Andreas Kotte

Theatergeschichte


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rel="nofollow" href="#u87246865-14e6-4f8f-8d6f-9eff55d0af69">Kap. 1.3, Seite 44). In Rom gewinnen solche Formen sogar die Oberhand gegenüber Komödie und Tragödie, die sich innerhalb eines breiten Spektrums Römischer Spiele zu behaupten versuchen (Kap. 1.4, Seite 51). Schwerpunktsverlagerungen bei der Entfaltung spezifischer Formen geschehen aber nie ohne Widerstand. Während Theater bis in seine griechische Institutionalisierungsphase des 6. bis 4. Jahrhunderts v. Chr. unbefragt zum allgemeinen Lebensprozess gehörte, gerät es nun allmählich in den Verdacht, parallele kulturelle Anstrengungen, nämlich die Konzeptbildungen der Philosophie, der Historiografie und der Religion sowie die jeweiligen Herrschaftsstrategien durch seine ästhetische Eigenart, mehrere Wahrheiten gleichzeitig gelten zu lassen, zu unterminieren (Kap. 1.5, Seite 56). Philosophen halten Theater für unehrlich, weil es nur nachahme. Historiker halten es für unwahr, weil es Zeiten, Orte und Figuren vermenge. Rhetoriker werten es gegenüber ihrer eigenen Kunst ab. Christliche Kirchenlehrer verwerfen es als zu heidnisch und zu körperlich. Ohne auf das Sprichwort „Viel Feind‘, viel Ehr‘“ auszuweichen, ist zuzugestehen: Es muss schon etwas ganz Besonderes sein, dieses Theater, wenn es auf solch massive Ablehnung und erdrückende Gegenmittel wie die Zensur stößt. Historisch ist die Theaterfeindschaft ein Glücksfall, denn oft sind die Verbote die einzigen erhaltenen schriftlichen Quellen zum Theaterleben. Andere Zeugen der Theatergeschichte haben die Zeit besser überstanden, vor allem einige Spielstätten (Kap. 1.6, Seite 65). Sie erhellen die Aufführungspraxis und den Stand der Theatertechnik sowie einige Verknüpfungen zwischen Theaterformen und Lebensprozess. [<< 25]

      1.1 Frühe Theaterformen

      1. weder hervorgehoben noch konsequenzvermindert (z. B. Schlacht)

      2. hervorgehoben, aber nicht konsequenzvermindert (z. B. öffentliche Hinrichtung)

      3. nicht hervorgehoben, aber konsequenzvermindert (z. B. Kartenspiel)

      4. hervorgehoben und konsequenzvermindert (z. B. Kriegstanz) [<< 27]

      Nur die eine Kombination von hervorgehoben und konsequenzvermindert generiert szenische Vorgänge. Dies bewahrt das Konzept vor rein metaphorischem Wortgebrauch. In der Hervorhebung verbindet sich sinnliche Körperbewegung mit Sinnfälligmachung, das heißt eine Handlung kann in der Hervorhebung über sich selbst hinausweisen. Die Aufmerksamkeit der Zuschauenden wechselt dabei von den Körperbewegungen der Agierenden zur Wahrnehmung des Spielerischen im Hervorheben selbst. Sie wechselt vom „Was geschieht hier?“ zum „Wie geschieht es?“. Ein physischer Handlungsablauf und eine Kette von Handlungsmodi werden zugleich wahrgenommen. Daraus entsteht Wirkung. Der Lebensprozess bringt unaufhörlich szenische Vorgänge hervor. Sie existieren als ein kontinuierlich gespeistes, unerschöpfliches Potenzial, das soziale Phantasie freisetzt. Sie heißen szenisch, weil darin Inszenierung anklingt, mise en scène. Denn wie Hervorhebungsmerkmale benutzt werden, ist Teil von Inszenierung im Alltag, wie stark die Konsequenzen ausfallen, ebenso, beides unabhängig von jeder Diskussion über Theater (bottom-up). Irgendwann entscheiden sich dann diese oder jene Zuschauenden, diese oder jene szenischen Vorgänge Theater zu nennen oder nicht. Einige Zuschauende können die Hervorhebung eines Marktschreiers als gering erachten und ihn als Verkäufer bewerten, während andere ihm die Bezeichnung Straßentheater zuerkennen. Der Ausdruck „theatrale Vorgänge“ hingegen betont, dass Vorgänge bereits aus der Sicht eines Theater- oder Theatralitätsbegriffes betrachtet werden (top-down). Von szenischen Vorgängen im Alltag bis zu hochartifiziellen und komplexen Vorgängen wie etwa einer Opernaufführung reicht das synchrone Spektrum, dem sich die Theatergeschichtsschreibung zusätzlich asynchron veranschau­lichend zu nähern versucht.