den Jüngern wird die neue nachösterliche Tisch- und Weggemeinschaft (Lk 24Lk 24) auch für die Zweifelnden (Joh 20,24–28Joh 20,240096>28) real erfahrbar. Dabei wird man sich also vor einem „platt-materialistischen Verständnis von ‚Leiblichkeit‘ hüten müssen“.[9] Die neue Gegenwart des den Jüngern Vertrauten ist von anderer, neuer Wirklichkeit, die sich durch den Glauben erschließt.
Noch stärker und eindeutiger formuliert: Das Wesen des christlichen Glaubens hat seine Ursache und seine Zielrichtung in der bezeugten Wahrheit der Auferstehung Jesu selbst (1 Kor 9,11 Kor 9,1; 1 Kor 151 Kor 15). Am Auferstehungsglauben hängt die tiefste Bedeutung des Evangeliums für den Einzelnen und die ganze christliche Gemeinde. Den biblischen Bildern und Visionen eines vor dem Weltende sich ereignenden Gerichts kommt dabei die Funktion einer metaphorischen Verdeutlichung der finalen Entscheidungssituation zu. Die abgrundtiefen Alternativen der Schrecknisse der Endzeit (Mt 24f.) einerseits und der getrockneten Tränen sowie der goldenen Stadt auf dem Berge (Offb 21Offb 21) andererseits sind dabei nicht nur auf unterschiedliche Überlieferungszusammenhänge zurückzuführen, sondern liegen auch im Versuch möglichst hoher Anschaulichkeit der endzeitlichen dramatischen Entscheidungssituation begründet.
Im Ereignis des auferstandenen und präsent tröstenden Christus kommt somit die Hoffnung auf Erlösung der gesamten seufzenden Schöpfung (Röm 8,22Röm 8,22) sowie auf den neuen Himmel und die neue Erde (Offb 21Offb 21) zum Vorschein. In der Rede von der Auferweckung Jesu von den Toten (Röm 10,9Röm 10,9; 1 Kor 6,141 Kor 6,14 u.ö.) konzentriert sich Gottes Handeln auf „ein einziges und besonderes geschichtliches Ereignis“.[10] Damit wird die Auferstehung des einen Gekreuzigten und die „Hoffnung auf endzeitliche Realisierung der Königsherrschaft Gottes“[11] zur verheißenden Vision für alle – und dies nicht nur für die jenseitige neue Zeit, sondern auch schon für die Gegenwart. In diesem Sinn eröffnet die Rede von der Auferstehung nicht nur eine Hoffnung für das Leben jenseits des Todes, sondern schafft auch Lebensorientierung für die diesseitige Existenz. Dies wird für Paulus durch die Taufe bereits wirksam, denn durch das Hineintaufen in Jesu Tod und Auferstehung geht der Täufling den Weg durch den Tod in ein neues Leben jetzt |172|schon mit: „So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln“ (Röm 6,4Röm 6,4). Im Bild des verheißenen Reiches Gottes als seiner Neuschöpfung[12] verknüpfen sich somit die jenseitige und diesseitige Vision einer neuen Welt.
Die Frage nach der Auferstehung wird klassischerweise im Lehrstück von den letzten Dingen abgehandelt. Ihrer Sache nach befasst sich die Eschatologie dabei allerdings nicht nur und nicht primär mit der Frage des Weltendes, sondern mit der Frage nach der Zeit und Raum übergreifenden Neuschöpfung des Menschen und des ganzen Kosmos.[13] Die Wahrheit dieser Überlieferung bemisst sich folglich nicht an der historischen Ergründbarkeit etwa der Frage nach dem leeren Grab, sondern in der gegenwärtigen Lebensbedeutung des Auferstehungsglaubens – und in der Hoffnung auf Gottes schöpferisches Wirken „in den Ereignissen dieser Welt“.[14] Kurz gefasst: Die christliche Auferstehungshoffnung hat eine ihrer wesentlichen Bestimmungen in ihrer Bedeutung für das gegenwärtige Leben. In ihr werden Erinnern, Erleben und Erwarten neu ausgerichtet von der geschehenen zur verheißenen Offenbarung hin.[15] Durch die österliche Botschaft erschließt sich in ethischer Hinsicht das Jenseits als reale Kraft für das Diesseits (Ernst Troeltsch).
