Gut x2 hingegen weniger nachgefragt wird.
Gleichgewicht, positiver Einkommenseffekt und negativer Substitutionseffekt einer einkommenskompensierten Preisänderung
(2) Es ist dieses grundlegende Modell, das Becker mit seinem Forschungsprogramm elaboriert: Der ökonomische Imperialismus beruht auf der Radikalisierung der „wirtschafts“-wissenschaftlichen Preistheorie zum ökonomischen Ansatz. Diese Radikalisierung erfolgt in mehreren Stufen.
Die erste Stufe bildet seine Theorie der Diskriminierung.[97] Becker untersucht, mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, wenn in der Wirtschaft nicht nur Präferenzen für Güter und Dienstleistungen, sondern auch Präferenzen hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften von Tauschpartnern eine Rolle spielen. Insbesondere geht er der Frage nach, von welchen Umständen es abhängt, ob Märkte einen bestehenden Hang zur Diskriminierung entkräften oder verstärken. Der empirische Befund, der aus diesen Untersuchungen hervorgeht, nämlich dass z.B. Frauen oder Schwarze regelmäßig schlechter bezahlt werden als Männer bzw. Weiße, führt Becker zu der Folgefrage, ob diese Lohndifferenzen notwendig |75|auf Diskriminierung zurückzuführen sind oder ob nicht auch andere Faktoren hierfür verantwortlich sein könnten. Diese Frage leitet die zweite Entwicklungsstufe ein: die Formulierung der Humankapitaltheorie.[98] Sie geht davon aus, dass Kapital nicht nur – in der Form von Sachkapital – in Firmen eingesetzt wird, sondern dass auch der Produktionsfaktor Arbeit Kapitaleigenschaften aufweist, die es als gerechtfertigt erscheinen lassen, von Humankapital und folglich von Bildungs- und Ausbildungsinvestitionen in Humankapital zu sprechen, denen vergleichbare Renditekalküle zugrundeliegen wie Investitionen in Sachkapital. Lohndifferenzen können demnach auf unterschiedlich hohe Investitionen in Humankapital zurückgeführt werden.[99]
Diese beiden ersten Entwicklungsstufen weisen eine Gemeinsamkeit auf. In beiden Fällen handelt es sich weitgehend um bloße Anwendungen eines bereits vorfindlichen analytischen Instrumentariums auf neue Probleme. Die erste Anwendung macht sich das etablierte Modell rationalen Individualverhaltens zunutze, indem sie lediglich die Nutzenfunktion leicht variiert und nun eine reichhaltigere Klasse von Präferenzen berücksichtigt. Die zweite Anwendung macht sich das Modell rationaler Produktion zunutze, indem sie das Konzept des Investitionskalküls von der Sphäre der Firma auf die Sphäre des Haushalts überträgt. Beide Anwendungen ‚spielen‘ also gewissermaßen mit den Kategorien der traditionellen Preistheorie, und beide Anwendungen sind hierin außerordentlich erfolgreich.
(3) Zunächst erfolglos hingegen ist die dritte Stufe in der Entwicklung des Forschungsprogramms: Becker (1960, 1982) versucht, das Haushaltsmodell auf generatives Verhalten anzuwenden. Hierzu unterstellt er eine Präferenz für Kinder. Die zugrundeliegende Idee ist, Aussagen darüber abzuleiten, wie sich Veränderungen des individuellen Möglichkeitenraums auf das optimale Haushaltsgleichgewicht auswirken müssten. Es geht Becker also darum, generatives Verhalten auf Preis- und Einkommenseffekte hin zu untersuchen. Dieser Versuch stößt jedoch auf eine unerwartete Schwierigkeit. Er führt nämlich zu folgender Anomalie: Während des 20. Jahrhunderts sind die Einkommen der US-Haushalte drastisch angestiegen. Da es keinen Grund zu der Vermutung gibt, dass Kinder inferiore Güter sind, müsste für sie daher – wie für andere „normale“ Güter auch – eigentlich ein positiver Einkommeneffekt erwartet werden. Demgegenüber lässt sich jedoch empirisch beobachten, dass die Kinderzahl nicht gestiegen, sondern drastisch gesunken ist. Becker ist also mit der Anomalie eines negativen Einkommenseffekts konfrontiert. Familieneinkommen und Familiengröße verhalten sich der Tendenz nach nicht proportional, sondern umgekehrt proportional zueinander.
Durch diese Anomalie sieht sich Becker vor folgende Entscheidung gestellt: Entweder muss er den Anspruch aufgeben, dass der ökonomische Ansatz zur Analyse generativen Verhaltens prinzipiell anwendbar ist, oder er muss den ökonomischen |76|Ansatz so umformulieren, dass die Anomalie erklärt wird. Die erste Alternative ist nicht sonderlich fruchtbar. Sie führt ad hoc eine Einschränkung des preistheoretischen Anwendungsbereichs ein, für die die Preistheorie selbst keine Hinweise liefert. Damit bricht sie einen theoretischen Lernprozess ab, aus dem möglicherweise etwas über die Grenzen der Preistheorie in Erfahrung gebracht werden könnte. Becker entscheidet sich also für die zweite Alternative, und hier muss er nun zwischen verschiedenen