Группа авторов

Hartmann von Aue


Скачать книгу

Ich wæne, er sîne wîsheit

       ûz Pêgases urspringe nam,

       von dem diu wîsheit elliu kam.

       ine hân sîn selbe niht gesehen;

       nû hœre ich aber die besten jehen,

       die, die bî sînen jâren

       und sît her meister wâren,

       die selben gebent im einen prîs:

       er inpfete daz êrste rîs

       in tiutischer zungen:

       dâ von sît este ersprungen,

       von den die bluomen kâmen,

       dâ sî die spæhe ûz nâmen

       der meisterlîchen vünde;

       und ist diu selbe künde

       sô wîten gebreitet,

       sô manege wîs zeleitet,

       daz alle, die nu sprechent,

       daz die den wunsch dâ brechent

       von bluomen und von rîsen

      an worten unde an wîsen. (GoTr 4726–4750)

      Heinrich von Veldeke dichtete mit großem Sachverstand. Wie gut er von der Liebe sang! Wie schön er den Sinn herausarbeitete! Ich vermute, dass er seine Weisheit aus der Quelle des Pegasus schöpfte, von wo alle Weisheit stammte. Ich habe ihn selbst nicht mehr kennengelernt, aber ich höre jetzt noch die Besten sagen, die zu seiner Zeit und danach Meister (der Dichtkunst) waren, dass sie ihm einen Verdienst zurechnen: Er pflanzte den ersten Baum in deutscher Sprache. Aus diesem entsprangen seither Äste, aus denen jene Blumen hervorsprossen, aus denen die Dichter nach ihm die Kunst der meisterlichen Ideen herausbrachen. Dieses Wissen (über Heinrich) hat sich so weit verbreitet und in so viele Richtungen zerstreut, dass alle, die heutzutage dichten, ihre Kreativität im Umgang mit Worten und Melodien von seinen Blumen und Ästen hernehmen.

      1.2.4. Literaturgeschichtliche Linien II: Hartmann von Aue als Dichter

      Nicht zu Unrecht kann man Heinrich von VeldekeHeinrich von Veldeke‚Eneasroman‘ als den eigentlichen Erfinder des deutschsprachigen ‚höfischen‘ Romanshöfische Dichtung ansehen (Johnson 1999:231). Sowohl an seiner Darstellungstechnik von Artefakten, Personen und deren inneren Zuständen als auch an seiner sprachlichen Formkunst, die sich an der lateinischen RhetorikRhetorik und Poetik orientiert, schließen nachfolgende deutschsprachige Autoren an. Das gilt auch für Hartmann von Aue, den man dennoch ebenfalls als Neuerer in der deutschen Literaturgeschichte ansehen kann. Mit dem ‚Erec(k)‘ dichtete er nämlich den ersten ArtusromanArtusroman in deutscher Sprache und schuf damit für die zentrale Gattung der ‚höfischen‘ Epik das Modell, an welchem sich Generationen nachfolgender Autoren im Personeninventar (die Ritter der Tafelrunde), in den Motiven (Abenteuer in der außerhöfischen Welt) und in der erzählerischen Vermittlung (Ausgestaltung der ErzählinstanzErzähler / Erzählinstanz) orientierten. Dieser Prototyp des deutschsprachigen Artusromans geht auf die französische Vorlage Chrétiens de TroyesChrétien de Troyes zurück, der einzelne Ritter der Tafelrunde zu Protagonisten eigener fiktiver Erzählwelten erhob (→ Kap. 5.). Von den fünf Artusromanen Chrétiens adaptierte Hartmann zwei in deutscher Sprache: neben ‚Erec et Enide‘ (um 1160/70) Chrétien de Troyes‚Erec et Enide‘ auch den ‚Yvain‘ (um 1170/80)Chrétien de Troyes‚Yvain‘. Grundlage beider Romane ist der bretonische Erzählstoff von König ArtusArtus, welcher in der RomaniaRomania und auf der britischen Insel durchaus einen (wenn auch umstrittenen) historischen Stellenwert hatte. Der erste Schrifttext im 12. Jahrhundert, der ArtusArtus zu einem großen europäischen Herrscher aus der britischen Frühzeit erhob, war nämlich eine Chronik, ein Text der lateinischen Geschichtsschreibung: die ‚Historia regum Britanniae‘ des Geoffrey of MonmouthGeoffrey of Monmouth, ‚Historia regum Britanniae‘ (1135/36). Zwar wurde Geoffrey bereits von zeitgenössischen Historikerkollegen Geschichtsfälschung vorgeworfen, gleichwohl bewahrte ArtusArtus bis ins 12. Jahrhundert einen historischen Rang als großer britischer König der Vorzeit. Geoffrey datierte dessen Herrschaft genau und deren Untergang auf das Jahr 542. Anders als Geoffrey ging es Chrétien in seinen Artusromanen indessen nicht um eine historische Darstellung mit genauen Zeit- und Ortsangaben, sondern darum, spannende Geschichten zu erzählen, die in einem ‚es war einmal in einem Irgendwo‘ spielen und sich um Liebe, Ritterschaft, Kampf sowie Ehre drehen. Während den Chrétien’schen Romanen trotz ihrer zahlreichen Fiktionalitätsmerkmale Fiktionalitätin Frankreich Romaniaein historischer Zeugniswert zugesprochen wurde und diese sogar in Chroniken integriert werden konnten (Wolf 2009:53), kommt den Artusromanen in der deutschen Literaturgeschichte keine gleiche realhistorische Relevanz mehr zu: Der bretonische Erzählstoff (matière de Bretagnematière de Bretagne) wurde als fiktionaler adaptiert, womit sich Chrétiens Tendenz zur Enthistorisierung verstärkte. Am Beginn dieser literaturgeschichtlichen Entwicklung steht Hartmann von Aue, der mit dem ‚Erec(k)‘ das volkssprachliche Erzählen vom Anspruch historischer Verbindlichkeit befreit hat (Haug 21992, Raumann 2010). Der ArtusromanArtusroman war als Gattung so erfolgreich, weil er für eine Vielzahl von Themen besetzbar war, die im Fokus einer kulturellen Elite standen, die einerseits ihren eigenen Lebensstil feierte und andererseits zugleich dessen Grundlagen problematisierend reflektierte: den Umgang mit Liebe, Sexualität, Gewalt, Macht, Ehre, Familie, Religion, dem Fremden und Vertrauten. Hofkultur

