Andreas Kotte

Theatergeschichte


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in den Tragödien durch den Logos geprägt, sie sind nicht nur „nicht-dithyrambisch“ und „un-dionysisch“, sondern sogar „anti-dionysisch“.37

      1.2.2 Keine Tragödie ohne Dionysien?

      „[Pompé] aus der Stadt zu einer geheiligten Stätte in der Nähe der Akademie an der Straße nach Eleutherä gebracht. […] Das Geleit gaben dem Bildnis épheboi, welche Waffen trugen; ihnen folgte eine prächtige Prozession: voran die Opfertiere, dann unverheiratete Mädchen mit Körben voll Opfergerät auf dem Kopf und schließlich die Volksmenge, Männer und Frauen, Einheimische und Fremde, alle festlich gekleidet; die Reichen fuhren im Wagen, und viele von ihnen trugen Kränze oder Masken. Auf dem Marktplatz machte man halt, während ein Chor vor den Statuen der zwölf Götter auftrat. Alsdann nahm die Prozession ihren Weg zur Akademie.

      [Agón] Das Bildnis wurde auf einem niedrigen Altar abgesetzt. Man sang Hymnen zum Preise des Gottes und opferte die Tiere. Das vorzüglichste Tier unter diesen war ein Stier, der im Namen des Staates dargebracht und in einer amtlichen Inschrift als ‚des Gottes würdig‘ bezeichnet wurde. [Das Tier wurde geschlachtet, gebraten und zerlegt], dann unter den offiziellen Vertretern des Staates verteilt […] Neben dem Stier gab es noch viele andere Opfer; auch der Staat lieferte einige, und andere wurden im Namen von Organisationen der Bürgerschaft oder einzelner Bürger dargebracht. Die Teilnehmer des Festes wurden außerdem mit Wein versorgt und ließen sich, wenn das Fest vorüber war, trinkend und scherzend an der Straße auf Ruhelagern von Efeu nieder.

      1.2.3 Dionysos in der aristotelischen Tragödienentstehungshypothese

      Über 200 Jahre trennen Aristoteles vom Gegenstand, denn die Poetik wird auf die Jahre um 335 datiert. Im vierten Abschnitt (1449a) beschreibt der Autor die Entstehung der Tragödie wie auch der Komödie aus Improvisationen; die Tragödie entwickelte sich für ihn aus dem dithyrambischen Chorlied, die Komödie aus den Phallos-Liedern und -Umzügen, wie sie auch weiterhin noch in manchen Städten üblich seien. Danach entfaltet er sein eingängiges Modell: