Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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Edward EverettEverett, Edward, Joseph CogswellCogswell, Joseph und George BancroftBancroft, George – eine wachsende Zahl von Amerikanern an den Universitäten von BerlinBerlin, GöttingenGöttingen, MünchenMünchen, LeipzigLeipzig, HeidelbergHeidelberg, HalleHalle und BonnBonn studierte. Die Gründung der University of MichiganUniversitätenUniversity of Michigan in Ann ArborAnn Arbor, Michigan durch Henry Philipp TappanTappan, Henry Philipp markierte 1852 den ersten Versuch, das höhere amerikanische BildungswesenBildungswesen im Sinne deutscher Ideale der akademischen Lehr- und Lernfreiheit und der Einheit von Forschung und Lehre umzuformen. Weitere Bemühungen folgten, als der Kongress im Krieg durch den Morrill Act die Errichtung von einzelstaatlichen Universitäten erleichterte und als industrielle Geldgeber im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs, den der NordostenNordosten und der Mittlere WestenWesten nach dem Sieg der Union erlebten, öffentliche und private Bildungseinrichtungen förderten. Während bis dahin die Vorbereitung auf den Beruf im Zentrum der Bestrebungen amerikanischer Colleges und Universitäten gestanden hatte, wurden nun die wissenschaftliche Forschung und die Persönlichkeitsbildung als höchste Ziele proklamiert. Das galt auch für die Hochschulen, die FrauenFrauenBildung aufnahmen oder sich auf die akademische Ausbildung von Studentinnen spezialisierten wie die zur Gruppe der Seven Sisters gehörenden Radcliffe, Smith, Vassar und Bryn Mawr Colleges. Am ausgeprägtesten war der deutsche Einfluss an der New Yorker CornellUniversitätenCornell University, Ithaca, New York University, an der Johns HopkinsUniversitätenJohns Hopkins University University in BaltimoreBaltimore und an der University of ChicagoUniversitätenUniversity of ChicagoChicago, deren Graduiertenseminare neue Maßstäbe für das Studium in den USA setzten. Das traf auf die Naturwissenschaften ebenso zu wie auf die Geisteswissenschaften: So bildete etwa der Historiker Herbert B. AdamsAdams, Herbert B., der in Heidelberg promoviert worden war, an der Johns Hopkins University eine ganze Generation amerikanischer Geschichtsforscher aus und gehörte darüber hinaus zu den Mitbegründern der American Historical AssociationAmerican Historical Association. An allen drei Universitäten lehrten auch deutsche Professoren, die ihrerseits halfen, zusätzliche Kontakte zwischen Studenten und Dozenten diesseits und jenseits des Atlantiks zu knüpfen. Aufs Ganze gesehen erfolgte im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten keine kritiklose Übernahme, sondern eine kreative Anverwandlung des auf Wilhelm von HumboldtHumboldt, Wilhelm v. zurückgehenden deutschen Universitätsmodells an die amerikanischen Verhältnisse, die sich durch das Vorherrschen des demokratischen Geistes und durch das FrontierFrontier-Erlebnis doch erheblich von denen im gerade geeinten Deutschen KaiserreichDeutschlandBeziehungen zu Deutschland vor 1949Vor dem Ersten Weltkrieg unterschieden. Zweifellos wurden in diesen Jahrzehnten die Grundlagen für die Spitzenstellung geschaffen, die amerikanische Universitäten im 20. Jahrhundert in nahezu allen Wissensbereichen eroberten.

