Reinhold Rieger

Martin Luthers theologische Grundbegriffe


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Günther Metzger, Gelebter Glaube. Die Formierung des reformatorischen Denkens in Luthers erster Psalmenvorlesung, dargestellt am Begriff des Affekts, 1964. Birgit Stolt, Gefühlswelt und Gefühlsnavigierung in Luthers Reformationsarbeit, 2012. Karl-Heinz zur Mühlen, Art. Affekt II. 6 Luther, in: TRE 1, 605–612. Ders., Die Affektenlehre im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: ders., Reformatorisches Profil, 1995, 101–122. Johann Anselm Steiger, Hg., Passion, Affekt und Leidenschaft in der Frühen Neuzeit, 2005.

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      Allegorie

      → Analogie, Buchstabe, Geheimnis, Geschichte, Sinn

      1. Wesen: Allegorie ist eine fortgesetzte Metapher (38, 539, 34). Die Allegorie gibt etwas anderes vor in den Worten und bedeutet etwas anderes im Sinn (2, 551, 7–10). Die Neigung zur Allegorie ist dem menschlichen Geist natürlicherweise zu eigen (5, 505, 16). Die Allegorien erzeugen keine sicheren Beweise in der Theologie, sondern sie schmücken und beleuchten die Sache wie Bilder (40I, 657, 13–22; vgl. 25, 141, 36; 44, 109, 13–18). Was Paulus Allegorie nennt, nennen Origenes und Hieronymus den geistlichen Sinn (2, 551, 16f.). Die Unterscheidung zwischen Literalsinn und allegorischem Sinn deckt sich nicht mit der zwischen Buchstabe und Geist (2, 551, 23–34). Denn der Literalsinn kann Geist, die Allegorie toter Buchstabe sein (7, 655, 27–29; 22, 219, 14–17). Durch Allegorien und Gleichnisse wird der gewöhnliche Mensch stark angesprochen. Deshalb verwendet sie auch Christus häufig. Sie sind nämlich wie Bilder, die den einfachen Menschen die Dinge wie vor Augen gemalt zeigen und die deshalb die Gemüter sehr bewegen, besonders der Ungebildeten (40I, 652, 33).

      2. Umgang: Es ist nicht erlaubt, in der Schrift mit Allegorien zu spielen, es sei denn, dass die Allegorie durch andere Stellen der Schrift unwiderleglich erwiesen ist (5, 541, 16f.). Diejenigen, die die heilige Schrift studieren und Prediger werden wollen, sollen sich hüten vor den geistlichen Deutungen oder Allegorien (16, 67, 24–26; vgl. 43, 667, 4–10). Nach Paulus gelte, dass wer heimliche Deutungen einführen will, der sehe zu, dass er sie deute auf den Glauben, dass sie sich zum Glauben reimen (16, 68, 11–28). Paulus war der beste Meister im Umgang mit den Allegorien, da er sie auf die Lehre vom Glauben, auf die Gnade und auf Christus bezog, nicht auf das Gesetz und die Werke, wie es Origenes und Hieronymus taten. Wer nicht die vollkommene Erkenntnis der christlichen Lehre hat, kann die Allegorien nicht sinnvoll behandeln (40I, 653, 14–20; vgl. 14, 500, 14f.; 16, 275, 15–18; 25, 240, 10f.). Aber die Befestigung des Glaubens besteht nicht in Allegorien (31II, 97, 23). Aus der Geschichte ist der Glaube aufzubauen, in dem allein wir verharren sollen und nicht so leicht auf Allegorien verfallen (31II, 242, 24–26). Der Allegorie geht immer das Fundament der Geschichte voraus (16, 579, 30). Die Allegorie ist schädlich, wenn sie nicht mit der Geschichte übereinstimmt (43, 667, 4f.). Der Umgang mit Allegorien ist recht, wenn in ihnen der Dienst des Wortes und der Lauf des Evangeliums und des Glaubens |13|gefunden werden (14, 500, 18f.; vgl. 11, 665, 13; 16, 255, 7). Wer eine Allegorie in der Schrift finden will, bemühe sich, dass er alles auf Christus beziehe (14, 306, 20f.). Die Glaubenden können mit Allegorien erbaut werden, den Ungläubigen hingegen kann durch sie nichts bewiesen werden. Andererseits verstehen die Ungebildeten durch Ähnlichkeiten, Gleichnisse, Allegorien mit Vergnügen (2, 550, 13f.). Man soll aber beim grammatischen und historischen Sinn bleiben (31II, 243, 16; vgl. 25, 113, 11–14), dem wahren Kern und Saft der Schrift. Dann kann man das Geheimnis hinzufügen (16, 72, 1f.). Die sich unter Vernachlässigung der Geschichte an Allegorien erfreuen, die gewinnen nur Nichtiges. Zweck der Allegorien ist nur, dass sie als Ornamente und Veranschaulichungen benutzt werden, im Kampf aber nützen sie überhaupt nichts. Die Geschichten aber leisten einen großen Beitrag zur Vermehrung und Befestigung des Glaubens (25, 225, 21–25; vgl. 31II, 89, 11f.; 97, 13–23). Luther hat seit der Zeit, als er begann, den historischen Sinn hochzuschätzen, die Allegorien verschmäht und sie nicht gebraucht, es sei denn, der Text selbst wiese sie auf oder die Deutungen könnten aus dem Neuen Testament entnommen werden (42, 173, 26–29; vgl. 666, 36–667, 3). Die Allegorien sollen nicht grundsätzlich verdammt werden, da Christus und die Apostel sie auch gebraucht haben nach der Analogie des Glaubens, so dass sie die Lehre schmückten und die Gewissen trösteten (42, 367, 32–40). Denn die Allegorie muss den Glauben nähren (43, 582, 20f.).

