die variablen Kosten zu Recht in Kauf genommen worden sind, weil die verbrauchten Ressourcen in ihrer tatsächlichen Verwendung eine höhere Nutzensumme ermöglicht haben als in einer etwaigen alternativen Verwendung.
Im Sonderfall eines natürlichen Monopols verhält sich dies anders. Hier verlaufen die Grenzkosten im relevanten Bereich unter den Durchschnittskosten. Es gilt: GK < DK. Grenzkostenpreise können somit zwar auch weiterhin sicherstellen, dass der Ressourcenverbrauch für die letzte, marginale (n-te) Gütereinheit volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Sie können jedoch nicht sicherstellen, dass es volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist, auch die (n – 1) inframarginalen Einheiten des Monopolgutes zu produzieren. Mit anderen Worten garantieren Grenzkostenpreise nur die Wirtschaftlichkeit der zur Grenzproduktion verwendeten Ressourcen; sie garantieren jedoch nicht die Wirtschaftlichkeit der zum Kapazitätsaufbau verwendeten Ressourcen. Sie geben Auskunft, wieviel produziert werden sollte, lassen jedoch die grundlegendere Frage unbeantwortet, ob überhaupt produziert werden sollte.
Im natürlichen Monopol sind Grenzkostenpreise anfällig für eine volkswirtschaftliche Verschwendung knapper Ressourcen. Während sie auf einem normalen Markt automatisch sicherstellen, dass neben den variablen Kosten auch die Inkaufnahme fixer Kosten durch einen entsprechenden Nachfragernutzen gerechtfertigt ist, ist im natürlichen Monopol gerade dieser Automatismus außer Kraft gesetzt, weil nun das Grenzkostenniveau im hier relevanten Bereich nicht mehr oberhalb, sondern unterhalb des Durchschnittskostenniveaus liegt. Hieraus folgt: Soll – im wohlfahrtsökonomischen Verständnis – aus einer gegebenen |148|Ressourcenausstattung ein Maximum an Bedürfnisbefriedigung herausgeholt werden, so muss dafür Sorge getragen werden, dass die Konsumentenrente der Nachfrager mindestens so groß ist wie der Subventionsbetrag, der zur Fixkostendeckung anfällt. In Abb. 4 ist ein Beispiel eingezeichnet, in dem dies eindeutig nicht der Fall ist.[227] Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht liegt hier eine Verschwendung knapper Ressourcen vor: Die zum Kapazitätsaufbau der Güterproduktion verwendeten Ressourcen wären besser anderweitig eingesetzt worden.
Ein Beispiel für Ressourcenverschwendung im natürlichen Monopol
Es stellt sich nun die Frage, wie bei der Setzung von Grenzkostenpreisen eine solche Verschwendung vermieden werden kann, d.h. wie man an die Informationen herankommt, anhand deren man beurteilen kann, ob die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nicht nur ausreicht, um die variablen Kosten zu decken, sondern ob sie auch ausreicht, um die fixen Kosten zu decken. Coase verweist darauf, dass jene Wohlfahrtsökonomen, die die Setzung von Durchschnittskostenpreisen ablehnen und statt dessen eine Setzung von Grenzkostenpreisen befürworten, zur Lösung dieses Problems vorgeschlagen haben, die Konsumenten nach ihrer Zahlungsbereitschaft zu befragen. An genau diesem Punkt setzt seine Kritik an: Während bei einem gespaltenen Tarif diese Zahlungsbereitschaft in Form von Beiträgen tatsächlich unter Beweis gestellt werden muss, bleibt es im Fall reiner Grenzkostenpreise bei einer hypothetisch bleibenden Erhebung der Zahlungsbereitschaft, weil nicht die befragten Konsumenten selbst, sondern die gesamten Steuerzahler die entstehenden Fixkosten finanzieren müssen. Angesichts dieses |149|gravierenden Unterschieds rechnet Coase mit massiven Anreizen strategischer Informationsverzerrung und folglich mit gravierenden Schwierigkeiten der Administration, die in Abb. 4 skizzierten Gefahren volkswirtschaftlicher Ressourcenverschwendung zu umgehen und so tatsächlich vermeiden zu können – vom Vermeiden-Wollen ist hier noch gar nicht die Rede –, dass viel mehr Monopolgut-Produktionen aufgenommen werden, als es nach wohlfahrtsökonomischen Kriterien gerechtfertigt erscheint.
