in alle Bereiche des Mittelmeerraums verkauft wurden. Solche Auseinandersetzungen konnten den hohen Bedarf allerdings nur kurzfristig ausgleichen. In der Kaiserzeit waren die meisten Sklaven und Sklavinnen selbst Nachkommen von Sklaven (οἰκογενεῖς/oikogeneis, lat. vernae). Junge oder neue Sklaven wurden im Haus ausgebildet, um dann auch gewinnbringend verkauft werden zu können. Der Hausherr konnte Ehen zwischen Sklaven erlauben, zugleich waren sexuelle Beziehungen zwischen ihm und Sklavinnen bzw. Sklaven ebenfalls möglich. Kinder von Sklaven waren Eigentum des Besitzers.
(Freilassung)
Ein wichtiges Lebensziel vieler Sklaven und Sklavinnen war die Freilassung durch ihren Herrn (άπ-έλευθερία/ap-eleutheria, lat. manumissio). Während der Sklave ein Freigelassener wurde, ein άπ-έλεύθερος/ap-eleutheros (lat. libertus), wurde sein Herr zu seinem Patron. Er besaß dadurch noch ein gewisses Verfügungsrecht über seinen ehemaligen Sklaven, der nun zu seinem Klienten geworden war. Die Freilassung von Sklaven und Sklavinnen konnte auch testamentarisch festgesetzt oder durch die Zahlung einer Geldsumme an den Besitzer erreicht werden. Vielen Sklaven und Sklavinnen wurde von ihren Besitzern die Möglichkeit eingeräumt, Geld anzusparen, um sich schließlich selbst freikaufen zu können. Die Aussicht auf Freilassung führte dazu, dass Flucht, die strengstens bestraft wurde, und Aufstände wie jene, die zwischen 140 und 70 v. Chr. blutig niedergeschlagen wurden, eher selten waren.
Trotz mancher Überlegungen zur prinzipiellen Gleichheit aller Menschen und einer dementsprechenden Problematisierung der Sklaverei in der kynisch-stoischen Philosophie wurde dieses System in der gesamten Antike nicht in Frage gestellt, auch nicht durch das entstehende Christentum.
2.2.3.3 Vereinigungen
Eine wichtige Stellung zwischen den gesellschaftlichen Ebenen von Familie und Polis nahmen Vereinigungen ein. In der frühen Kaiserzeit erlebte der Mittelmeerraum ein Aufblühen des Vereinswesens, sodass ein gewichtiger Teil der Bevölkerung in den Städten – bis zu einem Drittel aller freien Männer – Mitglied in einer oder mehreren Vereinigungen war.
(Netzwerke)
Vereinigungen fungierten als soziale Netzwerke, in denen sich Menschen aufgrund ähnlicher Interessen trafen. Sie hatten einen beruflichen, ethnischen oder religiösen Schwerpunkt, wobei die Verehrung von Göttern in allen Vereinigungen eine Rolle spielte. Weit verbreitet waren z. B. Vereinigungen, die den Dionysos- bzw. Bacchuskult pflegten, in vielen wurde auch zusätzlich zur eigentlichen Vereinsgottheit der Kaiser verehrt.
(Kultische Dimension)
Viele der Namen, die sich Vereinigungen gaben, verweisen auf Gottheiten: Dionysiasten (=Iobakchen), Isiakoi (Verehrer der Isis), Demetriasten (Verehrer der Demeter), Poseidoniasten (Verehrer des Poseidon) usw. Andere rückten den Beruf im Namen in den Vordergrund, wieder andere ihre Herkunft. Zu Letzteren gehörten auch die „Synagogen der Judäer“, also die Versammlungen jener, die selbst oder deren Vorfahren aus Judäa stammten. Darüber hinaus gab es die unterschiedlichsten griechischen und lateinischen Bezeichnungen, zu denen u. a. θίασος/thiasos, ἔρανος/eranos, σύνοδος/synodos und έταιρία/hetairia gehören bzw. die lateinischen Begriffe collegium, societas und sodalitas. Im Bereich des aramäischsprachigen Judentums begegnet der Begriff chavurah, der in der Mischna dementsprechend verwendet wird (vgl. mErub 6,6).
(Vereinsleben)
Feste für die Götter mit einem anschließenden Gemeinschaftsmahl stellten das Zentrum des Vereinslebens dar, wie überhaupt der Freundschaftsaspekt von großer Bedeutung war. Die Treffen fanden je nach finanziellen Möglichkeiten in privaten Unterkünften oder angemieteten Räumen statt, in einem an einen Tempel angeschlossenen Speiseraum oder in einem eigenen Vereinshaus. Mähler wurden aus der gemeinsamen Kasse (griech. κοινόν/koinon) finanziert, in die festgesetzte Beträge regelmäßig eingezahlt wurden. Dazu kamen Gelder aus Beitrittsgebühren sowie von Sponsoren und Patronen, die manchmal sehr großzügig ausfielen. In Vereinsordnungen, die uns in Inschriften oder auf Papyrus überliefert sind, spielen diese Mahlzeiten, ihre Häufigkeit, Regelung und Finanzierung, eine große Rolle, woraus deutlich wird, dass sie der wichtigste Teil des Vereinslebens waren.