      3. Gegenstände: Alle geschaffenen Ordnungen sind Masken Gottes, Allegorien, durch die er seine Theologie rhetorisch malt: alles soll Christus in sich fassen (40I, 463, 9–464, 1). Alles Sichtbare kann verstanden werden als Figuren und Allegorien unsichtbarer Dinge. Aber Figur oder Allegorie sind keine Sakramente (6, 550, 21f.). Das Abendmahl ist keine Allegorie, die meint, das Brot bedeute des Herrn Leib, so Luther gegen Zwingli (26, 390, 27–29).

      📖 Gerhard Ebeling, Evangelische Evangelienauslegung, 1942. Timothy H. Maschke, The understandig and use of allegory in the lectures on the Epistle of Saint Paul to the Galatians by Doctor Martin Luther, 1993. Hans Wernle, Allegorie und Erlebnis bei Luther, 1960.

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      Alt/neu

      → Buchstabe/Geist, Christ, Fleisch/Geist, Mensch, Metapher, Reformation

      1. Altes/Neues Testament: Unter Altem und Neuem Testament versteht Luther nicht zuerst die biblischen Bücher, sondern den alten und den neuen Bund Gottes mit den Menschen. Das Alte Testament ist eine Figur des Neuen Testaments gewesen (6, 302, 21). Das Alte Testament musste alt werden und aufhören, weil es nicht auf Gottes Gnade, sondern auf Menschenwerken stand, und es musste ein anderes Testament kommen, das nicht alt würde, auch nicht auf unserem Tun, sondern auf Gottes Wort und Werke stünde, auf dass es ewiglich währt (DB 8, 29, 1–10). Jesus spricht, es sei ein neues, ewiges Testament in seinem eigenen Blut zur Vergebung der Sünden, womit er das Alte Testament aufhebt (6, 357, 29–32). Christus verwirft und hebt das alte Gesetz mit seinen Opfern und seiner Heiligkeit auf, da damit Gottes Wille nicht erfüllt sei, und nicht unser Werk und Opfer, sondern er selbst und alleine muss es für uns alle tun. Er verheißt also und stiftet das Neue Testament, da die Gerechtigkeit des |14|Glaubens in großer Gemeinde, das ist in aller Welt, gepredigt werden soll und nicht die Gerechtigkeit der Opfer oder unserer Werke (38, 33, 5–10). Die Gebote Gottes sind altes Testament, seine Verheißung neues Testament (7, 23, 30–24, 21), das Gesetz ist das Alte, das Evangelium das Neue (9, 569, 8f.). Denn das Alte Testament war wohl eine Verheißung, aber nicht der Vergebung der Sünden und ewiger Güter, sondern zeitlicher Güter, durch die niemand im Geist erneuert wurde (6, 515, 5–11). Das Alte Testament predigt den Buchstaben, das Neue predigt den Geist (7, 653, 17f.). Aber alles, was die Apostel gelehrt und geschrieben haben, das haben sie aus dem Alten Testament gezogen; denn in diesem ist alles verkündigt, was in Christus zukünftig geschehen und gepredigt werden sollte. Es ist kein Wort im Neuen Testament, das nicht hinter sich sehe in das Alte, worin es zuvor verkündigt ist, denn das Neue Testament ist nicht mehr als eine Offenbarung des Alten (10I.1, 181, 15–25). Das Evangelium oder Christus predigt nicht eine neue Lehre, die das Gesetz aufhebe oder ändere (32, 356, 18f.). Durch das Alte Testament macht man uns geschickt zu Christus zu kommen, denn wir sehen dadurch unser Gebrechen, werden demütig und wollen gern Hilfe haben. Das Neue hilft und macht fromm (9, 578, 13–15).

      2. Alter/neuer Mensch: Es gibt zwei Menschen in uns, Adam und Christus, jener der alte, dieser der neue Mensch (1, 81, 8f.). Der neue Mensch ist der Mensch der Gnade, der geistliche und innere Mensch vor Gott. Der alte Mensch aber ist der Mensch der Sünde, der fleischliche und äußere Mensch vor der Welt. Die Neuheit ist die Gnade, das Altsein die Sünde (3, 182, 24–27). Wir werden alte und neue Menschen genannt, doch nicht so, dass der Mensch zwei Dinge sei. Soweit wir den Glauben haben, sind wir neu, soweit wir nicht glauben, sind wir alt. Darum kann man den alten Menschen nicht deuten, als sei er allein Fleisch und Blut, denn er, wie auch der neue Mensch, ist der ganze Mensch (24, 557, 10–14). So muss man gegeneinander halten den alten und neuen Adam, wie Paulus sagt, so dass der alte Adam eine Figur des neuen Adams sei, dass der alte mit seiner Sünde alles vergiftet hat, was von ihm kommt, der neue alles, was von ihm kommt, selig gemacht und geheiligt hat durch den Geist (10III, 75, 22–25). Der alte Mensch hört nimmer auf zu sündigen, hat noch immer