Terenz (um 190 – 159 v. Chr.)
Die griechische Phlyakenposse, dargeboten von Berufsschauspielern mit Maske, verspottete nicht nur den Mythos mit seinen Heroen und Göttergestalten, sondern auch die Tragödie, die ihre Stoffe dem Mythos entlehnte. Die ältere Forschung hat insbesondere an Merkmalen der Kleidung versucht, die unterschiedlichen Varianten des Mimus zu unterscheiden. Das Trikot der Phlyaken „zeigt außer dekorativen Querstreifen häufig Falten, Längsnähte und Randsäume. Sie tragen darüber oft ein eng anliegendes, wohl ledernes Wams, auf das Brustwarzen und Nabel gemalt sind. Darüber wird dann die Tracht des täglichen Lebens, Chiton, Exomis oder Mantel, angelegt, immer in zu kurzer Form, sodass der Phallos sichtbar bleibt.“60 Die Phlyaken – wiederum ein Begriff für Spieler und Spiel – agierten auf dem Markt auf einer neutralen Podestbühne von etwa eineinhalb bis zwei Metern Höhe, dahinter ein Vorhang oder eine hölzerne Rückwand mit Tür und Fenster. [<< 47]
Abb 3 Die grob gezimmerte Bühne wird von vier Pfosten getragen; im Hintergrund hängt eine Kopfbinde. Eine Frau ist in die Kniee gesunken. Sie wird von zwei Männern gefasst und mit gezückten Schwertern bedroht. Krater aus Ruvo, apulisch, Höhe 28 cm, zweites Viertel 4. Jh. v. Chr., Sammlung Jatta. (Quelle)
1.3.3 Atellane
Der entwicklungsgeschichtliche Ansatz leitet die Atellane von der griechischen Phlyakenposse ab. Die Osker hätten in Kampanien eine nach der Stadt Atella benannte Form des Mimus entfaltet, die schon seit Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. allmählich Einfluss auf die Bühnen in Rom erlangte. Dort wurden sie in einer Abwandlung später auch als lateinische Volksposse von römischen Bürgern aufgeführt. Diese literarische Variante existierte zu Sullas Zeit (ca. 100 – 80 v. Chr.).61 Livius berichtet, daß die römische Jugend ihren alten Brauch der Scherz- und Spottverse nie aufgab, sondern in der Form von Nachgesängen (exodia) beibehielt, die insbesondere eben mit den oskischen Atellanenspielen verknüpft wurden und später wohl ganz mit ihnen zusammengefallen sind.62 Die Atellani erreichten gegenüber anderen Schauspielern einen Sonderstatus, [<< 48] weil sie Masken trugen und weil, anders als im Mimus, Männer auch die Frauenrollen übernahmen. In den Masken wird der Einfluss der griechischen Phlyakenposse gesehen. Der Phallus verschwindet, stereotype Charaktere werden ausgebildet. Hinzu kommt möglicherweise ein etruskischer Einfluss über kultische Maskentänze, mit denen man Totengeister zu beschwören und zu bannen trachtete. Der Bezug auf mimische Leichenspiele könnte im Wiedergeburtsmotiv der Atellane erhalten geblieben sein. Im Allgemeinen wird improvisiert. Eine kurze, übersichtliche Handlung knüpft sich an vier stehende Masken, welche sich ohne direkte Verbindung eineinhalb Jahrtausende später ähnlich in den Prototypen der Commedia dell’arte wiederholen.
