zweiundvierzig Prozent.
(Wohnsituation)
Die soziale Differenzierung spiegelte sich auch in der Wohnsituation der Menschen in den Städten wider. In den prächtigen Villen mit großzügiger Ausstattung und Raumverhältnissen, deren Reste heute noch in Pompeji zu sehen sind, wohnten die Reichen und Mächtigen, sie waren aber zugleich Arbeits- und Schlafplatz von Sklaven und Sklavinnen. Handwerkern und Händlern boten ihre Werkstätten, Lagerräume bzw. Hinterzimmer Wohnmöglichkeiten. In Ein-Raum-Wohnungen in den obersten Stockwerken der Wohneinheiten (insulae) kamen jene unter, die sich dies gerade noch leisten konnten, während die wirklich Armen auf der Straße schliefen.
2.3 Griechisch-römische Philosophie
Die antike Philosophie war auf ein vollständiges Verstehen der Welt ausgerichtet und beinhaltete die Naturwissenschaften, Theologie und Metaphysik, Logik, Ethik und vieles mehr. Ihr Ziel war nicht allein die denkerische Durchdringung aller dieser Themenfelder, sondern darüber hinaus die umfassende Gestaltung des Lebens entsprechend ihren Erkenntnissen.
(Philosophische Schulen)
Die philosophische Praxis fand vor allem in Philosophenschulen statt, die nach dem Vorbild ihres jeweiligen Gründervaters geordnet waren. In diesen privaten Institutionen versammelte ein Lehrer, der einer bestimmten philosophischen Richtung angehörte, Schüler um sich, die er gegen Bezahlung unterrichtete. Dazu gehörte vor allem die Kommentierung der Schriften der Begründer der jeweiligen Philosophie, aber auch die diskursive Erörterung von Physik, Ethik und Dialektik. Die Schüler, seltener auch Schülerinnen, sollten darüber hinaus auch die den Lehren entsprechende moralische Haltung einüben.
Unter den zahlreichen philosophischen Richtungen waren in der frühen Kaiserzeit folgende verbreitet:
2.3.1 Stoizismus
Diese von Zenon von Kition im 4. Jh. v. Chr. gegründete Philosophenschule, benannt nach dem Unterrichtsort in Athen, der bemalten Säulenhalle (Stoa Poikilē), erlebte in der frühen Kaiserzeit eine neue Blüte. Ihre bedeutendsten Vertreter dieser Zeit waren Musonius Rufus (ca. 30–100 n. Chr.), Seneca (ca. 4 v. Chr.–65 n. Chr.), Epiktet (ca. 50–125/138 n. Chr.) sowie der Kaiser Marcus Aurelius (121–180 n. Chr.).
(Stoische Kosmologie)
Neben Logik waren im Stoizismus vor allem Naturphilosophie (Physik) und Ethik von besonderer Bedeutung. Der Kosmos wurde als ein Wesen angesehen, den das materiell verstandene Pneuma („Geist“) bzw. der Logos („Sinn“) als seine Seele lenkt. Von den vier Weltelementen Wasser, Erde, Luft und Feuer wurde das Feuer als das grundlegende bestimmt. Nach der zyklischen Kosmologie des Stoizismus kam der Kosmos aus dem Feuer und würde wieder im Feuer enden, um von Neuem zu entstehen.
(Stoische Ethik)
Die ethischen Lehren der Stoiker verwiesen darauf, dass es einer Unterscheidung zwischen den wichtigen und unwichtigen Dingen im Leben bedarf. Während Gesundheit, Wohlstand oder sozialer Status als unbedeutend eingeschätzt wurden, galt die Tugend als das einzig Wesentliche. Als tugendhaft galt ein Leben, das in Einklang mit dem Kosmos steht, die Leidenschaften beherrscht, die Affekte beseitigt und dem Handelnden damit absolute Autonomie und Freiheit eröffnet.
2.3.2 Epikuräer
(Das Streben nach Glück)
Die Epikuräer schlossen sich an den Athener Philosophen Epikur an (342–271 v. Chr.) und bildeten organisierte Gruppen im ganzen Römischen Reich. Epikurs Philosophie orientierte sich daran, dass der Mensch nach Glück strebt: Unbekanntes sollte verständlich (Physiologie), Unerreichbares als irrelevant angesehen, Unvermeidliches akzeptiert werden. Der therapeutische Charakter dieser Philosophie war besonders wichtig. Die Schriften Epikurs fungierten quasi als heiliger Text, der Philosoph wurde als Retter verehrt. Zu den Epikuräern gehörten auch Frauen und ausgewählte Sklaven. Die kleinen Gemeinschaften betrieben einen Rückzug ins Private.
