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Hartmann von Aue


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rede figieret

       der âventiure meine!

       wie lûter und wie reine

       sîniu cristallînen wortelîn

       beidiu sint und iemer müezen sîn!

       si koment den man mit siten an,

       si tuont sich nâhen zuo dem man

       und liebent rehtem muote.

       swer guote rede ze guote

       und ouch ze rehte kan verstân,

       der muoz dem Ouwære lân

      sîn schapel unde sîn lôrzwî. (GoTr 4621–4637)

      Hartmann der Ouwære, ei, wie der die Erzählungen sowohl auf der Oberfläche als auch auf der Bedeutungsebene mit Worten und mit Sinn einfärbt und durchzieht! Wie er mit der Sprache die Bedeutung der Geschichte formt! Wie klar und wie rein seine kristallinen Wortelein sind und immer sein werden! Sie kommen dem Menschen mit Anstand näher, sie gehen dem Menschen nahe und erfreuen den rechten Geist. Wer auch immer gute Sprache gut und auch richtig verstehen kann. der muss dem Ouwære seinen Sieger- und seinen Lorbeerkranz lassen.

      Weiterführende Literatur: Einen vorzüglichen Überblick über die Literaturgeschichte des 12. und 13. Jahrhunderts sowie ihre historischen Kontexte bietet Bumke 1990. Literarische Autorbilder dieser Epoche stellt Peters 1991 vor. Eine differenzierte Analyse der Formen, in denen Autorschaft zum Thema in den literarischen Texten des 12. und 13. Jahrhunderts wird, und ihre Herkunft bietet Unzeitig 2010. Die in der älteren und neueren Literaturwissenschaft gleichermaßen geläufige Trennung zwischen Autor und Erzähler problematisiert überzeugend Kablitz 2008. Den mangelnden Zeugniswert der literarischen Autorstilisierungen für die Rekonstruktion einer Biographie Hartmanns zeigt Reuvekamp-Felber 2001 auf. Raumann 2010 arbeitet minutiös das Vexierspiel von Historizität und Fiktion in den Artusromanen Hartmanns heraus. Über die Rezeption literarischer Texte im Mittelalter bis 1300 informiert grundlegend Green 1994. Einen hervorragenden Überblick über die deutschsprachige Lyrik bis in die Zeit Hartmanns von Aue bietet Schnell 2012a und 2012b.

      2. Hartmanns Texte: Fassungen und Überlieferung

      Andreas Hammer

      Abstract: Das Kapitel zeichnet die Überlieferung von Hartmanns Werken unter der spezifischen Perspektive der mittelalterlichen Textualität nach. Anders als in der Moderne werden die Texte über mehrere Jahrhunderte variantenreich und losgelöst vom Autororiginal tradiert; dabei tritt die Medialität der mittelalterlichen Handschriftenkultur besonders deutlich hervor. In diesem Kapitel werden für die Werke Hartmanns nicht alle Handschriftenkontexte einzeln besprochen, vielmehr sollen die überlieferungs- und rezeptionsgeschichtlichen Besonderheiten im Mittelpunkt stehen. Ausgehend von der relativ konstanten (‚Gregorius‘) bzw. unikalen Überlieferung (‚Klage‘) soll es v.a. um drei Problembereiche gehen: 1. die Überlieferung verschiedener Fassungen des ‚Iwein‘ und des ‚Armen Heinrich‘, die v.a. die Schlusspartien der Texte betrifft, 2. die unvollständige und lückenhafte Überlieferung des ‚Ereck‘ sowie 3. die in den einzelnen Handschriften von mouvance gekennzeichnete Lyrik.

      2.1. Mittelalterliche Textualität: Zum Verständnis von Text und Autorschaft

      ÜberlieferungDie mittelalterliche Kultur ist von völlig anderen medialen VoraussetzungenMedialität geprägt als die der Moderne. Es ist eine ‚semi-orale‘ Kultur, d.h., sie basiert, obwohl Schrift und SchriftlichkeitSchriftlichkeit durchaus bekannt sind, zu großen Teilen weiterhin auf MündlichkeitMündlichkeit und mündlicher Überlieferung. Die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben bleibt wenigen Eliten vorbehalten, und bis zum Hochmittelalter lag das Schriftmonopol fast ausschließlich bei den Kirchen und Klöstern.klerikale Bildung Erst mit den nicht nur in gesellschaftlicher Hinsicht bedeutenden Umwälzungen gegen Ende des 12. Jahrhunderts erlangen auch größere Gruppen außerhalb klerikaler Kreise Lese- und Schreibfähigkeiten – darunter Teile der Ministerialität, zu der vermutlich auch Hartmann von Aue gehörte (→ Kap. 1.). Dennoch bleibt die Anzahl derer, die mit Schrift umgehen können, weiterhin sehr überschaubar. Auch wenn der Schrift eine entsprechend hohe Verbindlichkeit zukommt: Das gesprochene Wort besitzt stets eine immense Bedeutung, die auf andere Weise, etwa durch symbolische Handlungen oder Rituale, durch Zeugen oder andere Beglaubigungsstrategien hergestellt wird.

