Andreas Kotte

Theatergeschichte


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sich hinreichend erhärten, noch die Annahme, der erste Schauspieler sei älter, nämlich identisch mit dem Vorsänger (Exarchon) der dithyrambischen Männerchorlieder. Kommt es nur auf die Institutionalisierung von Theater an, so kann diese am Beispiel Tragödie synchron zum Stand der Ausbildung anderer Institutionen ermittelt werden. Dies bedingt einen Theaterbegriff, der zwischen Ritus und Theater scharf, das heißt willkürlich trennt. Wird hingegen von szenischen Vorgängen gesprochen, die sich in einem Kontinuum zwischen Erscheinungen des Alltags (Lebenstheater) und hoch spezialisierten Formen (Kunsttheater) bewegen und differenzieren lassen, so sind Rituale eingeschlossen, denn auch sie können von Zuschauenden als Theater bezeichnet werden. Nach einem solchen nicht auf die Institution beschränkten Thea­terbegriff sind Rhapsoden und Prologsprecher ebenso wie der Exarchon Schauspieler und beeinflussen maßgeblich die Tragödie. Die Wirkung von Theater ist nach solcher Auffassung nichts, was nur in die Gesellschaft ausstrahlt, sondern eine Wechselbeziehung, in der Gesellschaft und Theater Darstellungsmodi austauschen. [<< 43]

      1.3 Mimus, Phlyakenposse, Atellane und Pantomimus

      Die Vorstellung, Theater etabliere sich erst mit der Tragödie, ist der Einfachheit und Eingängigkeit der These sowie der schwierigen Überlieferungssituation für nicht literarisch geprägtes Theater oraler Kulturstufen geschuldet, verschärft durch Systematisierungsbestrebungen der Diskurse, die später minderwertig Subliterarisches ausschieden. Wie sollten auch Phallos-Umzüge sowie die Spottlieder der Dionysien oder die dorische Posse in einer literarischen Wertehierarchie neben den Komödien eines Aristophanes bestehen können? Aus dieser Sachlage resultiert die unentschiedene Verwendung des griechischen Begriffs Mimos sowohl für eine Theaterform als auch als Sammelbegriff.

      1.3.1 Mimus

      1.3.2 Dorische Posse, Phlyakenposse

      Mehrere Formen komischen Theaters koexistieren und gehen ineinander über. [<< 46]

Mimusliterarische Tradition
Mimosdorische Posse(Peloponnes, 6. Jh. v. Chr.; korinthische Vasen)Alte KomödieAristophanes (um 445 – um 386 v. Chr.)
um 400 v. Chr. auch als lit. GattungSophron aus SyrakusPhlyakenposse(gräzisiertes Unteritalien; Kratere)Neue KomödieMenander (um 342 – 292 v. Chr.)
Rom
seit 238 v. Chr. röm. Mimus-Aufführungen an den eigens geschaffenen „Ludi floralia“, seit 173 jährlich 28.4.–2.5.AtellaneStadt Atella bei Capua, ab 338 v. Chr. römischab ca. 100 v. Chr. auch eine