Andreas Kotte

Theatergeschichte


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drei stehende Theater. Sie fassen zusammen kaum die Hälfte der Zuschauer eines Amphitheaters.70 Das älteste steinerne Theater Roms ist das des Pompeius, erbaut im Jahre 55 v. Chr. für etwa 12.000 Zuschauer. Das des Balbus, 13 v. Chr. eingeweiht, fasst 6 – 7.000 und jenes des Marcellus, gleichzeitig errichtet, etwa 10.000. Vermutlich wird nur ausnahmsweise an großen Festen in allen drei Theatern zugleich gespielt, für gewöhnliche Aufführungen genügt wohl das Pompeiustheater. Der römische Festkalender expandiert. Neue Feste wie die Ludi Plebeii, die Ludi Apollinares, die Ludi Megalenses oder die Ludi Cereales kommen hinzu, ein Teil bereits bestehender Feste wird verlängert, und außerhalb des regulären Festkalenders veranstaltet man weitere Spiele zum Beispiel anlässlich von Trauerfeierlichkeiten, ­Triumphen oder kaiserlichen Geburtstagen. [<< 54]

      Gewalt als Voraussetzung für die Akzeptanz von Dramen, ob gespielt oder gelesen, ist weniger ein Bildungs- denn ein komplexes Gesellschaftsproblem.

      1.5 Theaterablehnung aus Konkurrenzgründen

      Die Theaterpraxis vorgriechischer oraler Kulturen ist wie die griechische bis in die klassische Zeit (ca. 500 – 336 v. Chr.) hinein eine vielfältige, differenzierte und lustvolle. Theater wird als sinnvoll, bildend, anregend und der Gesundheit förderlich angesehen sowie als ganz selbstverständlich zum Lebensprozess gehörig variantenreich ausgeübt. Die allmähliche theoretische Abkehr von Theater und schließlich sein Ausschluss aus den ästhetischen Diskursen zählen deshalb zu den kulturhistorisch besonders bedeutsamen Einschnitten. Während Musik und bildende Kunst kaum Einschränkungen [<< 56] erfahren, argumentieren maßgebliche Persönlichkeiten gegen Theater. Es wird von ihnen nicht mehr als Teil der gesellschaftlichen wie individuellen Selbstfindungs- und Heilungsmechanismen oder Demokratie förderndes Element angesehen. Ihre zivilisationsbedingte Kulturleistung ist eine widersinnige, weil sie sich gegen ein natür­liches Bedürfnis nach Tanz, Gesang und körperlicher Darstellung richtet, aber gerade in der Reibung mit natürlichen Gegebenheiten entstehen die meisten Theorien und Glaubensinhalte. Sie formen Zeiten überdauernde Weltanschauungen und prägen Lebensweisen. Der philosophische Wahrheitsdiskurs nimmt sich der Theaterfrage an, schon bevor philosophisch gebildete Kirchenväter ihn instrumentalisierten.

      1.5.1 Der philosophische Anti-Theater-Diskurs