Andreas Kotte

Theatergeschichte


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in ihrer Freude am Mimus wird ihm schließlich zum Verhängnis. Er stirbt 407 in der Verbannung, weil er, als in Konstantinopel eine silberne Bildsäule der Kaiserin Eudoxia errichtet wird und zur Ehre des Tages Mimen und Pantomimen auftreten, die Kaiserin in öffentlicher Predigt eine Herodias nennt, die da tanzt, um Johannes’ Haupt zu erlangen.

      Die gesamte Theaterhistoriografie wird nachantik in ihrer Ausprägung als philo­sophisch-ästhetischer Diskurs von zwei divergierenden Perspektiven überschattet, der platonischen und der aristotelischen. Wenn nach wissenschaftlicher Schärfe und geistiger Exklusivität gestrebt wird, muss Theater wegen seiner Wahrheitsferne als etwas Niedriges und Entbehrliches, ja Gefährliches gelten (Platon). Wird [<< 64] praktische Einflussnahme auf Personengruppen samt Machtausübung anvisiert, erscheint Theater in seiner Materialität und seiner Wirkung als ein nützliches Instrument (Aristoteles).

      1.6 Vom Tanzplatz zum Theatrum

      Kreis und Viereck. Als örtlicher Ausgangspunkt für szenische Vorgänge, die als Theater bezeichnet werden können, sind generell der Tanzplatz und das Podium anzunehmen. Der Tanzkreis bietet schon in den Frühstadien gesellschaftlicher Entwicklung schnelle und einfache Wechsel von Hervorhebung und Nivellierung, von Agieren und Schauen in rhythmischer Bewegung. In lustvoll-spielerischem Handeln werden dynamisch Fähigkeiten und Fertigkeiten erprobt, wobei der Tanzkreis durch Traditionsbildung den Tanzplatz schafft, der sakrale und profane Funktionen zu erfüllen hat. Ein massiver oder portabler Altar für Opferrituale im Zentrum des Kreises gestattet es, Geschichten von Göttern vorzutragen und auszuagieren – wobei hier eine große Lücke zwischen hoher Wahrscheinlichkeit und geringer Belegbarkeit klafft. Das Podium, ein erhöhter [<< 65] Standort einer oder weniger Personen gegenüber vielen, gegeben durch Geländebeschaffenheit oder extra errichtet, verwirklicht die örtliche Hervorhebung bis heute (je nach Aspekten benannt als Neutralbühne, Podiumsbühne, Sukzessionsbühne) für szenische Vorgänge, die vor- und nachbereitet werden können durch Ein-, Aus- und Umzüge, bei welchen sich Akteure an Zuschauenden vorbei bewegen. Strukturell gesehen handelt man also miteinander im rhythmischen Austausch, bildet ein Gegenüber oder bewegt sich aneinander vorbei. Die schrittweise Ausgestaltung des Ortes und die Stärkung des Schauwertes durch Technik gehören zur an Fortschritt gebundenen Technologiegeschichte von Theater. Wenn man will, bilden sie einen eigenen Diskurs, der Mediengeschichte von Theater genannt werden kann.

      1.6.1 Zur Entwicklung des antiken Theaterraumes

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      Abb 4 Modell zur Entwicklung des antiken Theaterraumes. (Quelle) [<< 67]

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      Abb 5 Das Theater von Thorikos, ältere Ausbaustufe. (Quelle)