Vaters mit »den Dienern« zu einem »Wir« (V. 23c) eine neue Gemeinschaft, deren gemeinsames Handeln (V. 24c) den Rahmen der anschließend dargestellten Begegnungen schafft.
4 Der Blick auf »sein(en) ältere(n) Sohn« in Lk 15,25 leitet den Schlussteil ein. Dessen Ziel wird bereits im Gespräch mit »einem der Burschen« erkennbar, weist dieser doch dem Sohn mit den Bezeichnungen »dein Bruder« und »dein Vater« (V. 27) diejenige Rolle im Familienverband zu, die er einnehmen müsste. Im anschließenden Dialog macht ihm »sein Vater« auf seinen Protest hin diese Aufgabe unmissverständlich klar, indem er einerseits ihn seiner Stellung als »Kind« vergewissert, andererseits seine distanzierende Redeweise »dein Sohn da« durch die Rede von »dein(em) Bruder da« korrigiert. Zugleich greift der Dialog mit der Aussage »ich diene dir« die Festgemeinschaft des Vaters mit den Dienern (15,22a.23.24c), mit dem Ausdruck »dein Sohn da« die Aufnahme des reuigen Sünders durch den Vater (15,18f.20b–21.22b–c.24a–b) und mit der Erwähnung von »Huren« das Leben des jüngeren Sohnes in der Fremde (15,13–16) auf und führt auf diese Weise alle wichtigen Fäden der Erzählung zusammen.
Wie sich an Lk 15,11b–32 zeigt, hilft diese Betrachtungsweise dazu, eine Erzählung plausibel zu strukturieren; sie macht zudem die Funktion der einzelnen Abschnitte im Verhältnis zueinander und somit das narrative Gefälle des Textes erkennbar. In einer Übersicht lässt sich Letzteres wie folgt darstellen:
Die Fokussierung auf die Bezeichnungen der Handlungsträger ist freilich relativ einseitig; die Anlage der Erzählung in zeitlichen und räumlichen Dimensionen bleibt dabei ebenso unberücksichtigt wie ihre thematische Ausrichtung.
Der letztgenannte Mangel lässt sich nun dadurch beheben, dass man verfolgt, wie die wesentlichen Gegenstände und Sachverhalte der Erzählung in deren |27|Verlauf wieder aufgenommen werden. Hierzu sind folgende Verknüpfungen zu verzeichnen:
a) Das vom jüngeren Sohn anteilig erbetene, vom Vater aufgeteilte Erbe wird in Lk 15,12c (vom Sohn) οὐσία »Gut«, in V. 12d (vom Erzähler) βίος »Eigentum« genannt.[81] Der dem Sohn zustehende Anteil (τὸ ἐπιβάλλον μέρος) wird in V. 13init. mit dem Ausdruck πάντα »alles« wiederaufgenommen; danach wird dreimal auf die Verschwendung dieses Anteils verwiesen: Der Sohn habe »sein Gut vergeudet« (V. 13fin.), »alles ausgegeben« (V. 14a) und – so hält es der ältere Sohn dem Vater vor – »dein Eigentum … aufgezehrt« (V. 30a). Der andere, in V. 12d implizit dem älteren Sohn zugesprochene Erbteil wird in V. 31d vom Vater erwähnt, indem er jenem Sohn gegenüber feststellt: »alles (πάντα), was mein ist, ist dein«.[82] In den Blick gerät dieser Erbteil freilich schon vorher: zum einen in der Nennung der »Tagelöhner«, die beim Vater in Lohn und Brot stehen (V. 17b.19b), zum andern mit dem »Ring«, den der Vater dem jüngeren Sohn »an seine Hand« stecken lässt (V. 22c) – denn damit gibt er dem Heimkehrer erneut die Verfügungsgewalt, die ihm als Sohn zustand, die er mit dem Empfangen seines Anteils aber aufgegeben hatte.[83]
Die logische Spannung, die damit zu der Zusage des Vaters an den älteren Sohn: »alles, was mein ist, ist dein« (Lk 15,31d), entsteht, gehört gerade zu der »Zumutung des Irrealen«[84], die die Erzählung als Gleichnis, als metaphorische Rede von Gott, ausweist.
b) Die »heillose Lebensweise« (Lk 15,13fin.) des jüngeren Sohnes gipfelt in seiner Arbeit als Schweinehirte (15,15f.)[85]; in V. 18c und V. 21c wertet er selbst sie als Sünde »gegen den Himmel und vor dir (sc. dem Vater)«. Der Vater bestätigt die Wertung, indem er erst zu den Dienern (V. 24), dann zum älteren Sohn (V. 32) sagt: »Dieser … war tot … [und] verloren«. Dabei lassen der Rückbezug seines Kommentars auf die reuevolle Rückkehr des jüngeren Sohnes (15,20b–21) und der Kontrast zu seiner an dessen Bruder gerichteten Feststellung: »du bist allezeit bei mir« (V. 31c), erkennen, dass jedenfalls der Vater schon den Fortgang jenes Sohnes »in ein fernes Land« (vgl. V. 13) als Schritt in den »Tod« ansieht.[86] In V. 30a spricht zudem der Bruder den Vater auf die heillose Lebensweise des Jüngeren an; indem er diesem vorwirft, er habe mit Huren »dein (sc. des Vaters) Eigen|28|tum … aufgezehrt«, bezieht er auch die Vergeudung des zugeteilten Gutes (vgl. 15,13–14init.) ein. Dass der jüngere Sohn infolge dieser Vergeudung Mangel und Hunger litt (V. 14b.16), wird an sich nur innerhalb seines Selbstgespräches aufgenommen: »ich komme hier vor Hunger um« (V. 17c); über das doppeldeutige Stichwort ἀπόλλυμαι »ich komme um / bin verloren« ist das Motiv des tötenden Hungers jedoch auch mit den Kommentaren des Vaters in V. 24b.32c verbunden[87].
