Anke Ortlepp

Geschichte der USA


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allenfalls auf lokaler Ebene wählen durften. Die Fortschrittlichkeit des Westens ist zum einen darauf zurückzuführen, dass FrauenFrauenWesten an der FrontierFrontier viele Tätigkeiten ausüben mussten, die normalerweise Männern vorbehalten blieben; zum anderen ließ es der Männerüberschuss im WestenWesten geraten erscheinen, siedlungswilligen Frauen „Privilegien“ wie das WahlrechtFrauenWahlrechtWahlrechtFrauen in Aussicht zu stellen. Dort, wie in anderen Teilen der USA, beteiligten sich auch Einwanderinnen aus dem deutschsprachigen Raum, PolenPolen und Irland an den FrauenrechtsaktivitätenFrauenFrauenbewegung, die insgesamt stark von wohlhabenden weißen Frauen und ArbeiterinnenFrauenArbeitArbeiterFrauen dominiert wurden. Diese bildeten teilweise eigene Organisationen, um in ihre ethnischen Gemeinden hinweinzuwirken. Letzeres gilt auch für afroamerikanische Frauen, die sich jenseits von NAWSA vor allem in der National Association for Colored Women engangierten.

      Zur größten und einflussreichsten Frauenorganisation in dieser Zeit stieg die Women’s Christian Temperance Union (WCTU)Women’s Christian Temperance Union (WCTU) auf, die Mitte der 1870er Jahre aus spontanen Aktionen von FrauenFrauenFrauenbewegung gegen Bars und Saloons in OhioOhio hervorgegangen war und 1890 unionsweit schon 150.000 Mitglieder zählte. Unter der Führung von Frances WillardWillard, Frances nahm die WCTU nicht nur den Anti-Alkohol-Feldzug der Temperance SocietiesTemperenzbewegung aus den 1840er und 1850er Jahren wieder auf, sondern wandte sich auch den Problemen des Sozial- und GesundheitswesensGesundheitswesen, der BildungBildungswesen und Erziehung, der öffentlichen Moral und des internationalen Friedens zu. Einerseits akzeptierten ihre Mitglieder die Doktrin der „separaten Sphären“, derzufolge Männer und Frauen unterschiedlicher Natur waren und FrauenFrauenFrauenbewegung eine besondere Eignung für geistig-moralische AufgabenGesellschaftGilded Age hatten. Andererseits verstanden sie die „weibliche Sphäre“ so umfassend, dass kaum ein Bereich des öffentlichen Lebens ausgespart blieb. Willard forderte denn auch das WahlrechtWahlrechtFrauen für FrauenFrauenWahlrecht, allerdings nicht, wie die Suffragetten, als „natürliches Recht“ im Sinne der UnabhängigkeitserklärungUnabhängigkeitserklärung, sondern als Voraussetzung dafür, dass die Frauen ihrer spezifischen Verantwortung in der Industriegesellschaft gerecht werden konnten. Aus dem sozialen Engagement erwuchs also ein Anspruch der FrauenFrauenFrauenbewegung auf Mitsprache in gesellschaftlich relevanten Fragen. Das machte die Stärke der FrauenbewegungFrauenFrauenbewegung mit ihren vielfältigen Organisationen aus, die der amerikanischen politischen Kultur im 20. Jahrhundert eine ganz besondere Prägung verlieh.

      GewerkschaftenGesellschaftGilded AgeGewerkschaften und ArbeiterbewegungArbeiterGilded Age

      Von den negativen Begleiterscheinungen der IndustrialisierungIndustrialisierungGilded AgeIndustrialisierung, insbesondere von den Konjunktureinbrüchen, war die Masse der ArbeiterArbeiter und Farmer am härtesten betroffen. In ihren Reihen formierte sich deshalb auch der stärkste Widerstand gegen eine Entwicklung, die bewirkte, dass politische Macht und gesellschaftlicherGesellschaftGilded Age Wohlstand immer einseitiger verteilt wurden. Ohne hinreichenden sozialen und rechtlichen Schutz sahen sich die amerikanischen ArbeiterArbeiterGilded Age im Gilded AgeGilded Age nicht nur der Willkür der Unternehmer ausgeliefert, sondern gerieten auch unter psychologischen Druck und liefen Gefahr, ihr Selbstwertgefühl zu verlieren. Mentalitätsmäßig wurzelten viele noch im Handwerker-RepublikanismusRepublikanismus des frühen 19. Jahrhunderts: Sie verstanden sich als Produzenten, denen ein gewisses Maß an Unabhängigkeit zukam, deren Tätigkeit „wertvoll“ war und die für ihre Arbeit einen „gerechten“ Preis fordern durften. All dies wurde in Frage gestellt durch den Einsatz von Maschinen und die Disziplinierung der Belegschaften in den Fabriken, durch Massenproduktion, Spezialisierung und Akkordarbeit. Menschen drohten in diesem Räderwerk zu Ersatzteilen zu werden, die man beliebig austauschen oder auch ganz beiseiteschieben konnte.

