hervor. Dass er in der Tat nicht nur zwei, sondern drei seiner Aufsätze für grundlegend hält, geht implizit – aber besonders nachdrücklich – auch daraus hervor, dass die, abgesehen von der Einleitung, insgesamt sechs Aufsätze seines Buches folgende Zuordnung nahelegen (Abb. 1).
Ein schematischer Überblick über die Aufsätze des Buches „The Firm, the Market, and the Law“ von 1988
Dieser Zuordnung zufolge ist jedem der von Coase selbst als grundlegend empfundenen Aufsätze eine Ergänzungsstudie an die Seite gestellt, in der dann einzelne Aspekte weiter ausgearbeitet werden. Insofern liegt es nahe, die Beantwortung der ausgewiesenen Fragen mit einer Untersuchung dieser drei Coase-Aufsätze zu beginnen.[215]
|141|1. Der Aufsatz „The Nature of the Firm“ (1937)
Die Argumentation dieses unbestritten grundlegenden Aufsatzes lässt sich in drei Schritten rekonstruieren. Im ersten Schritt skizziert Coase einen Problemaufriss, im zweiten Schritt stellt er den Transaktionskostenansatz als eine neue Perspektive vor, und im dritten Schritt erläutert er die Implikationen dieses Ansatzes anhand einer Auseinandersetzung mit (Fehlern) der einschlägigen Literatur.
(1) Als Problemaufriss wählt Coase die zeitgenössische Sozialismusdebatte, die Auseinandersetzung um zentrale versus dezentrale Planung. In dieser Debatte standen sich zwei Auffassungen konträr gegenüber, eine anti-marktwirtschaftliche und eine pro-marktwirtschaftliche. Der anti-marktwirtschaftlichen Auffassung zufolge ist alles Wirtschaften einer zentralen Direktive zu unterwerfen. Alles Handeln soll einem einzigen Plan folgen. Die pro-marktwirtschaftliche Gegenposition hierzu besteht nun allerdings nicht einfach darin, eine völlige Abwesenheit von Planung zu postulieren. Vielmehr wird eine dezentrale Planung befürwortet. Dieser Auffassung zufolge soll das Zusammenspiel der einzelnen Wirtschaftseinheiten primär über Marktpreise koordiniert werden.
Vor dem Hintergrund dieser vornehmlich normativ geführten Debatte trifft Coase nun die Feststellung, dass es offenbar nicht nur eine einzige Form der Koordination wirtschaftlichen Handelns gibt, sondern (mindestens) zwei, eine firmen-interne und eine firmen-externe: die hierarchische Anweisung durch einen Unternehmer auf der einen Seite und die marktliche Preiskoordination auf der anderen Seite. Hieraus folgt für ihn ein bislang unbewältigtes Problem positiver ökonomischer Theorie. Coase geht es darum, die empirische Ausprägung der beiden Koordinationsformen auf real existierenden Märkten als Ergebnis ihrer wechselseitigen Substituierbarkeit erklären zu können. Diese Problemstellung wird in aller Klarheit offen ausgewiesen:
„The purpose of this paper is to bridge what appears to be a gap in economic theory between the assumptions (made for some purposes) that resources are allocated by means of the price mechanism and the assumption (made for other purposes) that this allocation is dependent on the entrepreneur-co-ordinator. We have to explain the basis on which, in practice, this choice between alternatives is effected.“[216]
(2) Aufbauend auf diesem Problemaufriss, führt Coase seinen Transaktionskostenansatz als ein positives Analyseinstrument ein. Er beleuchtet die Koexistenz von Markt und Hierarchie – genauer: die Koexistenz von preislicher Koordination und hierarchischer Koordination, und er beleuchtet diese Koexistenz |142|von beiden Seiten aus. Coase nimmt eine Untersuchungsperspektive ein, die sich in zwei originellen Fragestellungen niederschlägt. Die erste Frage lautet: Gegeben einen Preismechanismus, warum existieren überhaupt Organisationen?[217] Die zweite Frage ist genau spiegelbildlich angesetzt. Sie lautet: Gegeben Organisationen, warum (ko-)existiert ein Preismechanismus? Warum gibt es überhaupt einen Markt, und warum werden nicht statt dessen einfach alle Transaktionen innerhalb einer riesigen Firma abgewickelt?[218] Insofern ist die Frage nach einer Erklärung für die Existenz preislicher Koordination zugleich eine Frage nach der in der Realität beobachtbaren Firmengröße – genauer: eine Frage nicht nur nach den Bestimmungsgründen, die ein unendliches Anwachsen der Firmengröße verhindern; sondern eine Frage auch nach den Bestimmungsgründen, die zu einer gleichgewichtigen Firmengröße führen.[219]