Das für Coase entscheidende Argument zugunsten eines gespaltenen Tarifs und zu Lasten eines reinen Grenzkostenpreises ist ein Anreizargument: „Neither Hotelling nor Lerner nor Meade give, in my view, sufficient weight to the stimulus to correct forecasting, which comes from having a subsequent market test of whether consumers are willing to pay the total cost of the product. Nor do they recognize the importance of the aid which the results of this market test give in enabling more accurate forecasts to be made in the future.“[228]
(3) Gestützt auf diese Überlegungen, die neben Durchschnittskostenpreisen und Grenzkostenpreisen eine dritte Option zur Regulierung natürlicher Monopole ins Spiel bringen und diese als vergleichsweise überlegen ausweisen, kann Coase dem Anspruch entgegentreten, Grenzkostenpreise seien Durchschnittskostenpreisen überlegen. Zwar weisen Grenzkostenpreise den Vorteil auf – hierin stimmt Coase der in der Literatur vorfindlichen Einschätzung ausdrücklich zu –, dass sie den marginalen Ressourceneinsatz knappheitsmindernd ausrichten. Allerdings weisen sie – und dies wird nun als interne Kritik an der wohlfahrtsökonomischen Literatur betont – den Nachteil auf, den inframar-ginalen Ressourceneinsatz nicht knappheitsmindernd ausrichten zu können. Folglich sieht Coase hier einen Bedarf für eine weitaus differenziertere Einschätzung, als sie in der zeitgenössischen Literatur üblich ist. So schreibt er mit Bezug auf Grenzkostenpreise:
„The … advantage is that a government could undertake production in cases in which consumers would be willing to pay the total cost but which could not be undertaken with average cost pricing. … A government which made many errors in its estimates of individual demands could easily offset any good such a policy might produce. Average cost |150|pricing may prevent some things from being done which perhaps ought to be done, but it is also a means of avoiding certain errors in production, some of which would inevitably be made if the Hotelling-Lerner policy [of marginal-cost pricing; I.P.] were followed.“[229]
3. Der Aufsatz „The Problem of Social Cost“ (1960)
Dieser Aufsatz enthält eine vehemente Kritik der wohlfahrtsökonomischen Vorstellung externer Effekte, d.h. einer Denkkategorie, die Coase für irreführend hält und die er so radikal ablehnt, dass er nicht einmal den Begriff verwendet. Diese Kritik folgt einer Argumentationslinie, die Coase auf nicht weniger als 60 Druckseiten entwickelt. Allerdings ist der Text in insgesamt 10 Abschnitte unterteilt, die es dem Leser erleichtern, den roten Faden nicht zu verlieren. Folgt man dieser Einteilung, so lässt sich die Argumentation in fünf Schritten zusammenfassen.
Den ersten Schritt bilden die Abschnitte I und II. Hier formuliert Coase einleitend seine Problemstellung und seine These: Er geht aus von dem Befund, dass die Wohlfahrtsökonomik bei einer Diskrepanz zwischen privaten und sozialen Kosten einen externen Effekt diagnostiziert und als Therapie hierfür staatliche Eingriffe empfiehlt, die den externen Effekt internalisieren sollen, sei es in Form eines Verbots oder einer Besteuerung jener – z.B. umweltverschmutzenden – Aktivität, von der ein (negativer) externer Effekt ausgeht. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass der Verursacher eines externen Effekts mit – unter Umständen prohibitiv hohen – Kosten belastet werden soll, so dass es zu einer Angleichung von (verhaltensrelevanten) privaten und (wohlfahrtsrelevanten) sozialen Kosten kommt. Gegen diese Vorstellung wendet Coase ein, dass die Identifizierung von Verursachern auf einer Zuschreibung beruht, d.h. auf einer Situationswahrnehmung, |151|die er als unterkomplex zurückweist. Aus seiner Sicht geht das zugrunde liegende Problem – entgegen dem Augenschein – nicht einseitig vom ‚Verursacher‘ eines ‚externen Effekts‘ aus. Vielmehr stellt es sich ein als das Resultat einer Nutzungskonkurrenz, bei der rivalisierende Ansprüche an eine knappe Ressource aufeinandertreffen. Das Problem wird also wechselseitig verursacht. Es ist kollektiver Natur. Aufgrund dieser differenzierteren Diagnose hält Coase die Politikempfehlungen der Wohlfahrtsökonomik für in sich inkonsistent und tendenziell verfehlt. Deshalb setzt er seine Kritik als eine interne Kritik der Wohlfahrtsökonomik an. Seine These lautet, dass einige der für die Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt relevanten Alternativen – und mithin die Opportunitätskosten der empfohlenen Politikmaßnahmen – im traditionellen Ansatz außer acht gelassen werden. Er kritisiert also nicht, dass die Wohlfahrtsökonomik den gesellschaftlichen Nutzen maximieren will, sondern er kritisiert, dass ihr bei diesem Bemühen gravierende Fehler unterlaufen. Coase kritisiert, dass eine auf externe Effekte fixierte Wohlfahrtsökonomik ihr Ziel verfehlt: dass sie, entgegen ihrer Intention, aus systematischen Gründen die Wohlfahrt nicht wirklich maximiert, weil sie eine Perspektive einnimmt, aus der ihr gesellschaftlich relevante Kosten aus dem Blick geraten.
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