2.3.3 Kynismus
(Wanderphilosophen / Diatribe)
Im 4. Jh. v. Chr. entwickelte vor allem Diogenes von Sinope eine Form der Philosophie, die in der Kaiserzeit ausgesprochen populär war. Der Kynismus leitet sich von dem Spottnamen κύνες (kynes/Hunde) ab, da die Vertreter dieser Philosophie aufgrund ihres schamlosen Verhaltens mit Hunden verglichen wurden. Die Kyniker waren Wanderphilosophen, die zumeist in Gruppen auftraten. Sie verkündeten ihre Lehren auf öffentlichen Plätzen, wobei sie durch Anstoß erregende Äußerungen, Tabubrüche und humorvolle bis derbe Reden ihr Publikum gezielt provozierten. Dass dabei vor allem Werte und Anschauungen der Eliten, u. a. zu Religion und Gesellschaft, ins Visier genommen wurden, sicherte ihnen großen Zuspruch bei Unterschichten und Sklaven. Ihre Philosophie war vor allem gelebte Existenz. Dabei stand die Askese („Übung“) im Zentrum, mit der der Wille des Einzelnen darauf trainiert werden sollte, die Leidenschaften abzulegen. Dies wurde als „der kurze Weg zur Tugend“ bezeichnet. Die Ausrüstung der wandernden Kyniker – Sack, Mantel und Stab – sowie ihre auch durch Gesten und Körpereinsatz unterstützten Reden waren weithin bekannt. Viele ihrer Vertreter hatten keine Bildung, da sie ihnen als unnötig galt. Ihre Lebensphilosophie drängte zum Rückzug aus der Gesellschaft, ihr Ziel war die αὐταρκεία (autarkeia/Unabhängigkeit). Der Stil ihrer Reden wird als Diatribe bezeichnet, eine Form, die auch von Stoikern gepflegt wurde. Die Diatribe, die im 1.–3. Jh. n. Chr. ihre Blüte hatte, zeichnete sich u. a. dadurch aus, dass Einsprüche fiktiver Gegner eingebaut wurden, griff aber darüber hinaus auf eine Reihe weiterer rhetorischer Kniffe zurück.
Mit den Kynikern teilten christliche Wanderlehrer wie Paulus die Existenzform (vgl. auch Mk 6,8f.; Mt 10,9f.; Lk 10,4), aber auch die Art der Rede (vgl. Röm 1–4). Der Kyniker Peregrinus Proteus (ca. 100–165 n. Chr.) hatte zunächst auch Beziehungen zum frühen Christentum und wurde im gleichnamigen Porträt des Lukian karikiert.
2.3.4 Mittlerer Platonismus
(Platonische Ideenlehre)
Platons Philosophie, die ihren Anfang im Athen des 4. Jh. v. Chr. nahm, wurde durch die sog. Akademie weitergeführt und erreichte ab dem 1. Jh. v. Chr. eine neue Blüte, die als Mittlerer Platonismus bezeichnet wird und bis zur Mitte des 3. Jh. n. Chr. reichte. Von den zahlreichen Ansichten seien wenigstens folgende genannt: Die Wirklichkeit ist in zwei Bereiche geteilt, jenen des reinen Seins und jenen des bloßen Werdens. Im Bereich des Seins ist der Schöpfergott, seine Gedanken sind die Ideen. Diese sind die vollkommenen und ewigen Vorbilder all dessen, was mit den Sinnen wahrnehmbar ist. Sie sind nur denkerisch zugänglich. Der wahrnehmbare Kosmos hingegen ist ihr Abbild. Er wird als Weltkörper gedacht, der auch eine Weltseele hat. An dieser Weltseele hat jede Menschenseele Anteil. Sie hat, da sie präexistent ist, die Welt der Ideen gesehen und kann sich daran erinnern. Erst diese Erkenntnis ermöglicht ein tugendhaftes Leben nach der gottgewollten Ordnung. Stirbt der Mensch, wird die Seele frei, gerichtet und wieder in einem Menschen oder einem Tier verkörpert.
(Philo von Alexandrien)
Der Einfluss des Mittleren Platonismus auf die Gesellschaft war groß, da er vielfältig rezipiert wurde. So nahm etwa der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien starke Anleihen bei dieser Lehrtradition. Sie hatte auch deutlichen Einfluss auf die Theologie des Hebräerbriefs, auf die sich im 2. Jh. n. Chr. entwickelnde Gnosis sowie auf die alexandrinische Theologie des Clemens und Origenes.
2.3.5 Aristotelismus
(Aristoteliker)
Die Schule des Aristoteles, der Peripatos, wirkte nach dem Tod des Lehrers im Jahr 322 v. Chr. in mehreren Epochen weiter. Um 60 v. Chr. setzte die Phase einer erneuten Rezeption seiner Werke ein, die ediert und vor allem kommentiert wurden. Unter anderem die Ausführungen des Aristoteles zu Logik, empirischer Prüfung, Ethik und Staatstheorie wurden von Aristotelikern durch den Schulunterricht und eigene Werke sowie pseudepigraphische Schriften verbreitet. Sie gingen damit in den Bildungskanon der Kaiserzeit ein. Einiges wurde gegen Ansichten des Mittleren Platonismus in Stellung gebracht bzw. mit diesem vermittelt. Unter anderen nahmen Philo von Alexandrien, Sextus Empiricus, Diogenes Laertios oder Clemens von Alexandrien zahlreiche Gedanken des Aristoteles auf.