Zur Beantwortung der ersten Frage verweist Coase auf die Kosten preislicher Koordination. Hierzu zählt er zum einen die mit der Sammlung von Preisinformationen verbundenen Informationskosten und zum anderen die Vertragskosten, die bei der Abwicklung marktlicher Tauschakte anfallen.[220] In der Einsparung solcher Kosten preislicher Koordination sieht Coase die Erklärung für die Existenz von Organisationen. Diese Perspektive findet ihren unmittelbaren Niederschlag in der Definition, die Coase für den Begriff der Firma vorschlägt: „A firm … consists of the system of relationships which comes into existence when the direction of resources is dependent on an entrepreneur.“[221]
Zur Beantwortung der zweiten Frage verweist Coase auf die Kosten hierarchischer Koordination. Er argumentiert mit sinkenden Grenzerträgen des Managements: Zum einen werde es mit wachsender Firmengröße immer teurer, zusätzliche Produktionsfaktoren zu attrahieren; und zum anderen falle es dem Unternehmer immer schwerer, die Qualität seiner Dispositionsentscheidungen bei wachsender Firmengröße aufrechtzuerhalten. Bei der Erörterung dieser Aspekte ist Coase sorgsam darauf bedacht, die relevanten Alternativen im Auge zu behalten. Er macht darauf aufmerksam, dass es zum Wachstum einer Firma, d.h. zur hierarchischen Abwicklung von immer mehr Transaktionen durch einen Unternehmer, zwei Alternativen gibt: eine preislich koordinierte Transaktionsabwicklung über den Markt und eine hierarchische Transaktionsabwicklung innerhalb einer anderen Firma. Ferner legt Coase großen Wert darauf, dass |143|empirisch vorfindliche Firmengrößen als gleichgewichtiges Ergebnis marginaler Substitutionsprozesse zwischen den relevanten Alternativen erklärt werden können. Beide Aspekte werden zu folgender Aussage gebündelt: „[A] Firm will tend to expand until the costs of organizing an extra transaction within the firm become equal to the costs of carrying out the same transaction by means of an exchange on the open market or the costs of organizing in another firm.“[222]
Dieser Auffassung zufolge sind es die Transaktionskosten preislicher und hierarchischer Koordination, die in der Realität gegeneinander abgewogen werden und deren marginale Substitution zu Gleichgewichten führt, mit denen sich nicht nur die Größe einer einzelnen Firma, sondern sogar die (Firmen-)Struktur einer gesamten Industriebranche beschreiben lässt. Vor diesem Hintergrund sieht Coase den Vorzug seines Transaktionskostenansatzes darin, dass dieser der ökonomischen Analyse ein wichtiges Thema methodisch erschließt: „The whole of the ‚structure of competitive industry‘ becomes tractable by the ordinary technique of economic analysis.“[223]
(3) Coase profiliert seinen Transaktionskostenansatz, indem er zu drei Positionen, die in der einschlägigen Literatur vertreten werden, differenzierend Stellung bezieht.
Die erste Position führt die Existenz der Firma auf die mit zunehmender Arbeitsteilung zunehmende Komplexität und auf die damit einher gehende Notwendigkeit zur Komplexitätsreduktion zurück: Die Firma diene per Integration der Ordnung einer ansonsten ins Chaos abdriftenden Wirtschaft. – Coase kritisiert diese Auffassung nun nicht etwa deshalb, weil sie auf einem funktionalistischen Fehlschluss beruht, sondern vielmehr deshalb, weil sie die relevanten Alternativen außer acht lässt und so, perspektivisch bedingt, die dem Problem angemessene Fragestellung verfehlt. Coase weist die Auffassung mit folgendem Argument zurück: „The ‚integrating force in a differentiated economy‘ already exists in the form of a price mechanism. … What has to be explained is why one integrating force (the entrepreneur) should be substituted for another integrating force (the price mechanism).“[224]
Die zweite Position führt die Existenz der Firma auf die Fähigkeit der Unternehmer zurück, Unsicherheit absorbieren zu können. Coase stimmt dieser vor allem von Frank Knight vorgetragenen Auffassung insofern zu, als auch er die Einschätzung teilt, dass Managementfähigkeiten, insbesondere Wissen und Urteilskraft angesichts einer ungewissen Zukunft, einen wichtigen Input für den Produktionsprozess darstellen – die deutschsprachige Betriebswirtschaftslehre würde hier in Anlehnung an Erich Gutenberg von einem dispositiven (Produktions-)Faktor sprechen. Allerdings widerspricht Coase der Auffassung von Knight insofern, als er auf ein Non-Sequitur hinweist: Aus der Bedeutung dieses Produktionsfaktors folge nicht die Organisationsform des Produktionsprozesses.