      Wie seine beiden Artusromane folgt auch der ‚Gregorius‘ einer französischen Vorlage, der um 1150 entstandenen, anonym überlieferten LegendeLegende ‚La vie du Pape Saint Grégoire‘‚La Vie du Pape Saint Grégoire‘. Eine Legende ist eine Erzählung von heiligen Ereignissen oder Personen, deren Leben und oftmals Wandlung im Mittelpunkt stehen. Die deutschsprachige Legendenliteratur schließt weitgehend an eine lateinische Tradition an, die der Erinnerung an herausragende Taten heiliger Menschen und der Erbauung ihrer Rezipienten dient. Diese legendarische Erzähltradition reicht bis in die Antike zurück und wird in Klöstern und kirchlichen Gemeinschaften gepflegt. Im Zuge des kulturellen Umbruchs im 12. Jahrhundert wird diese lateinisch-geistliche Gattung in die deutsche Sprache überführt. Im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Legendenautoren des 12. Jahrhunderts wandte sich Hartmann jedoch einer französischen Vorlage zu und schafft mit seinem ‚Gregorius‘ einen Text, der zwar – wie die überwiegende Überlieferung in legendarisch-geistlichen Sammelhandschriften zeigt – als Legende rezipiert wurde (Ernst 1996), den aber auch romanhafte Elemente und eine „geradezu melodramatische Handlung“ (Johnson 1999:403) kennzeichnen. Damit knüpft der ‚Gregorius‘ deutlich an Paradigmen der ‚höfischen‘ Erzählliteratur an. höfische DichtungDennoch wurde er als erster deutschsprachiger Text ins Lateinische übersetzt, fand also die Aufmerksamkeit der geistlichen Gelehrtenwelt. Bereits um 1210 schrieb Arnold von Lübeck, der Abt des benediktinischen Lübecker Johannisklosters, im Auftrag des Welfenherzogs Wilhelm von Lüneburg, dem Sohn Heinrichs des Löwen, die ‚Gesta Gregorii Peccatoris‘Arnold von Lübeck, ‚Gesta Gregorii Peccatoris‘, die auf Hartmanns Prätext gründet. Auch wenn der Abt den ‚Gregorius‘ abschätzig beurteilt hat – ‚wir haben nicht die Gewohnheit, derartiges zu lesen‘ –, zeigt die zeitnahe Übersetzung in die Gelehrtensprache, dass die ‚höfische‘ Literatur nicht nur für den Laienadel von Interesse ist. Davon zeugt auch eine Prosaauflösung von Hartmanns Versdichtung in der sehr verbreiteten Legendensammlung ‚Der Heiligen Leben‘ ‚Der Heiligen Leben‘um 1400.

      Deutlicher noch als die Legende vom armen Büßer Gregorius stellt sich Hartmanns ‚Armer Heinrich‘ als Gattungshybrid mit legendarischer Motivik dar. Das versifizierte