Didaktische Zugänge
Die komplexe und auf den ersten Blick abstrakte Auferstehungsüberlieferung erfordert ebenso komplexe didaktische Annäherungen. Zu dieser Thematik ist für die religionspädagogische Beschäftigung in jüngerer Zeit eine erhöhte Aufmerksamkeit zu konstatieren.[16] Grundsätzlich gilt, dass die Auferstehungsthematik aus sachlichen Gründen als Kernbestand des christlichen Glaubens im Bereich religiöser Bildung unbedingt zu bearbeiten ist. Dabei stellen sich angesichts der gegenwärtig intensiv geführten Kompetenzdebatte besondere Herausforderungen für die Behandlung der Auferstehungsthematik gerade innerhalb eines schulischen Religionsunterrichts, der auf mehr als nur eine vermittlungsgesteuerte Output-Orientierung abzielen will. Zudem ist angesichts der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft[17] und den Herausforderungen |173|des interreligiösen Dialogs zu bedenken, wie sich die christlichen Auferstehungsvorstellungen auch über die eigenen Traditionsgrenzen hinaus angemessen thematisieren lassen. Jedenfalls käme ein Verzicht auf die Thematisierung angesichts der unbestreitbaren Sperrigkeit der Überlieferungstradition über kurz oder lang einer Selbstsäkularisierung des eigenen Bildungsanspruchs gleich. Dabei kann die ausdrückliche Bezugnahme auf die biblische Auferstehungsüberlieferung nicht einfach nur „nebenbei“ geschehen, sondern es muss auch deren Textbestand und Geltungsanspruch so ernst wie möglich genommen werden. Bibeldidaktisch gesprochen erschließt sich diese Überlieferung nur dann, wenn sie selbst in ihrem Bilderreichtum und in ihrer denkerischen Tiefe, das Unerklärliche verstehbar zu machen, zum Ausdruck gebracht und zugleich für die je individuelle Auseinandersetzung möglichst anschaulich gemacht wird. Insofern ist für die thematische Behandlung im Religionsunterricht das ganze Feld kognitiver, diskursiver und interaktiver Bildungsprozesse zu berücksichtigen. Ausgangspunkt didaktischer Reflexionen zur Auferstehungsfrage muss dabei die Überlegung sein, welche existenziellen Lebensfragen Kinder und Jugendliche mit diesem Themenkomplex verbinden und welche Orientierungsleistung die biblische Überlieferung hier für sie bereitzustellen vermag.[18] Eine reine Information über unterschiedliche Jenseitsvorstellungen kann einem solchen ganzheitlichen Bildungsanspruch ebenso wenig gerecht werden wie der Versuch einer auf bloße Bekenntniswiedergabe abzielenden Unterrichtspraxis.
Konkret bedeutet dies, Erfahrungen persönlichen Verlusts und eigener Trauer ebenso in die thematische Erarbeitung zu integrieren wie die Hoffnung auf individuelle und kollektive Erlösung in einer widersprüchlichen und unerlösten, von Schuld- und Versagensgefühlen geprägten Lebenswelt[19] – und dies als lebensweltlich relevante Deutung des Todes und der Hoffnung auf Erlösung als Auferweckt-Werden.[20] Dass dies auch eine möglichst intensive Aufnahme der biblischen und theologischen Traditionen, Bilder und Symbole notwendig macht, sei hier grundsätzlich betont.[21] Zu denken ist hier konkret etwa an die gemeinsame Vorbereitung und das Feiern der Osternacht und des Ostermorgens – eine Form der ganzheitlichen, erfahrungs- und handlungsorientierten Annäherung an den tieferen Sinn der Auferstehung als unverfügbaren und überraschend geschenkten Neubeginn des Lebens. In der gemeinsamen Erschließung der biblischen Texte und dann im liturgischen Vollzug und Erleben des anbrechenden Tages kann Kindern und Jugendlichen Ostern in seiner transzendenten und |174|ganz realen Ereignishaftigkeit deutlich werden: „Die Gottesbeziehung steht im Zentrum“.[22]
Didaktisch gesprochen sind gerade im Auferstehungsthema biblische und individuelle, bildhaft-anschauliche Narration in hohem Maß miteinander verknüpfbar.[23] So wird sich im kinder- und jugendtheologischen Gespräch das Wundersame und auch Unvorstellbare der Ostererzählungen ebenso zur Sprache bringen lassen wie die darin zum Ausdruck kommende Hoffnung auf die Überwindung des Todes. Und ihren konkreten „Sitz im gegenwärtigen Leben“ erlangt diese biblische Botschaft dann, wenn sich dadurch auch – im guten Sinne – tröstliche Perspektiven für den Umgang mit den gegenwärtigen existenziellen Fragen eröffnen. Dafür mögen dann etwa schon die Bilder des lichtvollen Morgens oder des liebevollen Begleiters auf dem Weg nach Emmaus reale Orientierung vermitteln.
Mit Konfirmandinnen und Konfirmanden lässt sich die Verheißung der neuen Schöpfung im Zusammenhang der Vorbereitung und Teilnahme an einer Taufe ganz real vor Augen führen. Hier besteht für die Konfirmationsarbeit die Chance, die biblischen Auferstehungstexte mit der Taufe selbst zu verkoppeln und damit wechselseitige Erschliessungsprozesse zwischen Überlieferung und kirchlichem Handeln anzustoßen.[24] Dass dabei an den sperrigen paulinischen Texten immer auch ernsthaft theologisch „gekaut“ und „gebissen“ werden muss, ist für eine anspruchsvolle bibeldidaktische Bildungsarbeit hier so wesentlich wie notwendig.
Ohne die Öffnung für die vorhandenen Sehnsüchte der Kinder und Jugendlichen lässt sich jedenfalls der Tiefensinn der biblischen Auferstehungsbotschaft und Hoffnung auf Neuschöpfung in ihrem Kern weder anschaulich noch plausibel machen. Im Einzelfall sonderbare Jenseitsvorstellungen sollten aber nur ausgesprochen behutsam relativiert