      In dem auf individuellen Wettbewerb ausgerichteten sozialen KlimaGesellschaftGilded Age des Gilded AgeGilded Age fiel es den Arbeiterinnen und ArbeiternArbeiterGilded Age sehr schwer, organisierte Interessenvertretungen aufzubauen. Ein erster überregionaler Zusammenschluss von craft unions, die 1866 gegründete National Labor UnionNational Labor Union, ging in der Wirtschaftskrise der 1870er Jahre unter. Erfolgreicher waren die Knights of LaborKnights of Labor, die aus geheimbundartigen lokalen Zellen hervorgingen und 1878 einen Nationalkongress in PennsylvaniaPennsylvania abhielten. Im Unterschied zu den craft unions nahmen die KnightsKnights of Labor ArbeiterArbeiterGilded Age verschiedener Berufe auf und ließen nach anfänglichem Zögern auch FrauenFrauenArbeitArbeiterFrauen und AfroamerikanerAfroamerikanerGewerkschaftenAfroamerikanerGilded Age zu. Nachdem sie ihren geheimbündlerischen Prinzipien und Ritualen entsagt hatten, stieg die Mitgliederzahl bis Mitte der 1880er Jahre auf 700.000 Männer und FrauenFrauenArbeit in ca. 15.000 Ortsvereinen, darunter auch Angehörige der Mittelschicht wie kleine Geschäftsleute und Zeitungsverleger. Die wichtigsten konkreten Forderungen lauteten: Verbot der KinderarbeitKinderarbeit, gleicher Lohn bei gleicher ArbeitArbeiterFrauen für Männer und FrauenFrauenArbeit, Verstaatlichung der EisenbahnEisenbahn2. Hälfte 19.Jh.- und Telegraphengesellschaften, Einführung des Acht-Stunden-Tags und Drosselung der EinwanderungEinwanderungGilded Age. Aufs Ganze gesehen schwebte den KnightsKnights of Labor eine „kooperative“, genossenschaftliche Gesellschaftsform vor, wie sie auch in der utopischen Literatur der Zeit, etwa von Edward BellamyBellamy, Edward und Henry Demarest LloydLloyd, Henry Demarest, dargestellt wurde. Zu diesem Ziel wollte man auf dem Wege der Gesetzgebung durch Reformen gelangen, nicht mit einer Strategie der „revolutionären Umwälzung“, wie sie die Kommunistische InternationaleKommunistische Internationale propagierte (die in einigen amerikanischen Städten Sektionen unterhielt).

      Obwohl die Führung der Knights of LaborKnights of Labor den Streik als gewerkschaftliches Kampfmittel ablehnte, konnten sich die Mitglieder den häufig spontan aufflammenden Konflikten gar nicht entziehen und waren an allen großen Streikbewegungen der Zeit maßgeblich beteiligt. Einen ersten Höhepunkt bildete der EisenbahnerstreikEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. von 1877, der aus Protest gegen Lohnkürzungen in West VirginiaWest Virginia begann, dann aber eine SolidarisierungswelleGesellschaftGilded Age auslöste, die auch andere Industrien erfasste und bis in den Mittleren WestenMittlerer Westen und an die Westküste reichte. Die EisenbahngesellschaftenEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. antworteten mit Massenentlassungen, dem Einsatz von Streikbrechern und der Unterwanderung der Streikkomitees durch Privatdetektive der Agentur Pinkerton, die „schwarze Listen“ der Arbeiterführer aufstellte. Nach schweren Kämpfen zwischen streikenden ArbeiternArbeiterGilded Age und Staatenmilizen in PittsburghPittsburgh, ChicagoChicago und St. LouisSt. Louis, Missouri befahl Präsident HayesHayes, Rutherford B. den Einsatz von Bundestruppen, um die Unruhen niederzuschlagen und die Ordnung wiederherzustellen. Im Umfeld des StreiksEisenbahn2. Hälfte 19.Jh., der insgesamt über 100 Todesopfer forderte, entstanden die ersten unabhängigen ArbeiterparteienArbeiterGilded Age, die sich an lokalen und regionalen Wahlen beteiligten. Am äußersten Rand des politischen Spektrums bildeten sich anarchistische Zirkel, die weltweit geheime Kontakte unterhielten und „direkte Aktionen“ befürworteten. Eine wichtige Rolle spielte dabei der ehemalige Reichstagsabgeordnete Johann MostMost, Johann, der 1878 nach Erlass des SozialistengesetzesSozialismus ausgewiesen worden war und seit 1882 in den USA lebte.

      In den 1880er Jahren stellten sich Mitglieder der ArbeiterparteienArbeiterGilded Age und der Knights of LaborKnights of Labor häufig an die Spitze von Streiks. 1885 feierten sie einen letzten großen Sieg, als sie die EisenbahngesellschaftenEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. im SüdwestenSüdwesten der USA durch Arbeitsniederlegungen und Boykottaktionen zur Rücknahme von Lohnkürzungen zwangen. Eine Wende markierte dann aber der schwere Bombenanschlag auf dem Haymarket in ChicagoChicago, dem am 4. Mai 1886 sieben Polizisten zum Opfer fielen. Als Rädelsführer wurde der deutschstämmige Anarchist August SpiesSpies, August verhaftet, der mit MostMost, Johann befreundet war und an der Spitze des „Revolutionären Clubs“ von Chicago stand. Damit war nicht nur der positive Eindruck zerstört, den die Demonstration von über 100.000 Menschen am 1. Mai für den Acht-Stunden-Tag gemacht hatte, sondern auch der Schwung der Knights of LaborKnights of Labor gebrochen. Während sich die Führung noch entschiedener als zuvor von Gewaltaktionen und StreiksEisenbahn2. Hälfte 19.Jh. distanzierte, wendeten sich viele ArbeiterArbeiterGilded Age enttäuscht