      6 Parteipolitik und soziale Konflikte im Gilded AgeGilded Age

      Parteimaschinen und „congressional governmentCongressional Government (1885)“

      Der Schriftsteller Mark TwainTwain, Mark gab der Nachkriegsepoche ihren Namen, als er vom „vergoldeten Zeitalter“ (gilded age) sprach, hinter dessen glänzender Fassade die geistig-moralischenGesellschaftGilded Age Sitten verfielen und sich soziales Elend ausbreitete. Zu diesem negativen Image hatte Präsident Ulysses S. GrantGrant, Ulysses S. nicht wenig beigetragen, in dessen Amtszeit von 1869 bis 1877 die enge Verflechtung von politischen und wirtschaftlichen Interessen und die Bereicherungssucht hoher Regierungsbeamter durch mehrere Skandale offenkundig geworden waren. Die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus nutzten diese Blößen zu einem Propagandafeldzug gegen Korruption und Sonderprivilegien (special privileges), der ihr Ansehen in der Wählergunst wieder steigen ließ. Auch in der RepublikanischenRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus Partei selbst begann es zu gären, wie die vorübergehende Abspaltung der Liberal Republicans im Jahr 1872 zeigte. Korruption und Manipulation waren sicherlich verbreitet, aber bei näherer Betrachtung entzieht sich das politische Leben im Gilded AgeGilded Age doch jeder pauschalen Kritik oder einfachen Schematisierung. Aus heutiger Sicht und im internationalen Vergleich des späten 19. Jahrhunderts ist sein hervorstechendes Merkmal der intensive politische Wettbewerb auf allen Ebenen von der Gemeinde bis zum Kongress. Politik wurde außerordentlich ernst genommen: Man versprach sich von ihr persönliches Fortkommen ebenso wie eine Lösung der großen nationalen Probleme; die meisten Bürger identifizierten sich stark mit einer der beiden großen Parteien und hielten ihr gewöhnlich über Jahrzehnte hinweg die Treue. Darüber hinaus nahm Politik vollends den Charakter eines Massenvergnügens an, dessen Unterhaltungswert von den inzwischen allgegenwärtigen Zeitungen noch gesteigert wurde. Die durchschnittliche Beteiligung an Präsidentschaftswahlen lag in dieser Zeit bei 78,5 Prozent der wahlberechtigten Amerikaner – ein Politisierungsgrad, der seither nicht mehr erreicht wurde. Wahlen waren aber nur der letzte Akt eines aufwändigen Verfahrens, zu dem Paraden, von den Kandidaten veranstaltete Feste, öffentliche Rededuelle und Parteikonvente gehörten, und die von Propagandakampagnen mit Flugblättern, Broschüren, Kandidatenporträts, Slogans und Anstecknadeln (campaign buttons) begleitet wurden. All dies geschah ohne feste, dauerhafte Parteiorganisationen, ohne eine stabile staatliche BürokratieRegierungssystemBürokratie und mit einem Minimum an verbindlichen Regeln.

      Für ein gewisses Maß an Ordnung in diesem Chaos sorgten die städtischen und einzelstaatlichen „Parteimaschinen“, deren wichtigste Aufgabe darin bestand, bei den Wahlen die nötigen Stimmen zu mobilisieren. Die „Bosse“ und „Manager“ dieser Maschinen gehörten zu den Ersten, die Politik zu ihrem Hauptberuf machten. Wenn sie erst einmal die Stadtverwaltung oder die Staatsregierung unter ihre Kontrolle gebracht hatten, konnten sie politische und finanzielle Unterstützung mit der Vergabe von Posten, öffentlichen Aufträgen und Geschäftslizenzen honorieren. Von ihrem Wohlwollen hing es dann auch ab, ob illegale Aktivitäten wie Wettbüros und Bordelle geduldet wurden oder nicht. Hieraus entstanden Netzwerke von gegenseitigen Abhängigkeiten und regelrechte Patronagesysteme, als deren typisches Beispiel stets Tammany HallTammany Hall, die demokratischeDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus Parteiorganisation in New YorkNew York City City, genannt wird. Auch hier müssen die zweifellos berechtigten Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft abgewogen werden gegen nützliche Leistungen für die Allgemeinheit, die Bosse und Parteimaschinen in einer Zeit erbrachten, in der es keine professionelle Verwaltung mit Fachleuten für Probleme wie Wohnungsbau, Verkehr, Wasser- und Stromversorgung, Abfallbeseitigung etc. gab. Auf lokaler Ebene agierten die Bosse oft als Vermittler zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen, ethnischen und religiösen Interessengruppen, und in WashingtonWashington, D.C. sorgten die Repräsentanten der state party machines als Senatoren oder Abgeordnete dafür, dass die Anliegen ihrer Staaten berücksichtigt wurden.

      Trotz gelegentlicher Herausforderungen durch „dritte“ ParteienDritte Parteien (s.a. einzelne Parteien) blieb das Zweiparteien-System bis in die 1890er Jahre hinein stabil. Die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus standen dem big businessWirtschaftAspektebig business näher als die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus, doch ihre Massenbasis fanden sie in den protestantischen städtischen Mittelschichten und bei den Farmern des Mittleren WestensMittlerer Westen. Sie galten weiterhin als die Partei der „moralischen Reform“, bei der alle Gruppen Anschluss suchten, die christlich-evangelikale Grundsätze vertraten und den strikten Verhaltenskodex der White Anglo-Saxon Protestants (WASPs)White Anglo-Saxon Protestants (WASPs) verbindlich machen wollten. Die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus stützten sich dagegen auf den „soliden SüdenSüden“ und warben erfolgreich um die Gunst der überwiegend katholischen Neueinwanderer in den großen Städten des Nordostens. Der ArbeiterschaftArbeiterGilded Age gegenüber gaben sie sich toleranter als die Republikaner, indem sie moralisierende Belehrungen vermieden und die kulturelle Bevormundung durch das protestantische Establishment ablehnten.

      Das politische Kräfteverhältnis war von 1876 bis 1896 sehr ausgewogen: Während die RepublikanerRepublikanische ParteiGilded Age u. Progressivismus bis auf zwei Ausnahmen (Grover ClevelandCleveland, Grover 1884 und 1892) das Weiße Haus eroberten, beherrschten die DemokratenDemokratische ParteiGilded Age u. Progressivismus das Repräsentantenhaus in sieben von zehn Wahlperioden. Die Präsidenten, die meist auf Grund ihrer Verdienste im BürgerkriegBürgerkrieg