      Es ist einleuchtend, dass unter solchen Voraussetzungen der Umgang mit schriftlichen Zeugnissen keine Selbstverständlichkeit ist, zumal bereits die Herstellung und Produktion ungleich schwieriger war als heute: Texte jeglicher Art sind im Mittelalter, anders als nach der Erfindung des Buchdrucks oder gar in Zeiten des schnellen Internets, nicht beliebig verfüg- und reproduzierbar, sondern müssen mühsam einzeln von Hand abgeschrieben werden. Dazu kommt, dass allein die Materialkosten für eine Handschrift immens waren, denn sie bestand üblicherweise aus Pergament, Tierhäuten also, von denen man für einen einzigenÜberlieferung Codex bereits eine ganze Menge benötigte (Papier wird erst im 14. Jahrhundert langsam bekannt). Wenn man bedenkt, dass eine kleinbäuerliche Familie oftmals nur eine einzige Kuh besaß, man aber schon für ein kleineres Buch die Häute einer halben Herde benötigte, werden die Relationen klarer: Schrifttexte sind nur etwas für reiche, privilegierte Eliten. Allein in solch einem Umfeld kann sich eine ausgeprägte HandschriftenkulturHandschriftenkultur entwickeln, in der die Produktion und Weitergabe von Texten stattfindet. Für die Bewertung der Überlieferung ist das von entscheidender Bedeutung.

      FassungDiese besonderen Umstände mittelalterlicher MedialitätMedialität haben auch ein besonderes Verständnis von TextText und AutorschaftAutorschaft hervorgebracht. Hier ist mit offenen Begriffen von Text und Autorschaft zu rechnen, die sich erheblich von ihren von OriginalitätOriginalität und Geniegedanken geprägten, modernen Äquivalenten unterscheiden: „Texte wurden nicht als Originale, nicht als ‚fixierte Lebensäußerungen ihrer Autoren‘ […] begriffen, sondern als veränderliche, verfügbare Gegebenheiten, die der konkreten GebrauchssituationGebrauchssituation, in die hinein sie sprechen sollten, angepasst werden konnten. Man fühlte sich frei, in überlieferte Texte einzugreifen, ohne damit den Anspruch zu verbinden, ein neues Werk zu schaffen; man konnte Umfang, Wortlaut und Abfolge eines Textes verändern, ohne dessen Identität antasten zu wollen“ (Kraß 1996:100f.). Das betrifft auch den Umgang mit den Erzählstoffen: ‚Gregorius‘, ‚Ereck‘ und ‚Iwein‘ sind Texte, die Hartmann aus dem Französischen übertragen hat, freilich nicht in wortwörtlicher Übersetzung, sondern in einer Art freier Bearbeitung (→ Kap. 5.)Wiedererzählen. Ebensowenig lässt sich so etwas wie ein Autororiginal oder eine ‚Fassung letzter Hand‘ rekonstruieren, wie wir sie aus dem Druckzeitalter kennen. Fassungautorisierte F.

      FassungErschwerend kommt hinzu, dass die handschriftliche Überlieferung in den meisten Fällen erst Jahrzehnte, teilweise sogar erst Jahrhunderte nach der (mutmaßlichen) Entstehung eines Werkes einsetzt. Im Laufe ihrer Überlieferung sind die Texte immer wieder Veränderungen unterworfen, die teils gezielte Eingriffe darstellen, teils durch die Überlieferungssituation bedingt sind: Im Rahmen eines meist mehrfachen Abschreibprozesses unterlaufen den Schreibern beispielsweise immer wieder Fehler oder Missverständnisse, die dann ihrerseits beim nächsten Mal mit abgeschrieben werden. Ebenso kann ein Schreiber nurmehr eine defekte VorlageVorlage haben, bei der z.B. einige Seiten fehlen, so dass der Text dadurch unvollständig wird. Beim Wiederabschreiben ist der Umgang mit Überlieferungsolch ‚offensichtlichen‘ Fehlern wiederum unterschiedlich: Sie werden entweder einfach mit abgeschrieben und sozusagen ‚konserviert‘, oder aber die Schreiber bemühen sich um Korrektur, wobei sie dann aber vielfach wiederum nicht unbedingt auf ‚Originale‘Originalität zurückgreifen können, sondern nach anderen Kriterien, auch nach eigenem Ermessen verfahren müssen. Schon hieran zeigt sich, dass es in den meisten Fällen