(Begräbnisse)
Über das gemeinsame Essen und Trinken hinaus machten es sich Vereinigungen auch öfters zur Aufgabe, für standesgemäße Begräbnisse ihrer Mitglieder und eine fortdauernde Erinnerung an sie zu sorgen. Dies war vor allem für die Ärmeren wichtig, die sonst nach ihrem Tod in einem Massengrab verscharrt worden wären. Vermögendere Vereinigungen hatten sogar eigene Begräbnisstätten, in Rom etwa sogenannte Columbarien. Möglich waren zudem Kreditvergaben aus der Vereinskasse, die manchmal auch Hauptzweck der Vereinigung waren.
(Ämter)
Für viele Bewohner einer Polis stellte die Mitgliedschaft in einer Vereinigung die einzige Möglichkeit dar, ein gewisses Maß an Ansehen zu gewinnen. Denn die innere Struktur dieser Gemeinschaften war jener der Polis nachgebildet, sodass es neben der Vereinsversammlung auch zahlreiche Ämter gab, die grundsätzlich allen Mitgliedern offenstanden. Unter den sehr unterschiedlichen Funktionsbezeichnungen sind auch solche, die sich in frühchristlichen bzw. jüdischen Gruppen finden: Presbyteros („Ältester“; z. B. CIRB 1283; IGUR I 77), Episkopos („Aufseher“; IDelos 1522), Diakonos („Diener“; ICariaR 162), Archisynagogos („Synagogenvorsteher“; GRA I 66), Grammateus („Schreiber“; GRA II 111).
Eine große Zahl an Ehreninschriften für verdiente Funktionäre von Vereinigungen, die die unterschiedlichsten Titel tragen konnten, bezeugen überdeutlich, wie wichtig Ämter waren. In der Praxis bedeutete die Übernahme eines Amtes wie in der Polis oft auch eine finanzielle Belastung.
(Zusammensetzung)
Die Zusammensetzung der Vereinigungen war sehr unterschiedlich. Zwar waren in den meisten ausschließlich Männer zugelassen, es gab aber auch gemischte Vereinigungen (GRA I 40.61; II 105.117; IGUR III 160), seltener reine Frauenvereinigungen (GRA I 143; IGBulg IV 1925,b). Hinsichtlich der sozialen Herkunft lässt sich Ähnliches beobachten: Etliche Vereinigungen bestanden ausschließlich aus Mitgliedern der lokalen Elite (GRA I 51), andere nur aus Sklaven und Freigelassenen (GRA I 68), wieder andere waren Mischformen (GRA II 117). Die Zahl der Mitglieder war in der Regel nicht groß (15–30 Personen), sehr selten waren Vereinigungen mit mehreren hundert Personen (IGUR III 160).
(Rechtliche Situation)
Die rechtliche Situation war charakterisiert durch die grundsätzliche Freiheit, Vereinigungen gründen zu dürfen, solange sich diese als loyal gegenüber den Interessen von Polis und Imperium und harmlos erwiesen. Erst wenn Probleme auftraten, wurden die römischen Behörden aktiv. Der sogenannte Bacchanalienskandal, über den uns ein erhaltener Senatsbeschluss aus dem Jahr 186 v. Chr. (CIL I3 581) sowie der römische Geschichtsschreiber Livius informieren (ab urbe condita 39,8–19), war der erste Fall, in dem eine Vereinigung verboten wurde. Später wurden bei politischen Unruhen in Rom ebenfalls Vereinigungen untersagt, während andere – wie etwa jene der Judäer – ausdrücklich erlaubt wurden (Sueton, Caes. 42,3; Aug. 32,1; Josephus, ant. 14,213–216). In Briefen an den Statthalter Plinius in der kleinasiatischen Provinz Bithynien-Pontus untersagte Trajan die Zulassung von Vereinigungen (Plinius d. J., epist. 10,33f.; 92f.), sodass sich auch Christusgläubige nicht mehr trafen, weil sie dies auch auf ihre Versammlungen bezogen (epist. 10,96). Für einige wenige Vereinigungen im Bereich der Stadt Rom, die Mitglieder der Eliten als Patrone hatten, ist demgegenüber eine formelle Bewilligung durch den römischen Senat belegt (CIL VI 2193; XIV 2112). Die allermeisten Vereinigungen hatten aber keinerlei Zulassung und benötigten diese auch nicht. Sie waren vielmehr wichtige Bestandteile in der Sozialstruktur der antiken Welt.
2.2.3.4 Bürger und Fremdlinge
(Städtisches Bürgerrecht)
Jeder freie männliche Bewohner einer Stadt war auch ihr Bürger und hatte damit bestimmte politische Rechte, die Frauen, Sklaven und Sklavinnen sowie Fremden nicht gewährt wurden. Dies betraf u. a. die grundsätzliche Möglichkeit, öffentliche Funktionen auszuüben oder in der Bürgerversammlung (έκκλησία/ekklēsia) an Abstimmungen teilzunehmen. Aber auch hier bestanden Einschränkungen aufgrund des Alters, des Vermögens, durch Beruf oder Herkunft.