Figuren der Atellane | Bezüge im 16. Jahrhundert | ||
Maccus | Narr, gewitzter Vielfraß | zwei Zanni | Harlekin |
Bucco | Maulheld, Fresser | Hanswurst | |
Pappus | einfältiger, betrogener Alter | Pantalone | |
Dossennus | pfiffiger Buckliger, Gelehrter, Schulmeister, Wahrsager | Dottore |
Die zahlreichen erhaltenen Titel von Atellanen der literarischen Variante offenbaren die beliebtesten Gegenstände. Um 90 v. Chr. stehen die beiden Atellanendichter Lucius Pomponius aus Bologna und Novius auf der Höhe ihres Schaffens. Vom ersten sind 71 Titel und 191 Fragmente, vom zweiten 113 Fragmente und 44 Titel erhalten. In 18 Titeln erscheint eine der vier festen Figuren. Meist umschreibt ein Attribut die komische Grundsituation: Maccus als Wirt, Maccus als Verbannter, Maccus als Soldat, Maccus als Jungfrau; Bucco als Gladiator, Bucco als Adoptivsohn, Der kleine Bucco; Die zwei Dossenni; Pappus als Landwirt, Pappus als Wahlverlierer (zweimal), Das Bruchleiden des Pappus, Die Braut des Pappus. Auch das Palliatenmotiv der Verwechslung begegnet mehrfach: Die Brüder, Die Zwillinge.63
Der spätere römische Mimus ist ebenso kurz wie die Atellane, kommt aber ohne ihre stehenden Masken aus. Er wird entweder von wandernden Mimen, Straßenkomödianten und Histrionen auf Märkten gegeben oder aber als Nach- oder Zwischenspiel anderer Aufführungen anlässlich von Festen in ephemeren, später in steinernen Theatern und Amphitheatern. Häufig gibt man persiflierend Götter dem Gelächter preis.64 In einem Mimus, aufgeführt im Beisein Vespasians im Theater des Marcellus, spielt ein [<< 49] Hund die Hauptrolle, der ein narkotisches Mittel verabreicht bekommt. Er soll sowohl das Einschlafen als auch das Erwachen überzeugend dargestellt haben. Am häufigsten zeigt man jedoch Liebeshändel, Ehebruchsszenen und plötzliche Schicksalswechsel: Bettler erlangen Reichtum, Reiche fliehen. Der Slang der untersten Gesellschaftsschicht dominiert. Schimpfreden und Prügel werden eingeflochten. Skurrile Gebärden und groteske Tänze mit Flötenbegleitung bestimmen das Spiel.65 Daneben existiert eine sozialkritische Variante des Mimus: Sklaven führen während der sizilianischen Aufstände (136 – 132 v. Chr.) in den besetzten Städten Szenen über den Abfall von ihren Herren auf.
1.3.4 Pantomimus als selbstständige Theaterform
Ab 364 v.Chr werden Pantomimen zu den Römischen Spielen zugelassen. Etruskische Tänzer, bezahlt aus der Staatskasse, führen ihre Szenen mit Tanz und Musik pantomimisch auf. Unter Augustus (31 v. Chr. – 14 n. Chr.) wird die Ausbildung des darstellenden Tanzes zu einer selbständigen Kunstgattung besonders gefördert. Man unterscheidet mit Pylades, einem Schauspieler aus Kilikien, sowie Bathyllus aus Alexandria zwei Hauptgattungen des Pantomimus. Der von Bathyllus eingeführte komische Pantomimus ist dem burlesken griechischen Tanz Kordax verwandt. Göttermythen der alten und mittleren Komödie, vielleicht auch direkte Parodien von Tragödien, bilden die Stoffe. Im tragischen Pantomimus des Pylades werden die wirksamsten Momente einer tragischen Handlung in einer Reihe von lyrischen Soli zusammengefasst, die ein einziger Pantomime darstellt, der sowohl männliche als auch weibliche Rollen hintereinander geben muss. Den Text über tragische Liebesabenteuer der Götter singt der Chor. Die Einheit des Ortes macht Kulissenwechsel entbehrlich. Pylades führt statt der Flöte ein stark instrumentiertes Orchester ein. Er ordnet Musik und Gesang dem Tanz unter, wobei Maske und Kostüm meist für jede Rolle gewechselt werden. Nur beim Gewand- oder Manteltanz erfolgt für neue Rollen lediglich eine andere Drapierung mit demselben Gewand. Der Pantomimentanz ähnelte heutigem Ausdruckstanz. Die am meisten gefeierten Schauspieler gehörten häufig zum kaiserlichen Hause und genossen, ungeachtet ihrer den Sklaven ähnlichen rechtlichen Stellung, ein allgemeines Ansehen. Kaiser Nero verehrte zum Beispiel den Pantomimen Paris. Allerdings liess er ihn nach elf Jahren Dienst im Jahre 67 n. Chr. hinrichten, denn er selbst wollte fortan in der Kunst des Tanzes glänzen.66[<< 50]
Parallel zum wachsenden Desinteresse an der Tragödie gewinnen Mimus und Pantomimus an Boden, Ersterer stärker in den unteren, Letzterer in den höheren Gesellschaftsschichten, bis beide das Theaterangebot dominieren. Der Mimus überlebt sowohl die literarisch anspruchsvollere Alte attische Komödie als auch die zur Zeit Alexanders durch Menander repräsentierte Neue Komödie. Diese gelangte als eine Art Lustspiel im 2. Jahrhundert v. Chr. von Griechenland nach Italien. Sie wurde in Rom als Palliata vertreten durch Plautus (254 – 184 v. Chr.) und Terenz (um 190 – 159 v. Chr.). Die Togata, die lateinische