c) Der jüngere Sohn plant (Lk 15,18f.) und vollzieht (V. 20a.21) seine Rückkehr zum Vater; dieser heißt ihn willkommen (V. 20b) und bestätigt mit einem Auftrag an die Diener die Aufnahme des Sohnes in das Haus (V. 22). Rückkehr und Aufnahme werden dann mehrfach kommentiert: zuerst und zuletzt vom Vater (V. 24a–b.32b–c: »dieser … ist [wieder] lebendig geworden, … gefunden worden«), dazwischen vom Burschen (V. 27: »… dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat …, weil er ihn gesund zurückerhalten hat«[88]) und vom älteren Sohn (V. 30a: »als aber dieser dein Sohn … kam«).
d) Die mit der Schlachtung des Mastkalbes eingeleitete Feier der Rückkehr des jüngeren Sohnes wird vom Vater angeordnet (Lk 15,23), von allen Beteiligten begonnen (V. 24c) und dann eingehend besprochen: Der Erzähler notiert, der ältere Sohn habe »Musik und Tanz« gehört (V. 25c), sich bei einem Burschen erkundigt, »was dies sei« (V. 26fin.), und sich nach dessen Auskunft entschieden, »nicht hinein(zu)gehen« (V. 28a). Ferner reden Bursche (V. 27b) und älterer Sohn (V. 30b) davon, dass der Vater »das Mastkalb geschlachtet« hat.[89] Auf den Protest des Älteren hin – dass der Vater ihm trotz seines treuen Dienstes »niemals eine Ziege gegeben« habe, »auf dass ich mit meinen Freunden feiere« (V. 29c) – betont der Vater dann, es sei »nötig« gewesen, »zu feiern« und, wie es jetzt ausdrücklich heißt, »fröhlich zu sein« (V. 32a).
e) In seinem Protest gegen das Fest weist der ältere Sohn mit der Aussage »so viele Jahre diene ich dir« (V. 29b) zumindest auf die seit der Erbteilung (V. 12d) verstrichene Zeitspanne zurück, vielleicht auch auf das Dasein beim Vater insgesamt (V. 11b). Letzteres ist auf jeden Fall in der Antwort des Vaters im Blick, wenn dieser ihn als »Kind« anspricht und ihm in Erinnerung ruft: »Du bist allezeit bei mir« (V. 31c).
Insgesamt ergibt sich zur Wiederaufnahme von Gegenständen und Sachverhalten in Lk 15,11b–32 das nebenstehend abgedruckte Bild. Es macht deutlich, wie die oben anhand der Bezeichnungen der Handlungsträger definierten Hauptteile und Szenen miteinander verbunden sind, und darüber hinaus auf weitere Übergänge aufmerksam:
1 |30|Die Notiz, dass der jüngere Sohn »alles zusammengeholt hatte« (V. 13init.), schließt die Darstellung der Erbteilung in V. 12 ab.[90]
2 Die Schilderung seines verschwenderischen Lebens (V. 13) gipfelt in dem Satz, er habe begonnen zu darben (V. 14b); und die ab V. 15 geschilderte Elendssituation spiegelt der Auftakt seines Selbstgesprächs (V. 17) wider.
3 Planung und Vollzug der Umkehr zum Vater (15,18–20a) münden in dessen von Mitleid bestimmtes Entgegenkommen (V. 20b); und das Bekenntnis, gesündigt zu haben, zieht – über die Hoffnung auf Anstellung als Tagelöhner (V. 19) hinaus – die Wiederaufnahme als Sohn (V. 22) nach sich.
4 Die Beschreibung des Festes in 15,23f. wird mit dem Hinweis vollendet, der ältere Sohn habe bei seiner Annäherung ans Haus »Musik und Tanz« gehört (V. 25b–c); und seine auf die Befragung eines Burschen (15,26f.) folgende Weigerung »hineinzugehen« (V. 28a) führt dazu, dass der Vater »herauskam und ihm zuredete« (V. 28b).
Zudem wird beim Blick auf die Gegenstände und Sachverhalte ein zweiphasiger Verlauf der Geschichte erkennbar: Zunächst erweist sich V. 22 dadurch als Höhepunkt, dass der Vater hier den jüngeren Sohn mit dem Auftrag zur Übergabe des besten Gewands und des Rings